München:Jüdisches Leben in Polen

Vera Botterbusch auf den Spuren Alfred Döblins

Von Stefanie Schwetz

Olympiadorf - Auf den Spuren seiner jüdischen Herkunft reiste der in Stettin geborene, mittlerweile in Berlin mit wachsendem Antisemitismus konfrontierte Schriftsteller Alfred Döblin im Jahr 1924 nach Polen und studierte dort die jüdische Lebenswirklichkeit. Während das Judentum in seiner eigenen Biografie bereits in den Hintergrund getreten war, fand er bei den polnischen Juden eine geistig-religiöse Fokussierung, die bei deutschen Juden kaum mehr existierte. "Sie waren vielleicht Reste eines untergegangenen Volkes, die längst in die neue Umgebung eingegangen waren", attestierte er ihnen in seinen schriftlichen Aufzeichnungen.

Um den Erlebnissen Alfred Döblins nachzuspüren, hat sich die Münchner Filmemacherin Vera Botterbusch 1992 ebenfalls auf die Reise nach Polen begeben. Sie hat Orte aufgesucht, die auch Döblin aufsuchte - Warschau, Krakau, Lodz. Und sie hat vor dem schmerzhaften Erfahrungshorizont des Holocausts auch hoffnungsvolle Ansätze neuen jüdischen Lebens gefunden. Dokumentiert werden diese Erfahrungen in ihrem Film "Den Kopf zwischen den Schultern trägt jeder für sich selbst". Für Vera Botterbusch liest sich Döblins Reisebericht wie ein Psychogramm des Dichters im Spannungsfeld zwischen der "Zerrissenheit des modernen Menschen" und einer "religiös fundierten Existenz". Insofern ist Botterbuschs filmische Reportage eine Reise in die Geschichte, eine Exkursion, die selbst längst Geschichte ist. Diesen Freitag, 27. Januar, von 19.30 Uhr an wird "Den Kopf zwischen den Schultern trägt jeder für sich selbst" im Forum 2 Olympiadorf, Nadistraße 3, gezeigt. Anschließend steht die Regisseurin zum Gespräch zur Verfügung.

© SZ vom 24.01.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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