München:Salto rückwärts

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Beim Ferienprogramm "Applaus" fällt der Vorhang, die Veranstalter streichen kurzfristig alle Veranstaltungen. Die erhofften Zuschüsse sind ausgeblieben, die Rathaus-SPD begründet das mit nicht bewiesenem Bedarf

Von Sonja Niesmann, München

Applaus wird es heuer nicht geben. Das so benannte, neue Ferienprogramm mit Artistik, Theater, Musik und Tanz, das Anna Seliger und Willi Wermelt gemeinsam mit dem Verein für Sozialarbeit Münchner Eltern und Kindern anbieten wollten, ist noch vor dem Start wieder auf Eis gelegt worden. "Auf Grund fehlender Zuschüsse" mussten die Veranstalter alle Angebote fürs ganze Jahr kurzfristig streichen. Schon die ersten Workshops, fünf Tage in den Osterferien, fielen aus. Bereits angemeldete Teilnehmer - gerechnet hatte man mit etwa 200, es waren aber nur knapp 40 - bekamen ihr Geld zurück.

Seliger und Wermelt haben fast zwei Jahrzehnte "Lilalu" geleitet, Seliger gilt als Erfinderin dieses zirzensischen Ferienprogrammes. 2012 mussten sie jedoch Insolvenz anmelden. Zum Retter in der Not wurde die Johanniter-Unfallhilfe; sie übernahm die Trägerschaft und auch die beiden Verantwortlichen. Drei Jahre später, zum Oktober 2015, jedoch trennten sich die Johanniter von Seliger und Wermelt. Die beiden entwickelten daraufhin "Applaus" - Lilalu reloaded gewissermaßen - und gewannen den Verein für Sozialarbeit als Partner für ihr künstlerisch-pädagogisches Konzept.

"Das hätte gut in unser Portfolio, zu unserer Arbeit mit Kindern, Jugendlichen, jungen Flüchtlingen und Alleinerziehenden gepasst", sagt Johannes Seiser, der Vorsitzende des etablierten Kinder- und Jugendhilfeträgers. Man gründete gemeinsam die MünchenXtra g GmbH, stellte das Projekt auf einer Pressekonferenz im Januar vor und unterstrich dort auch, man sei natürlich auf Zuschüsse angewiesen: "Zwischen 100 000 und 150 000 Euro", schätzt Willi Wermelt. Aus der Rathaus-SPD habe Wermelt, berichtet Seiser, sehr "ermutigende Signale" in Sachen Zuschuss gehabt. Bei einem Gespräch mit der SPD-Fraktion jedoch habe ihnen Christian Müller unmissverständlich erklärt: Kein Bedarf für ein weiteres Ferienprogramm, also keine Zuschüsse.

Ganz so schlicht verhält es sich nicht, korrigiert Christian Müller. Der sozialpolitische Sprecher der SPD-Fraktion zählt gleich mehrere Aspekte auf. Es gelte, Regularien zu beachten: "Wir können keinen einzelnen Träger bevorzugen", schon gar nicht, ehe der Bedarf festgestellt sei. Applaus habe auch kein "Alleinstellungsmerkmal", findet Müller: "Das ist das, was Wermelt und Seiliger bei Lilalu gemacht haben". Und auch Lilalu sei nicht einzigartig, "es gibt eine Reihe weiterer Träger, die Zirkus-Ferienangebote haben".

Hoch hinaus: "Trau Dich", ein weiteres Kinder-Zirkus-Angebot. (Foto: Alessandra Schellnegger)

Wie es grundsätzlich um die Ferienbetreuung in München bestellt ist, will die SPD derzeit ausloten, sie hat auch einen Antrag dazu gestellt. Nach Müllers Aussagen sind die Kapazitäten des Stadtjugendamtes zwar ausgeschöpft, bei freien Trägern aber sei noch Luft. Ein weiterer Punkt in Müllers Argumentation: Angesichts der schwierigen Finanzlage in München hat sich der Stadtrat darauf verständigt, während eines laufenden Haushaltsjahres nur noch in absolut dringlichen Fällen Extra-Mittel zu bewilligen. Wenn jemand etwas Neues aufziehe, muss er nach Müllers Ansicht auch erst einmal selber intensive, finanzielle Anschubarbeit leisten: "So haben es Seliger und Wermelt anfangs bei Lilalu ja auch gemacht." Und zu guter Letzt, schließt der Stadtrat, dürfe es auch nicht danach aussehen, dass man einen Zuschuss bekommt, weil man SPD-Mitglied sei. Wermelt und Seliger sind beide politisch aktiv in der SPD.

Die MünchenXtra gGmbH ist jetzt stillgelegt worden. "Wir können sie aber jederzeit reaktivieren", betont Johannes Seiser - wenn der Bedarf an weiteren Betreuungsprogrammen festgestellt sei und es eine "verbindliche Zuschusszusage" der Stadt gebe. Ob aber Eltern, die vor Ostern eine Absage bekamen, bei der Suche nach Ferienbetreuung ein zweites Mal Vertrauen setzen in "Applaus"? Willi Wermelt gibt sich zuversichtlich: "Einige sind zwar zu Lilalu zurückgegangen, aber die meisten hatten Verständnis."

© SZ vom 23.04.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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