Münchner Momente:Bahnfahren? Geschenkt

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Einserabiturienten dürfen gratis mit Regionalzügen herumgondeln. Warum dieses Präsent kein Mensch braucht

Von Karl Forster

Mit Geschenken ist es so eine Sache. Da ist das Stillleben mit Tulpe von der Tante Maria; selbstgemalt. Wenn sie zum Kaffee kommt, muss es an der Wand hängen. Oder das "Himmlische Moseltröpfchen". Vor Jahrzehnten machte man den Fehler, als Onkel Hans ein solches Fläschchen als Geschenk mitbrachte, ihn später anzuschwindeln, ja, das habe vortrefflich gemundet. Seither gibt's Moseltröpfchen, wann immer jemand aus Onkel Hansens Sippschaft auftaucht. Was aber machen Bayerns Einser-Abiturienten mit dem Geschenk, das ihnen die Deutsche Bahn AG auch zu diesem Schuljahresende wieder zukommen lässt?

Es ist nämlich so, dass bayerische Schüler schon seit ein paar Jahren an einem Tag, es ist dies heuer der 31. Juli, "für ihre Ausdauer und Lernbereitschaft mit Freifahrten in den bayerischen Regionalzügen" von der Bahn belohnt werden, falls sie ein Zeugnis mit einer Eins vornedran vorweisen können. Da jubelt auch Bayerns Kultusminister Ludwig Spaenle und lobt dies als "tolle Anerkennung". Nun, Spaenle war auf einem humanistischen Gymnasium, ist erwiesenermaßen auch alter Sprachen mächtig und kennt also die Story vom Danaergeschenk, das war damals das Trojanische Pferd mit den ganzen Griechen im Bauch. Der Ausgang ist bekannt.

Nun unterscheiden sich einerseits Geschenke wie das aktuelle von der Bahn (es gibt was Ähnliches auch von der bayerischen Seenschifffahrt) von Tantes Bild und Onkels Wein dadurch, dass man sie ignorieren kann, ohne als Kunstbanause oder undankbarer Tropf beschimpft zu werden. Andererseits ist dieses Bahn-Geschenk so toll auch wieder nicht. Wer will schon an einem möglicherweise drückend heißen Montag (der 31. Juli) mit einem Regionalzug, der an jedem Maulwurfshügel stoppt, kein Bordbistro bietet und mit Bayern-Ticket-Nutzern vollgepfropft ist, zwischen Aschaffenburg und Berchtesgaden, Hof und Lindau herumgondeln? "Er konnte dem Fahrplan keine freundlichen Züge abgewinnen", schrieb Sten Nadolny in seinem wunderschönen Bahn-Roman "Netzkarte". Das gilt in ähnlicher Weise auch für die bayerische Einserabifreifahrkarte. Bahnfahren ist halt kein Spaß. Wie neulich: von München nach Kassel, die Abfahrt mit einer halben Stunde, die Ankunft mit zwei Stunden Verspätung. Das Bordbistro war auch kaputt. 108 Euro, weil kein Einserzeugnis. Und außerhalb Bayerns.

© SZ vom 24.07.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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