Modedesign:Mode für die alterslose Frau

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Dieses Outfit würde auch einer 18-Jährigen stehen. Susanne Hallhuber möchte mit ihrer Mode die alterslose Frau ansprechen. So alterslos, wie sie selbst wirkt. (Foto: YCCP für Hallhuber)

Die Modefirma Hallhuber feiert dieses Jahr 40. Geburtstag. Susanne Hallhuber ist als "Creative Director" zuständig für das Sortiment. Über Taktik und Geschmack auf einem hart umkämpften Markt.

Von Sabine Buchwald

Als Susanne Hallhuber ihren ersten Mann kennenlernte, war sie noch keine 18. Sie ging aufs Gymnasium, und er träumte von eigenen Modegeschäften in der Münchner Fußgängerzone. Im Herbst 1977, Elvis Presley war im Sommer gestorben und die schwedische Pop-Band Abba um die Welt getourt, eröffnete Klaus Hallhuber mit Unterstützung seines Vaters seinen ersten Laden.

Der King of Rock 'n' Roll war kein Vorbild mehr, aber was die vier Skandinavier auf internationalen Bühnen trugen, wollte man auch in Deutschland haben: diese hüftengen Hosen mit weitem Schlag zum Beispiel, Oberteile im Ethno-Stil und Schals, Schals, Schals - gebunden um Taille, Hals und Kopf. Klaus Hallhuber bot auch Modemarken aus dem Ausland an. Online-Shopping gab es damals noch nicht.

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2017 nun feiert die Firma Hallhuber ihr Firmenjubiläum mit dem Slogan: "40 years in style". 40 Jahre steil nach oben, könnte man kalauern. Die Marke Hallhuber ist eine Erfolgsgeschichte made in Munich. Dem ersten Geschäft in Sendling, das es immer noch gibt, folgten über die Jahre 375 weitere Shops und Verkaufsflächen in Deutschland und in sieben anderen europäischen Ländern. Mehr als 30 sollen heuer noch dazu kommen.

1995 hat Klaus Hallhuber die Firma verkauft, sie wechselte mehrmals den Eigentümer, seit 2015 gehört sie zur Gerry Weber AG. Geblieben ist sein Name und Susanne Hallhuber als "Creative Director". 17 Jahre lang waren die beiden verheiratet. Sie haben zwei gemeinsame Kinder, und für Susanne Hallhuber ist er immer noch ein sehr guter Freund. Sie selbst hat in den vergangenen Jahren mit einem Team den "Style" geprägt. Nur Insider wissen, dass Hallhuber-Mode längst komplett im eigenen Haus entworfen wird. Man sieht Susanne Hallhuber nicht auf Empfängen oder Fashion-Shows. Sie lässt sich nicht öffentlich fotografieren und eigentlich gibt sie keine Interviews.

Es dauert Wochen, bis sie einem Besuch in der Münchner Hallhuber-Zentrale zustimmt. Über ihre Pressesprecherin verlangt sie ein Vorgespräch am Telefon, in dem sie erklärt, wie gern sie anonym bleiben möchte. Unerkannt unterwegs sein in der Natur, um den Kopf freizubekommen, ohne Aufsehen beim Bäcker um die Ecke Semmeln kaufen zu gehen, von dieser Normalität will sie nichts einbüßen. Doch sie lässt sich überreden.

Der Firmensitz beim Frankfurter Ring ist ein unprätentiöser Flachbau. Vorbei an weiß getünchten Wänden geht es zu zweckmäßig eingerichteten Arbeitsräumen. Moderne Kunst, wie sie oft aus Prestige in Unternehmen hängt, sieht man hier nicht. Farbtupfer sind die Stoffe, die Arbeitsgrundlage jeder Schneiderin und Designerin. Susanne Hallhuber entpuppt sich als gesprächige Frau, die mit weichem, unüberhörbar Münchner Timbre offen auf alle Fragen antwortet. Mit schnellen Schritten führt sie durch die Büros und Ateliers.

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Sie selbst teilt sich ein Zimmer mit ihrer Assistentin, Schreibtisch an Schreibtisch. Das Herz von Hallhuber ist der Showroom. Dort hängen an meterlangen Stangen - und in einem großen, begehbaren Kleiderschrank - Gegenwart und Zukunft. Alle zwei Wochen kommen neue Kollektionsteile in die Läden. Je nach Größe der Verkaufsfläche mehr oder weniger Stücke, aber in allen Läden gleich. Es wird nicht etwa für die größer gewachsene Frau in Holland anders produziert.

Frühjahr und Sommer bringen luftige, trägerlose Kleider mit floralen Mustern, die im Laden um die 100 bis 130 Euro kosten werden. Jäckchen für den kühlen Abend, weite Hosen. Rot- und Rosé-Töne, helles Blau, Off-White, Gelb. Kniekurze, damenhafte Kleider in festen Stoffen für den feineren Anlass. Von Juli an wird es tiefrot und schwarz. Viele Teile sind miteinander kombinierbar, das ist Konzept. "Wir gehören nicht unbedingt zu den Trendsettern", erklärt Susanne Hallhuber. Auf das "richtige Timing" komme es an, um den Markt zu erreichen. Zu früh sei genauso falsch wie zu spät. Ein Bauchgefühl und viel Erfahrung.

Während des Gesprächs im Showroom klingelt kein Telefon, niemand stört. Susanne Hallhuber schenkt aufmerksam Wasser nach und bietet mehrmals die Macarons und Confiserie-Teilchen an. Sie selbst isst nichts. 95 Prozent der Kleidung in ihrem eigenen Schrank hat ein Hallhuber-Etikett, sicher mehr Größe 36 als 38. An diesem Nachmittag trägt Susanne Hallhuber eine schwarze enge Hose, eine weiße hochgeschlossene Seidenbluse, darüber ein schwarzes Blouson. 100 Prozent Hallhuber. Dieses Outfit würde auch einer 18-Jährigen stehen. Susanne Hallhuber ist 58 Jahre alt. Darf man das schreiben? "Natürlich, unbedingt", antwortet sie schnell. Sie möchte mit ihrer Mode die alterslose Frau ansprechen. So alterslos, wie sie selbst wirkt. Sie möchte keine Frau ausgrenzen. Wer in einen Hallhuber-Laden geht, hat ein bestimmtes Stilbewusstsein, sagt Susanne Hallhuber.

Blousons gehören zu den Rennern der vergangenen Monate. Es ist ein altes Thema, neu aufgelegt. Anfangs waren sie alle überrascht, dass es so gut ankommt. Sie starteten mit kleinen Stückzahlen in den größeren Geschäften, wie das in der Kaufinger Straße. Die Strategie mit "mutigen" Teilen. Bei 500 Stück zum Ausprobieren kann man nicht viel falsch machen. Wenn etwas läuft, dann wird in höheren vierstelligen Stückzahlen produziert.

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Inzwischen bieten sie ein Dutzend Blouson-Modelle in verschiedenen Stoffvarianten an. Was sich wo am besten verkauft, bringen jeden Montag die Verkaufsanalysen auf den Tisch. Alle paar Wochen gibt es direkte Gespräche mit Verkäuferinnen. Zeichnet sich ein Verkaufstrend ab, dann reagieren sie schnell in München. Dann wird nachgeordert oder in die neuen Kollektionen mitaufgenommen, was man aus den Läden hört. Rocklängen zum Beispiel, die kann man leicht nach oben oder unten verändern.

"Alle Entscheidungen bezüglich der Kollektionen liegen in unseren Händen", sagt Susanne Hallhuber. Darüber sei sie sehr froh. Von der Geschäftsleitung mischt sich niemand ein und niemand sonst steht dazwischen. "Wir überspringen den Großhandel. Dadurch vermeiden wir, dass unsere ganzheitlich konzipierten Kollektionen filetiert werden."

Susanne Hallhuber betont die "vertikale Struktur", die schnelle Entscheidungen von oben nach unten zulässt. Das hilft, Preise und Qualität überschaubar zu halten. Überhaupt die Qualität. Das ist ein großes Thema. "Wegwerfmode" ist nicht ihr Ding. "Denn hinter jedem Stück steckt so viel Arbeit. Wir legen größten Wert darauf, langlebige Produkte anzubieten", sagt Susanne Hallhuber. Karl Lagerfeld denkt sicher nicht anders.

Mit der Marke ist auch die Abteilung für Qualitätssicherung gewachsen. Zehn von den 30 Mitarbeiterinnen sind damit beschäftigt, Stoffe auf mögliche Schadstoffe zu testen, oder ihre Wascheigenschaften: ob sie Farbe verlieren, einlaufen, sich verziehen, oder gar diese hässlichen Knötchen bilden, fachsprachlich Pilling genannt. In der QS-Abteilung stehen dazu Waschmaschine und Wäscheständer. Wenn die ersten Kollektionsteile kommen, werden sie vermessen, an der Passform gearbeitet. Mit jeder Komponente wie Reißverschluss, Knöpfe, Ober- und Unterstoff, steigt das Risiko. An 60 bis 70 Teilen wird parallel gearbeitet.

Immer wieder bewerben sich auch Männer

Nicht nur Susanne Hallhuber hat an diesem Nachmittag ein Hallhuber-Blouson an. Sie sieht es gern, wenn die Mitarbeiterinnen firmeneigene Kleidung tragen, um sie zu testen. Ein Mann im Designteam könnte das nicht. Eine mögliche Erklärung, warum es keinen gibt. Früher gab es auch Männermode, aber seit 2005 wird darüber nicht mehr nachgedacht. Es war eine schwere Entscheidung. Doch man wollte sich auf die "Kernkompetenz" konzentrieren, und das seien nun mal die Frauen. Immer wieder bewerben sich Männer bei Hallhuber, aber an den entscheidenden Stellen gibt es derzeit keine Vakanz.

Ihre wichtigsten Stützen sind langjährige Weggefährtinnen. Manche hat als Praktikantin angefangen und ist nach der Ausbildung an einer Modeschule zurückgekehrt. Susanne Hallhuber stellt ihre Mitarbeiterinnen vor und ermutigt sie, über ihre Arbeit zu erzählen. "Ich habe hier Multitalente", sagt sie. Später dann lässt sie ausrichten, dass sie keinen der Namen in der Zeitung lesen möchte. Sie befürchtet, dass jemand abgeworben werden könnte.

Sie braucht jede ihrer Frauen. Man arbeite "wertschätzend und vertrauensvoll" miteinander. "Aber wir bewegen uns in einem hart umkämpften Markt. Wir sind kein Kuschelverein." Im Geschäftsjahr 2015/16 erwirtschaftete die Gerry Weber AG einen Umsatz von 900,8 Millionen Euro, Hallhuber trug 183 Millionen Euro dazu bei. Dieser Markt faszinierte Susanne Hallhuber als junge Frau so sehr, dass sie ihr Jurastudium dafür aufgab. Zusammen mit einem Designer fing sie an, Oberteile zu entwerfen für die Läden ihres damaligen Mannes. Mit dem Erfolg stieg der Anteil der Eigenproduktion. Seit dem Jahrtausendwechsel gibt es keine Fremdmarken mehr. Susanne Hallhuber könnte zufrieden sein, aber das entspricht ihr nicht.

© SZ vom 06.05.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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