München:Ein zweiter Oskar M. Graf

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Zum 20. Todestag des Schriftstellers August Kühn

Von Andrea schlaier, München

Überzeugender und konsequenter als August Kühn hat in der deutschen Literaturszene kaum einer das proletarische Leben dargestellt. Als 1975 sein Opus "Zeit zum Aufstehn" erschien, wurde die Arbeiter-Saga durch die Feuilletons gereicht und der Schriftsteller als zweiter Oskar Maria Graf gehandelt. Der bundesweite Erfolg mündete 1978 in der ZDF-Verfilmung des Romans. Kühn, 1936 als Helmut Münch in München geboren, zeichnete darin in satten Bildern den Alltag seiner Familie auf der Schwanthalerhöhe von 1866 bis 1974 nach und lieferte damit ein Sittengemälde des sich wandelnden Viertels. Anlässlich des 20. Todestages des Arbeiterschriftstellers hat der August-Kühn-Verein, der den Autor einem breiten Publikum zugänglich machen will, einige Werke neu aufgelegt und veranstaltet mehrere Lesungen.

Kühns Vater war jüdischer Abstammung. Um der Verfolgung zu entgehen, retteten sich seine Mutter und er während der Kriegsjahre ins Schweizer Exil. Nach der Rückkehr 1945 trat er eine Lehre als Optikschleifer bei Rodenstock an, bevor er sein schreiberisches Talent auslebte, Journalist und Kabarettist wurde und nach Israel auswanderte. Doch es zog ihn wieder an die Isar, wo er allerdings beruflich zu kämpfen hatte. Nach einem schweren Unfall war Kühn Teilinvalide und sah sich genötigt, wieder in ein abhängiges Arbeitsverhältnis zurückzukehren. Es sollte nicht lange gut gehen. Der Familienvater trat in Lohn bei einer Speisefirma, die ihn rauswarf, weil er einen Betriebsrat gründen wollte. So stand er da mit Frau, sechs Kindern und ohne Job. Dafür aber jeder Menge Geschichten im Kopf. August Kühn beginnt in der Zeit Bücher zu schreiben, Romane, München-Literatur, die Geschichte seiner Familie.

Darunter "Der bayerische Aufstand von 1705" (Verlag Das Freie Buch, 10 Euro), das Volksstück über die Sendlinger Mordweihnacht. Es wurde im Dezember 2015 neu herausgegeben und seither wieder bei Lesungen vorgestellt. Sein bekanntestes Werk "Zeit zum Aufstehn" ist gerade als Taschenbuch erschienen (Verlag Das Freie Buch, 14,90 Euro). Kühns Witwe, Riyan Münch-Kühn, liest am Montag, 11. April, um 20 Uhr im Theater im Fraunhofer, Fraunhoferstraße 9, und am Donnerstag, 14. April, um 19.30 Uhr in der Vereinsgaststätte "Ostkurve", Sieboldstraße 4, beim SPD-Ortsverein Au aus seinen Werken und lässt dabei die längst versunkene Münchner Vorstadtwelt der Kares und Luckes wieder lebendig werden. Mit Witz und Charme erzählt Münch-Kühn nebenbei amüsante Anekdoten aus der Zeit des Entstehens der Bücher und über ihr Leben mit dem Autor.

Anlässlich des 20. Todestages des Literaten bietet der August-Kühn-Verein auch aufschlussreiche Stadtrundgänge auf den Spuren des Autors auf der Schwanthalerhöhe an, unter anderem während der Kunst- und Kulturtage "Westend hat ein Gesicht" zwischen 25. Juni und 16. Juli.

Weitere Informationen zum Jahresprogramm des August-Kühn-Vereins finden sich im Internet unter www.august-kuehn.de.

© SZ vom 13.02.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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