Unterrichtsausfall:Pensionäre zurück ans Pult

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Die Kinder sind meist froh, wenn sie ihren Schulranzen gar nicht erst auspacken müssen. (Foto: Felix Kästle/dpa)

Weil derzeit besonders viele Lehrkräfte krank oder schwanger sind, greifen die Grund- und Mittelschulen in diesem Winter zu ungewöhnlichen Maßnahmen. Die Mobile Reserve ist schon lange erschöpft

Von Iris Hilberth, Sauerlach

Wenn der Unterricht ausfällt, freuen sich meist nur die Kinder. Die Eltern hingegen reagieren bestenfalls überrascht, eher aber genervt bis verärgert. Schließlich sollen die Kleinen etwas lernen und nicht Filme schauen oder nach Hause gehen. Damit es vor allem in den krankheitsbedingt heiklen Wintermonaten nicht so weit kommt, hatte das bayerische Kultusministerium bereits Anfang der Achtzigerjahre die "Mobile Reserve" erfunden - Lehrer, die ausschließlich als Vertretungen an die Schulen geschickt werden. Allerdings sind gerade in Grippezeiten diese Reserven schnell aufgebraucht. In Regionen wie dem Landkreis München, wo die Schülerzahlen steigen, gibt es offenbar zu wenige Ersatzlehrer für die vielen Krankheitsfälle.

Das musste in den vergangenen Wochen zum Beispiel die Grundschule Sauerlach erfahren. Dort hatten sich die Krankheitsfälle derart gehäuft und länger andauernde Fehlzeiten eine solche Lücke in die Vertretungsregelungen gerissen, dass eine dritte Klasse vorübergehend auf die anderen Klassen aufgeteilt werden musste. Denn in dem vierzügigen Jahrgang waren gleich zwei Klassleitungen länger ausgefallen und konnten so schnell nicht ersetzt werden. "Das ist für die Klasse natürlich die schlechteste Lösung", gibt Schulleiterin Astrid Waindinger zu, aber wegen eines insgesamt hohen Krankenstands und fehlenden Personals sei es anders einfach nicht möglich gewesen. Die Pflichtstunden allerdings seien alle gehalten worden, betont die Rektorin. Jetzt konnte sie sogar eine gute Nachricht für Eltern und Lehrer verkünden: Seit Mittwoch gibt es einen Ersatz für die fehlende Klassenleiterin. Die Kinder könnten wieder "in ihren alten Klassenverband" zurückkehren, sagte Waindinger.

Dass die Lösung des Problems nicht in den Händen der Schulleitung liegt, wissen die Eltern. Einen Vorwurf mache sie der Rektorin nicht, sagt eine Mutter. "Sie tut, was sie kann." Gleichwohl seien die Eltern wegen der chronischen Stundenverknappung "sehr angespannt", schreibt sie in einem Brief an die SZ und verweist auf den "gnadenlosen Lehrplan". Auch dass ein Teil der Kinder in die Ganztagsklasse habe gehen müssen, stieß bei manchen Eltern offenbar auf Unverständnis. Die Kinder müssten zum Teil bis zu neun Stunden in der Schule sein. Die Rektorin widerspricht: "Kein Kind muss den ganzen Tag in der Schule bleiben." Die Aufteilung sei zudem freiwillig geschehen.

Nicht nur Sauerlach gehen derzeit die Reserven aus. Einen insgesamt hohen Krankenstand von Lehrern im Landkreis München bestätigt Schulamtsleiterin Evelyn Sehling-Gebranzig. 55 Lehrerinnen und Lehrer hat ihr die Regierung von Oberbayern zugeteilt, um sie als Vertretung an die Grund- und Mittelschulen im Landkreis zu schicken. "Es gibt Zeiten, da reicht das Personal aus, aber in Monaten, in denen viele krank sind, wird es eng", sagt die Schulrätin. Hinzu kämen derzeit noch zahlreiche Schwangerschaftsvertretungen. Auch die müssen aus dem Pool der Mobilen Reserve organisiert werden. "Ein paar Klassen haben keinen Ersatz bekommen", räumt Sehling-Gebranzig ein.

Lehrkräfte übernehmen während der Elternzeit einige Stunden

Gleichwohl bemühten sich die Schulleitungen allesamt, dass es zu keinen Unterrichtsausfällen komme. Mitunter würde der Ausfall auch mit der Aufstockung von Stunden der vorhandenen Lehrer kompensiert. Davon berichtet auch die Schulleiterin der Erich-Kästner-Grund- und Mittelschule in Höhenkirchen-Siegertsbrunn, Hannelore Mathis. Die Situation an ihrer Schule habe sich entspannt, da eine länger ausfallende Vollzeitkraft mittlerweile durch zwei Vertretungslehrer ersetzt worden sei. "Wir sind derzeit gut versorgt", sagt sie. Wenn es jedoch um Ersatz für wenige Tage gehe, sei es schwierig, jemanden zu bekommen.

Gerade in der Grippe- und Erkältungszeit falle immer mal jemand aus. "In der Schule steckt man sich ständig an." Hinzu komme in Höhenkirchen-Siegertsbrunn auch ein gestiegener Bedarf an Schwangerschaftsvertretungen. "Wir sind eine sehr fruchtbare Schule", sagt Mathis und lacht. Weil nun auch zunehmend junge Väter unter den Kollegen in Elternzeit gingen, sei der Bedarf an Ersatz größer geworden. Mathis ist daher froh, dass einige Lehrkräfte bereit sind, auch während der Elternzeit ein paar Stunden in der Woche einzuspringen. Von anderen Schulen weiß sie, dass sogar Ruheständler teilweise wieder eingesetzt würden.

Dass die dringend benötigte Mobile Reserve so knapp ist, führen Schulleiterin Waindinger aus Sauerlach und Schulamtsleiterin Sehling-Gebranzig auf einen generellen Mangel an Lehrkräften im Grundschulbereich zurück. "Es fehlen die Leute, die das studieren wollen", sagt Waindinger. Sehling-Gebranzig bestätigt: "In diesem Jahr sind alle Junglehrer übernommen worden."

© SZ vom 19.01.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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