München:Darf's ein bisserl weniger sein?

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Das historische Kesselhaus ist bislang das einzige Glanzstück auf dem ehemaligen Diamalt-Gelände. Bis 2020 sollen hier an die 730 Wohnungen entstehen. (Foto: Stephan Rumpf)

Beim Erörterungstermin zum Bauprojekt Diamalt-Gelände mit 730 Wohnungen wird deutlich, dass es die Anwohner lieber eine Nummer kleiner hätten

Von Anita Naujokat

Vieles ist eine Frage des Geldes. Etwa die von einem Bürger vorgeschlagenen Fassaden, die Feinstaub und Stickoxide binden und Umweltgifte unschädlich machen. Oder der Appell einer Bürgerin an die Stadtplaner, die Dimension herunterzufahren und auf eine Bebauung zu achten, die auch in hundert Jahren noch Strahlkraft habe. "Sie müssen nicht alles tun, was Ihnen die Baulöwen vorlegen. Haben Sie den Mut zu sagen, dass es auch mal etwas weniger und besser sein sollte", sagte sie. Ansonsten werde der Charakter Allachs verändert und verletzt: "Sie neuperlachisieren das ganze Viertel." Klar wurde bei der Erörterung der Pläne für das ehemalige Diamalt-Gelände aber auch: Schönheit lässt sich nicht verordnen.

Das Vorhaben zwischen der Ludwigsfelder Straße, der Georg-Reismüller-Straße bis Höhe Höcherstraße und der Bahnlinie ist der bedeutendste Bebauungsplan im Stadtbezirk. Die Isaria Wohnbau AG und die Münchenbau wollen auf dem 8,5 Hektar großen Gebiet 730 Wohnungen errichten, davon 630 die Isaria. Sie sollen im Westen niedriger, im Osten und Norden dagegen höher ausfallen, um die Einwohner vor dem Lärm der Bahn und des Wehrtechnikbetriebs Krauss-Maffei Wegmann sowie des Gewerbes auf dem Junkers- und Hoch-Tief-Gelände im Norden zu schützen.

Dies bedingt geschlossene Baukörper, nicht zu öffnende Fenster, Lüftungsanlagen und eventuell mit Glas abgeschlossene Lücken auf der Lärmseite, auf der auch keine Räume situiert werden, in denen man sich lange aufhält. Dies, so Stadtplaner Bernd Willer aus dem Planungsreferat, werde im Bebauungsplan und beim Verkauf fixiert. Die inneren Häuser im Osten und Norden erhalten Gartenhöfe und sind zur Grünfläche in der Mitte des Areals ausgerichtet. Gerechnet wird mit 1700 neuen Einwohnern. Entsprechend hoch waren unter den etwa 60 Bürgern in der Aula des Louise-Schroeder-Gymnasiums auch die Anregungen für Verbesserungen beim Verkehr, einer Anbindung an die U-Bahn, dem Ausbau von Schulen, neuen Treffpunkten für Jugendliche, Sportmöglichkeiten und nicht zuletzt der ärztlichen Versorgung.

Eine neue Grundschule ist an der Theodor-Fischer-Straße/Ecke Pasinger Heuweg geplant. Sie soll die Schulen an der Pfarrer-Grimm- und der Eversbuschstraße entlasten, um dort Platz für die zuziehenden Kinder zu haben. Willer versicherte, dass es für seine Behörde "eine Selbstverständlichkeit" sei, die Infrastruktur zeitnah mit einzuplanen. Demnach müssten Schule und Kindertagesstätten ebenfalls in vier Jahren betriebsbereit sein. Die CSU-Stadträtin und Vorsitzende des örtlichen Bezirksausschusses (BA), Heike Kainz, wies außerdem darauf hin, dass München und die benachbarte Gemeinde Karlsfeld ein gemeinsames Gymnasium an der Stadtgrenze vorsähen.

Diskutiert wurde auch die Frage, wie sich denkmalgeschützte Bauten der früheren Diamalt-Fabrik und urbane Dichte vertrügen. Der Untermenzinger Historiker Walter G. Demmel hält es geradezu für zwingend, in der alten Suppenwürze oder in der ehemaligen Werkstatt Kommunikationsmöglichkeiten über ein kleineres kulturelles Zentrum zu schaffen. Beim privat restaurierten Kesselhaus, von dem aus sich die öffentliche Grünfläche in Form eines rechtwinkligen Dreiecks erstreckt, habe man die Chance auf ein frei stehendes Baumonument, entgegnete Willer. Bei der Werkstatt und der Suppenwürze müsse noch ein Zusammenhang gesucht werden: Sie seien mit einer der Kindertagesstätten und einem kleinen Platz - Arbeitstitel Diamalt-Platz - zusammengespannt.

Das Thema warf die Frage nach fehlenden Sichtachsen zu den historischen Gebäuden und nach Durchgängen zum Gelände entlang der Georg-Reismüller-Straße auf. "Ich kann sie nicht sehen, ich kann nicht hin, so war das nicht gedacht", kritisierte BA-Mitglied Ingrid Haussmann (parteifrei). "Das Kesselhaus bleibt also im Kessel. Thema verfehlt." Auch wirke das grüne Dreieck wie der Hausgarten für Anwohner und nicht wie ein Park für alle. Willer gab zu bedenken, dass man beim ursprünglich beabsichtigten Grünstreifen entlang der Georg-Reismüller-Straße eine höhere Bebauung erhalten hätte, vor denen die Baudenkmäler optisch ganz verschwunden wären. "Die Frauenkirche ist auch erst zu sehen, wenn man vor ihr steht." Im Übrigen könne man jederzeit zwischen den Häusern hindurch auf das Diamalt-Gelände kommen.

Alexander Mau, Betreiber des "Kulturprojekt - München 2.0" gegenüber, befürchtet seinerseits Lärmbeschwerden von künftigen Bewohnern. Er fordert eine ähnliche Aufrüstung des Schallschutzes an der Nordzeile für seine Musiker wie gegen die Panzer von Krauss-Maffei Wegmann im Osten. Seit 2003 vermietet er in Allach großflächig Proberäume und Tonstudios für Musiker, Räume für Kurse, Partys und Events - zunächst auf dem Diamalt-Gelände, seit 2010 an der Ludwigsfelder Straße. Doch wie sehe es bei einer so geschlossenen Bebauung dann mit Fluchtwegen aus? Und wie solle die Feuerwehr bei einem Brand hineinkommen?

Stadtplaner Willer sagte zu, alle Anregungen und deren Vor- und Nachteile in den Abwägungsprozess für den Stadtrat einfließen zu lassen. Damit nichts verloren geht, wurde alles protokolliert.

© SZ vom 16.06.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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