Miss Lilly's:Elegante Erscheinung

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Ausgefeiltes Design: "Miss Lilly's" sieht aus wie eines der hippen Lokale in den Szenevierteln - es liegt aber an der Oefelestraße. (Foto: Catherina Hess)

Miss Lilly ist eine sehr schöne Dame. Sie kann ganz wunderbar kochen - und sogar backen! Doch: Ist das Restaurant zwischen Au und Untergiesing eine Vorbotin der Gentrifizierung?

Rosa Marín

Miss Lilly ist eine sehr schöne Dame. Sie trägt viel Weiß und einen Tupfen Aubergine, hat sich mit dunkelroter Amaryllis geschmückt. Dies tut sie mit so großer Eleganz, dass man erst meinen möchte, sie habe sich ins falsche Viertel verirrt. Hier an der Oefelestraße, wo die Au und Untergiesing aufeinandertreffen und wo sich ein paar Ecken weiter alte Arbeiterherbergen die Pilgersheimer Straße entlang ducken, ist Miss Lilly eine auffällige Erscheinung.

Vielleicht ist sie ja auch eine Vorbotin der Gentrifizierung - wie es man es heute so vornehm ausdrückt, wenn die Immobilienpreise in einem urbanen Quartier in die Höhe schnellen und das Viertel so schick wird, dass die weniger betuchten Alt-Anwohner das Weite suchen müssen.

Impressionen aus dem Miss Lilly's
:Hach!

Im September hat das helle, akkurat durchdesignte Lokal eröffnet - und erfreut sich seitdem ständig großen Andrangs.

So viel sei vorweg genommen: "Miss Lilly's Restaurant & Bar" bewegt sich im mittleren Preissegment, das ist schon einmal gut. Im September hat das helle, akkurat durchdesignte Lokal eröffnet - und erfreut sich seitdem ständig großen Andrangs. Wer mit dem Vorstadtverkehr auf der nahen Humboldtstraße vorbeirauscht, fühlt sich magisch angezogen von den verlockenden großen Fenstern, hinter denen riesige Kugellampen strahlen. Und so sind meist alle weiß gepolsterten Schalensitze an den Holztischen besetzt.

Tritt man hinein, wartet die erste Verlockung: eine Kuchentheke mit weißer Schokotarte, Brownie-Cheesecake, Bananen-Karamell-Köstlichkeiten und hausgemachten Quiches - hach! Denn Miss Lilly kann auch backen.

Stefanie Gültas, eine der Inhaberinnen, hat hier ihre Leidenschaft, das Kuchenbacken, sozusagen gleich in den Eingangsbereich gepflanzt. Mit ihrem Mann, dem Gastronom Luca Gültas, hat sie Erfahrungen mit dem Catering-Service "Dinner for friends" gesammelt.

Das Gastro-Team, das auch das Ladenlokal "Heimspiel" für Feste anbietet, ist nun vom Schlachthofviertel über die Isar gekommen und versucht sein Glück mit Miss Lilly's. Weil Frauen bekanntlich Meisterinnen im Multitasking sind, ist die Neugründung ein Café, ein Restaurant, eine Bar und eine Bäckerei.

Man will hier viel, manchmal ein bisschen zu viel. So begann der Besuch mit einem Gruß aus der Küche, mal war das Quittengelee mit ungewürztem Reis, der dann aber Raffinesse erfuhr durch nachgereichtes Himbeersalz. Ein anderes Mal empfahl sich die Küche mit einem Mini-Vitello tonnato, das Kalbfleisch war allerdings zu trocken geraten. Vielleicht sollten sich die ambitionierten Köche von Miss Lilly das Amuse Gueule sparen und stattdessen voll auf die Bestandteile der wechselnden Wochenkarte konzentrieren - das lohnt sich durchaus.

Die Frühstückszeit war gerade vorbei (es wird rücksichtsvoll bis 17 Uhr gereicht), darum widmeten wir uns den Vorspeisen. Das Carpaccio vom argentinischen Weiderind für 12,90 Euro lag auf einem Nusspesto von perfekter Konsistenz, hübsch auf Rucola und Parmesanhobeln samt Blaubeeren drapiert. Ebenso großzügig bemessen kam der Weinteller auf den Tisch: Nach einer üppigen Auswahl an Datteln im Speckmantel, Chorizo, Salami, Pecorino, Parmesan und Oliven (10,90) mussten wir eine Pause vor dem Hauptgang einlegen.

Da gab es freilich einige Überraschungen. Jener Kellner, der einem bei der Bestellung sehr bestimmt beschieden hatte, dass die Küche das Mischen von Beilagen "nicht mitmache", dass man sich entweder für Bratkartoffeln oder für Saisongemüse entscheiden könne, aber keinesfalls für beides, vertauschte beim Servieren die Rinderlende vom argentinischen Weiderind (18,90) mit dem Rinderfilet (25,90).

Auch hatte er es versäumt zu fragen, in welcher Garstufe man das Fleisch gebraten habe wolle. Dem einen war's somit zu blutig, dem anderen zu durch, aber weil man wegen der Verwechslung nach ein paar Happen sowieso die Teller tauschte, stimmte es dann wieder irgendwie. Und man konnte verbotenerweise Kartoffeln und das sehr zu lobende knackige Gemüse aus Zucchini, Karotten und Schoten kosten. Etwas Besonderes war das Kalbsschnitzel mit Zitronenthymian und Parmesankruste für 16,90 Euro - raffiniert und fein.

Eine Schau ist auch Miss Lilly's Spezialität, der Cheese- und Baconburger (13,90) mit Salat, Tomate, Gurke, Mayonnaise, Senf, Barbecue-Sauce, Speck, Zwiebeln: unüberschaubar viele Schichten, gestapelt neben Mengen sehr guter Pommes Frites. Die Frage, ob der Koch das Beef-Fleisch selbst zubereitet oder ein Fertigprodukt verwendet hatte, brachte Rosa Marín ins Zweifeln. Hundertprozentig sicher war das nicht zu beurteilen.

Trotzdem schmeckte der Burger grandios, und alle Zutaten kommen aus artgerechter Haltung. Wer den Turm geschafft hat, ist wunschlos glücklich. Mit "Miss Lilly's sweet little brother" (5,80) sollte man bis zum Frühstück warten. Es sind zwei Pfannkuchen mit Nutella, Banane und einem Glas Kakao - selbstverständlich elegant dekoriert.

© SZ vom 15.12.2011 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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