München:Irritierende Fragen

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Die SPD in Milbertshofen-Am Hart fordern eine personelle Stärkung der Fachstelle für Demokratie. CSU und FDP sind dagegen, von "roter Polit-Mottenkiste" ist die Rede. Der Stadtrat hat indes die Stellenaufstockung längst beschlossen

Von Nicole Graner, München

"Wir erleben eine vermehrte Aktivität von extrem rechten Gruppierungen in den Stadtteilen", sagt Miriam Heigl, Leiterin der Fachstelle für Demokratie - gegen Rechtsextremismus, Rassismus und Menschenfeindlichkeit (FgR). Eine Aktivität, die zum Beispiel erst im April dieses Jahres an den Wänden der neuen Fachoberschule für Wirtschaft (FOS) und Städtischen Berufsoberschule (BOS) im Harthof sichtbar wurde: mit hingeschmierten Nazi-Parolen.

Ansprechbar zu sein bei Fragen, umfangreiche Recherchen zu einzelnen Gruppierungen zu betreiben und intensive Aufklärungsarbeit zu leisten, sind die wichtigsten Aufgaben der Fachstelle. Aber: "Der Aufgabenbereich wird immer größer", sagt Heigl. Neben dem Rechtsextremismus beschäftige sich die Stelle daher, so Heigl weiter, auch mit religionsbezogenem Extremismus, wie dem Salafismus, und mit jeder Form von gruppenbezogener Menschenfeindlichkeit. Ein großes Anliegen der Leiterin ist es vor allem, die Zusammenarbeit mit den Bezirksausschüssen zu intensivieren. Das geht nach ihrer Ansicht nur, wenn die FgR eine weitere Vollzeitstelle erhält. Derzeit gibt es, so Heigl, eineinhalb Stellen und eine Verwaltungskraft. Im Herbst soll eine Stelle nachbesetzt werden.

Die Mitglieder des Bezirksausschusses Milbertshofen-Am Hart diskutierten jetzt einen Antrag der SPD, der für die Aufstockung der FgR plädierte. Immer mehr Stadtbezirke müssten sich mit rechtsextremen Handlungen auseinandersetzen, erklärte Ruth Huber (SPD), Beauftragte gegen Rechtsextremismus. Es sei ihr ein wichtiges Anliegen, die Stadtbezirksarbeit mit der FgR zu stärken. Dazu brauche es mehr Stellen. Das sah die CSU nicht so - und fragte, warum diese Stelle überhaupt nötig sei, wie Präventionsarbeit für das Stadtviertel aussehe und dass für Beobachtungen von Links- und Rechtsextremen der Verfassungsschutz zuständig sei. "Wir leben in einer Demokratie. Alle Spinner dieser Welt dürfen demonstrieren", erklärte Thomas Schwed (CSU).

Claus Wunderlichs (FDP) Argument gegen die Stellenaufstockung irritierte Besucher und Gremiumsmitglieder. Die älteste Partei Deutschlands habe wieder in die "rote Polit-Mottenkiste" gegriffen und, weil die Nerven blank lägen vor der Bundestagswahl, den "alten Popanz Rechtsextremismus" herausgegriffen. Noch nie, so behauptete Wunderlich, sei ein echter Nazi in Milbertshofen zu finden gewesen. Überhaupt falle die Fachstelle nur auf mit Hetze gegen Gastronomen. Der SPD-Antrag wurde nach einem Plädoyer von Huber dennoch mit den Stimmen der Grünen und der Fraktion Freien Wähle/ÖDP angenommen.

Bereits vor einigen Wochen hatten die Bürgervertreter in der Maxvorstadt sowie in Schwabing-West und Schwabing Freimann sich für eine personelle Stärkung von Heigls Behörde ausgesprochen, von einzelnen Wortmeldungen abgesehen im Konsens und mit großen Mehrheiten. Im Stadtrat war sich die Rathauskoalition zuletzt ebenfalls einig: SPD und CSU stellten kürzlich den Antrag, dass die Fachstelle um 1,5 Vollzeitstellen aufgestockt werden solle, weil sie, wie es im Schreiben heißt, einen "unverzichtbaren Beitrag zur Abwehr rechtsextremer Strömungen" und eine "stetig professionelle Aufklärungsarbeit" leiste. "Unsere offene und demokratische Gesellschaft ist derzeit so gefährdet wie schon lange nicht mehr", erklärt der Stadtrat und Fachsprecher gegen Rechtsextremismus, Christian Vorländer (SPD). "Deshalb müssen wir unsere Anstrengungen im Kampf gegen Rechts verstärken. Rechtes Gedankengut, hetzerische Parolen und Rassismus dürfen in unserer Stadt keinen Platz haben." Auch die CSU-Fraktion im Stadtrat betont, dass die Demokratie gestärkt werden und jede Form von Extremismus bekämpft werden müsse.

Die Fraktion von Freien Wählern/ÖDP beantragten im BA einem weiteren Antrag, dass die FgR umbenannt werden müsse in Fachstelle für "Demokratie - gegen Extremismus, Rassismus und Menschenfeindlichkeit der Landeshauptstadt München". Die Stadträte dachten ähnlich und wünschen eine Umbenennung in "Fachstelle für Demokratie - gegen Rechtsextremismus, Rassismus, religiöse Radikalisierung und Menschenfeindlichkeit." "Ich hoffe sehr", sagt Christian Vorländer, dass der Antrag noch vor den Sommerferien positiv entschieden wird."

© SZ vom 04.07.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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