Mitten in Thalkirchen:Vom Treiben ferner Flößer

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Wer denkt, dass es zum Flößen Berge braucht, die das Wasser in Fahrt bringen, wird in Brandenburg eines Besseren belehrt. Am Freitag erinnert nun der Flößer-Kulturverein Thalkirchen, dass München die Flößereihauptstadt war und ist

Von Jürgen Wolfram

Es luthert gewaltig in norddeutschen Landen. Allerorten erinnern Symposien, Ausstellungen, Bibelwochen an den Reformator. Wohin man auch kommt, Martin Luther soll schon da gewesen sein. Hätte er tatsächlich alle Orte besucht, die dies jetzt kühn von sich behaupten, der Kirchenmann müsste nach vorsichtiger Schätzung mindestens 350 Jahre alt geworden sein. In Mittelfranken geht's mit den Übertreibungen schon los, von deren Ausmaß sich das katholische Altbayern keine Vorstellungen macht.

Eine weitere Überraschung erwartet den Reisenden, kommt er in den Norden Brandenburgs. Eingebettet in eine Landschaft aus Seen, Flüssen und Kanälen, grüßt ihn die Stadt Lychen. Sie glänzt mit den Prädikaten "Oase der Ruhe" und - "Flößerstadt". Wie bitte? War dieser Titel nicht längst vergeben? Wetteifern nicht schon München-Thalkirchen, Wolfratshausen und Plattling um den touristisch ergiebigen Ruf, das Erbe des traditionsreichen Transportgewerbes zu Wasser bei sich verankert zu haben?

Lychen, Lutherland. Bis in die 1970er-Jahre soll die Flößerei in der 3200-Einwohner-Kommune sogar der wichtigste Wirtschaftszweig überhaupt gewesen sein. Ein Verein pflegt die Tradition, bietet Rundfahrten mit dem Floß auf dem Stadtsee an, organisiert alljährlich im Juli ein dreitägiges Flößereifest, auf dem ein eigenes Flößerlied gesungen wird. Und im Rathaus regiert neben Vertretern von CDU, SPD und Linken eine Fraktion namens "Schön hier". Da staunt der Gast von der Isar noch, als er längst wieder an der Lände in Thalkirchen entlang spaziert.

Der Flößer-Kulturverein München-Thalkirchen wird dagegen halten, und das schon am nächsten Freitag. Dann enthüllt er am Campingplatz beim Floßkanal ein "Info-Fenster". Es soll die Leute mit der spannenden Geschichte der Zentrallände vertraut machen. Stadt- und Bezirksvertreter haben ihr Kommen zugesagt. Wäre doch gelacht, wenn man sich den Rang der Flößereihauptstadt streitig machen ließe, von wem auch immer.

© SZ vom 11.07.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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