München:Biotop des Glaubens

Lesezeit: 4 min

Schloss Fürstenried blickt heuer auf eine 300 Jahre lange, wechselvolle Geschichte zurück und lädt für Sonntag zum Tag der offenen Tür. Wo sich einst der Adel vergnügte, empfängt die Erzdiözese heute in einem modernen Tageszentrum Menschen zur inneren Einkehr

Von Jürgen Wolfram

Es strahlt, inmitten des nüchternen Charmes dieser Südwestecke Münchens, besonders stark: Wie ein Solitär haucht das Schloss Fürstenried dem gleichnamigen Stadtteil Geschichte ein, ist der ruhende Pol zwischen Garmischer Autobahn und zweckmäßigen Wohnblocks.

Die prächtige, nach französischen Vorbildern von Hofbaumeister Joseph Effner entworfene Anlage feiert nun ihr 300-jähriges Bestehen. Und genau 90 Jahre ist es her, dass Schloss Fürstenried seine bis heute gültige Bestimmung als Exerzitienhaus der Erzdiözese München und Freising erhalten hat. Als "Biotop des Glaubens in einer zunehmend säkularen Welt" beschreiben die kirchlichen Eigentümer ihr Paradeanwesen an der Forst-Kasten-Allee, das sie vom Wittelsbacher Ausgleichsfonds erst gepachtet und dann erworben haben.

Seit 2013 wirkt Pater Christoph Kentrup als Direktor in dem noblen Ambiente. Er sieht in dem Schloss mit seinen Vortragssälen und Gruppenräumen "einen Ort des Rückzugs, wo Menschen Zeit und Raum finden, im Gespräch mit Gott zur Besinnung zu kommen". Kentrup selbst und mit ihm Verwaltungsleiter Anton Böck hatten in den vergangenen beiden Jahren eine weitere, ganz profane Aufgabe: Es galt, ein Doppeljubiläum vorzubereiten, wie es Fürstenried noch nicht gesehen hat.

Der Reigen beginnt mit einem Tag der offenen Tür an diesem Sonntag, 27. September, und zieht sich mit vielen Veranstaltungen länger als ein Jahr hin. Ausgiebig gedacht werden soll jener Persönlichkeiten, die dem einst kurfürstlichen Schloss die religiöse Prägung gaben. Vom Gründer des Exerzitienhauses, Kardinal Michael von Faulhaber, wird ebenso die Rede sein wie von Weihbischof Johannes Neuhäusler, der den Nazis Widerstand leistete. Man wird sich an Kardinal Döpfner erinnern, einen wichtigen Erneuerer, oder auch an den einstigen Studenten Josef Ratzinger, den späteren Papst Benedikt XVI.

Das Schloss wächst wie natürlich aus dem Park. (Foto: Florian Peljak)

Mit dem gebotenen Pomp ("Tafeln wie zu Zeiten von Kurfürst Max Emanuel bei musikalischer Begleitung") erweisen die Veranstalter überdies dem Erbauer des Schlosses ihre Reverenz. Bei aller Historie präsentiert Schloss Fürstenried heute alle Merkmale eines modernen Tagungszentrums. Passend dazu wurde in den Siebzigerjahren, ohne das Gesamtbild zu stören, ein zweistöckiger Erweiterungsbau zur Unterbringung von Seminarteilnehmern errichtet. Er besteht, in Analogie zum Barockschloss, aus drei kubischen Pavillons, die schachbrettartig gegeneinander versetzt und um bepflanzte Innenhöhe gruppiert wurden. 90 Einzelzimmer mit Bädern, acht Appartements für Familien, ein Kindergarten sowie ein Keller für geselliges Beisammensein befinden sind hier.

Die Auslastung der Herberge ist hoch, ebenso wie die aller anderen Räume des Schlosses und seiner Nebengebäude. 16 000 bis 17 000 Gäste pro Jahr registriert Verwaltungschef Böck, und bis zu 700 Veranstaltungen. "Als Tagungsgäste willkommen sind alle, die zu uns passen, die einen Bezug zu unserer Philosophie haben", sagt Böck. Hilfsorganisationen wie das Rote Kreuz, die Caritas oder Refugio fallen in diese Kategorie, aber auch christlich ausgerichtete Wirtschaftsunternehmen oder die evangelische Kirche.

Mit qualitätsvoller Versorgung dürfen sie allemal rechnen. Denn, so Anton Böck: "Leib und Seele gehören nun mal zusammen." Dank der guten Nachfrage gelingt es dem Exerzitienhaus, seine laufenden Kosten selbst zu erwirtschaften. Für den Gebäudeunterhalt kommt die Erzdiözese auf. "Schlossgespräche" sind eine Spezialität der Einrichtung. Da geht es beispielsweise um Herzensbildung, Selbstvertrauen und Eigenverantwortung, um Orientierung im Leben.

1 / 3
(Foto: Florian Peljak)

Allegorische Gestalten: Im Garten des Schlosses geht der Barock eine sehenswerte Synthese mit anderen Epochen ein.

2 / 3
(Foto: Florian Peljak)

Der Goldene Saal lässt das Licht großzügig herein und reflektiert es mit glänzenden Fliesen in die Augen der Betrachter

3 / 3
(Foto: Florian Peljak)

Das Blaue Kabinett beeindruckt mit einem prächtigen Kronleuchter.

Die Exerzitienbewegung, wie Ignatius von Loyola, Begründer der Jesuiten, sie einst geformt hat, hält man auf Schloss Fürstenried unter anderem mit Fasten und innerer Einkehr, meditativen Tänzen und autobiografischem Schreiben lebendig, stets in Abstimmung mit dem Ordinariat. Dessen Kardinäle und Bischöfe sind noch alle gern nach Fürstenried gekommen, auch wegen der exquisiten musikalischen Darbietungen, die hier Tradition haben. Ein Kammerkonzert und ein Open Air pro Jahr stehen mindestens auf dem Programm. Kooperationspartner ist die Orchesterakademie. Deren Mitglieder - sie proben mitunter im Schloss - bauen längst auf einen treuen Zuhörerkreis.

Im Schloss Fürstenried sind 33 Mitarbeiter beschäftigt. Doch in seinen Räumen wohnen nur noch Direktor Kentrup, drei Jesuiten, fünf Niederbronner Schwestern sowie der Hausmeister. "Es geht uns nicht um schöner Wohnen und darum, hier unsere Ruhe zu haben, sondern vor allem um das Wohl der Gäste", betont Anton Böck, der seit 2004 vom Zimmerservice bis zur Verpflegung, von der Tagungsabrechnung bis zur Personalleitung alles kontrolliert und koordiniert. Nicht zuletzt das Jubiläumsprogramm trägt weitgehend Böcks Handschrift.

Ein echter Paukenschlag soll zum Auftakt der Tag der offenen Tür am Sonntag, 27. September, werden. "Zu unserer beschaulichen Wiesn erwarten wir bis zu 1000 Besucher", berichtet Schlossherr Kentrup. Vor allem zur Fürstenrieder Nachbarschaft soll der Kontakt gefestigt werden. Eine Eucharistiefeier im Schlosspark, ein Frühschoppen mit Musik, eine geschichtliche Ausstellung, Führungen, Kutschfahrten, ein Film über König Otto sowie ein Konzert in der Andreaskirche ergeben ein rundes Eröffnungsprogramm.

Das Rote Zimmer besticht durch seine elegante Tafel. (Foto: Florian Peljak)

Die Erwähnung König Ottos deutet es an: Das Schloss Fürstenried blickt auf eine Geschichte zurück, die mit "wechselvoll" nur unzulänglich beschrieben wäre. Der repräsentative Bau diente eben nicht nur adeligen Jagdgesellschaften als Hort ausgelassener Festlichkeiten. Vielmehr war es wiederholt auch Lazarett, zeitweise kurfürstlicher Witwensitz, Truppenunterkunft, Schule. Für Prinz Otto (1848 - 1916) wurde Fürstenried zur Endstation, nachdem er geistiger Umnachtung anheimgefallen war. Für den verhinderten Thronfolger baute man das Schloss 1881 sogar um.

Zum Exerzitienhaus wandelte sich die Anlage im Jahr 1925, auf Anordnung Kardinal von Faulhabers. "Allein bis 1936 hat Fürstenried über 80 000 Männern und Frauen neue Kraft gegeben", heißt es in den Annalen. Dann litt das Exerzitienhaus unter den Nazis, Schikanen erschwerten zunehmend den Betrieb. Ohne Vorankündigung wurde auf dem Schlossgrund 1939 mit dem Bau der Olympiastraße begonnen. 1943 traf eine Luftmine den Park, umliegende Gebäude wurden in Mitleidenschaft gezogen. Nach dem Zweiten Weltkrieg führte der Caritasverband unter der Leitung des Chirurgen Max Lebsche im Schloss ein Lazarett. 1949 zog das Spätberufenenseminar ein und blieb bis 1957. In den Nebengebäuden, in denen sich bis 1970 das Erzbischöfliche Knabenseminar befand, wurden vorübergehend die Fachakademie für Sozialpädagogik sowie 1976 eine Jugendbildungsstätte untergebracht.

Ein Feiertag aus Sicht der heutigen Nutzer ist mit Sicherheit der 13. März 2003 gewesen. Damals beschloss die Erzdiözese nach langer Beratung, das Schloss weiterhin als Exerzitienhaus, als "Ort geistlicher Beheimatung" zu führen.

© SZ vom 26.09.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: