Kritik:Fülle des Gefühls

Lesezeit: 1 min

Gehaltvoll lyrische Sopran-Stimme: Lydia Teuscher sang brillant und mit Witz. (Foto: Shirley Suarez)

Lydia Teuscher und das BR-Symphonieorchester unter der Leitung von Giovanni Antonini im Herkulessaal.

Von Klaus Kalchschmid, München

Selten genug spielt das Symphonieorchester des Bayerischen Rundfunks in kleiner Besetzung Wiener Klassik. Doch wer das Gründungsmitglied von "Il Giradino Armonico", den Mailänder Giovanni Antonini, einlädt, der bekommt im Herkulessaal keine fetten Brocken des 19. Jahrhunderts serviert, sondern ein feines, schlankes Programm. Gerade hat er erfolgreich Beethoven mit dem Kammerorchester Basel in der Isarphilharmonie präsentiert, nun folgt Wolfgang Amadé Mozarts frühe g-moll-Symphonie, Haydn (Symphonie "mit dem Paukenwirbel") und als Höhepunkt Konzertarien von Mozart und Mendelssohn.

Lydia Teuscher stand zwar in schöner schwarz-grüner Abendrobe "nur" an der Rampe, aber ihr musikalisch-theatralisches Feuer in Mimik und gehaltvoll lyrischer Sopran-Stimme sprühte nur so in den optisch kühlen Saal: Ob bei einer skeptischen jungen Frau, die dem Liebhaber keine Treue in der Ehe zutraut ("Voi avete un cor fedele", KV 217), ob bei der angesichts der Emotionen des Geliebten heftig Zweifelnden ("Chi sà, qual sia", KV 582) oder bei der in ihren wechselnden Gefühlen Schwankenden in Felix Mendelssohns grandioser Konzertarie "Infelice! Già dal mio sguardo" in der revidierten Fassung von 1843 - Teuscher singt brillant und mit Witz, kann Koloraturen gestochen scharf modulieren und macht aus jeder dieser Arien eine Perle weiblicher Fülle des Gefühls.

Feiner, kleiner solistischer Auftritt als Geiger

Diese halbe Stunde war weder vorher noch nachher zu toppen, so knackig die Volten der "Sturm und Drang"-Symphonie KV 183 auch klangen, die um vieles kantiger und nicht minder aufregender ist als die späte, vollendete g-moll-Symphonie KV 550. Am Ende knallte auch der Haydn oft zackig, aber selten hob er elegant ab, noch nicht mal im Trio des Menuetts, das preußisch streng durchdekliniert wurde.

Antonini mag mit Beethovens Furor gut klarkommen, aber vor allem bei Haydn dominieren auch im Gestus des Dirigieren ein Überdruck und eine gewisse Aggressivität, die oft das Ganze schärft, meist aber auch ein wenig den Esprit vermissen lässt. So klingt vieles wohltuend direkt und kompakt, ein gewisser Charme, der Haydn in seiner Symphonik so unverwechselbar macht, bleibt freilich dem Konzertmeister überlassen, der nicht nur mit Lydia Teuscher bei Mendelssohn wunderbar konzertiert, sondern auch bei Haydn seinen feinen, kleinen solistischen Auftritt als Geiger hat.

© SZ - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: