München:Getanzte Erinnerung

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Foto: Torsten Weidmann (Foto: N/A)

Choreografie: "der Widerhall der Tage" im Einstein

Von Stefanie Schwetz

Haidhausen - Verdrängung ist eine höchst trügerische Kunst. Das wusste schon der Nachkriegsautor Wolfgang Borchert, der in seiner sogenannten Trümmerliteratur die eigenen Kriegserlebnisse verarbeitete. "Ich versuche immer alles durch Lachen zu besiegen, wenn ich auch oft viel lieber weinen möchte," gestand er einmal. Der Zweite Weltkrieg ist längst vorbei. Aber das Leiden, das die Menschen in dieser Zeit erfahren haben, setzt sich über Generationen als Trauma fort. Die Choreografin Iris-Miriam Behnke hat den psychologischen Nachwirkungen der damaligen Ereignisse nachgespürt - all dem, was sich kaum sichtbar unter dem friedlichen Alltag bundesrepublikanischer Jetztzeit verbirgt. Entstanden ist das Performance-Projekt "der Widerhall der Tage" - eine tänzerische Erinnerungsarbeit an Flucht, Vertreibung, Bombenangriffe, Hunger und den Verlust geliebter Menschen. In einem Improvisations-Workshop mit Laiendarstellern im Alter von acht bis knapp 80 Jahren erarbeitete Behnke eine Gruppenchoreografie, in der sich die vom Krieg geprägten Biografien der Teilnehmer verschiedener Generationen niederschlagen.

Dabei vertraute Behnke der natürlichen Bewegungssprache ihrer Tänzer, die auch Unbewusstes zum Ausdruck bringt. Natürlich stelle sie auch Fragen, die den Mitwirkenden durchaus an die Substanz gehen, erklärt die Choreografin. "Da fließen auch mal Tränen." In erster Linie gehe es ihr jedoch nicht um eine therapeutische Konfliktlösung, sondern um den künstlerischen Schöpfungsprozess. Das Schöne daran sei, so Iris-Miriam Behnke, dass während der gemeinsamen Arbeit an dem Thema auch ein persönlicher, tänzerischer Dialog zwischen den Protagonisten entstehe.

An diesem Montag um 19.30 Uhr feiert das Laienensemble mit "der Widerhall der Tage" in der Halle 4 der Einstein Kultur, Einsteinstraße 42, Premiere. Eine weitere Aufführung ist am Dienstag um 15 Uhr für Schüler und Senioren mit anschließendem moderierten Gespräch sowie am Mittwoch um 19.30 Uhr.

© SZ vom 06.07.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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