Ludwigsvorstadt:Wo ein Roboter den Butler gibt

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Ein Rundgang durch Hotel-Betriebe zeigt, wie man heute im Bahnhofsviertel edel oder günstig übernachtet. Wer süchtig ist und auf der Straße lebt, sucht die kostenlose Notschlafstelle des Drogennotdienstes L 43 auf

Von Thomas Kronewiter, Ludwigsvorstadt

Der Hotelpage der Zukunft ist nur gut einen Meter groß und hat eine Klappe mit Deckel auf dem Kopf. Der "Botlr", ein Roboter-Butler, wird schon bald im neuen Aloft-Hotel am Hauptbahnhof die Zeitung bringen oder die vergessene Zahnpastatube. Schon jetzt kann man dort per Handy-App während der Anreise im 2015 eröffneten 184-Betten-Haus einchecken, darf kostenloses Wlan erwarten, Livebands am Abend im Foyer, dafür weder Pool noch Restaurant. Bei Aloft heißt die Aufforderung an der FNB-Station (für Food and Beverage, also Essen und Trinken) vielmehr "Grab a bite 24/7" - was nichts anderes bedeutet, als dass die Imbissmöglichkeiten der kleinen Versorgungsstation rund um die Uhr zur Verfügung stehen. Wer warmes Essen will, muss in der Nachbarschaft das Passende suchen. Die kleine Küche bei Aloft hat nicht einmal Herdplatten.

Ein Hotel für die "Jung gebliebenen" sei das Aloft, wie Benno Bach, der hier als Operations Manager fungiert, beim Rundgang durch die 16 000 Betten zählende Hotellerie, die es im kompletten Quartier gibt, auf Einladung des Vereins Südliches Bahnhofsviertel erzählt. Dabei zeigt er blitzsaubere, geräumige Zimmer und einen Fitnessbereich, in dem man an nagelneuen Foltermaschinen seine Batterien wieder aufladen kann, "re:charge" heißt das dann. Die Spitzenlage direkt vor dem seitlichen Bahnhofszugang könne sich der fortschrittsaffine Gast von 130 Euro pro Zimmer an leisten - zu Wiesnzeiten würden aber auch einmal 600 Euro fällig. "Da passt man sich dem Markt an", räumt der Manager ein.

Die Image-Offensive, die Kathrin Wickenhäuser-Egger und ihr Vater Fritz Wickenhäuser vom Verein Südliches Bahnhofsviertel mit ihrer zur Stadtteilwoche Ludwigsvorstadt-Isarvorstadt angebotenen Tour im Sinn haben, stößt indes schon bei dieser zweiten Station des Zwei-Stunden-Rundgangs an erste Grenzen. Wie das zusammenpasse - ein Hotel im Vier-Sterne-Bereich und das Bahnhofsumfeld mit seiner durchaus problematischen Klientel, will eine Dame wissen. Benno Bach bleibt nur, auf das hoteleigene Sicherheitskonzept zu verweisen. "Rund um die Uhr" werde das Haus gesichert, schon die Aufzug-Nutzung sei ausschließlich Hotelgästen vorbehalten. Unerwünschte Gäste bitte man gegebenenfalls auch nach draußen.

Bei diesem Spaziergang zeigt sich, dass kaum ein Haus ohne Security auskommt, Sicherheitsleute also. Wobei es in Jaeger's Hostel eher darum geht, die Ordnung hinter den Eingangstüren zu gewährleisten. Die Sicherheitsteams patrouillierten dort nachts einmal pro Stunde durch die Gänge, erläutert Kerstin Hasegawer vom Management der privaten Jugendherberge.

In dem 320-Betten-Haus an der Senefelderstraße kann man zur Nebensaison von elf Euro an pro Bett übernachten - wenn man keine Probleme damit hat, im 40-Betten-Schlafsaal abzusteigen. Wenn große Gruppen aus Australien oder den USA da seien, könne es da durchaus lustig werden, sagt Hasegawer lachend. Auch das Hostel, dessen kleinste Zimmer vier Schlafplätze mit Stockbetten haben, kann und will sich den Marktmechanismen nicht entziehen. Soll heißen, dass die Übernachtungspreise während des Oktoberfestes je nach Kategorie auf stolze 50 bis 80 Euro hochschnellen können.

Personal wird weder im Hostel noch bei Aloft in großer Zahl benötigt: Während Benno Bach Mitglied eines Kernteams von 26 sogenannten Talents ist, kann die Hostel-Managerin Hasegawer auf 20 Rezeptionisten und zehn bis 15 Mitarbeiter im Hauswirtschaftsbereich zurückgreifen. Zum Vergleich: Kathrin Wickenhäuser-Egger, deren Familie neben dem Cristal- und dem Dolomit-Hotel auch die Münchner Stubn führt, spricht von einem 100-köpfigen Team. Das ist ein Mitarbeiterschlüssel, von dem Regina Radke nur träumen kann. Die Mitarbeiterin der Notschlafstelle an der Landwehrstraße, der letzten Station des Hotel-Rundgangs im Bahnhofsviertel, muss auf die Mitarbeit ihrer Gäste setzen, wenn es um die Sauberkeit oder ums Frühstück geht. Beim Drogennotdienst L 43 kostet die Übernachtung den Klienten nichts, dafür werden auch nur schwer Suchtkranke aufgenommen. Bevor ihnen Bettzeug ausgehändigt wird, haben sie in der "Schleuse" alle Suchtmittel abzugeben. Die Notschlafstelle mit ihren 32 Betten auf drei Geschossen ist bis vor kurzem ohne Security ausgekommen. Erst mit dem Aufkommen neuartiger Substanzen, der "Badesalze", die sich auch ihre Klienten mitunter intravenös zuführten, sei es im Hinterhof der Notschlafstelle zu "Unruhe" gekommen, berichtet Radke. Seit einem Monat hat deshalb auch das L 43 Sicherheitsleute vor der Tür. Regina Radke zumindest hat die Hoffnung, dass sie auf diese Security irgendwann auch wieder verzichten kann.

Karin Wickenhäuser-Egger ist am Ende des von ihr moderierten Rundgangs angelangt. Die Kontraste im Bahnhofsviertel zeigte sie durchaus bewusst vor. "Wir haben Probleme", sagt sie zum Abschied, "aber wir wissen auch damit umzugehen".

© SZ vom 16.06.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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