Unterhachinger Turnerinnen:Das Ziel: Olympia 2024

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Chiara Strecker teilte sich die Madaillien mit ihren Trainingspartnerinnen Tabea Landau und Julia Birck. (Foto: Claus Schunk)

Unter dem ehemaligen Bundestrainer Dieter Koch sind die Nachwuchsturnerinnen des TSV Unterhaching auf Erfolgskurs. Bei den Bayerischen Meisterschaften der Schülerinnen in der eigenen Halle unterstreichen vor allem Tabea Landau und Chiara Strecker, dass sie noch Großes vorhaben.

Von Iris Hilberth, Unterhaching

Die Linie ist schmal, Tabea hoch konzentriert. Vorwärts, rückwärts, kopfüber und auf Zehenspitzen ist sie dort unterwegs, mal blitzschnell, dann wieder verharrt sie in einer Pose. In der Regel begrenzen die bunten Linien auf dem Hallenboden das Handballfeld. Oder sie machen den Volleyballern klar, wo ihr Ball im Aus landet. An diesem Samstagvormittag aber nutzen im Unterhachinger Sportzentrum Mädchen in bunten, glitzernden Turnanzügen diese Markierungen für einen imaginären Balanceakt, als Vorbereitung für ihren entscheidenden Auftritt 120 Zentimeter über dem Hallenboden auf einem zehn Zentimeter schmalen Balken. Einige Minuten später wird Tabea Landau vom TSV Unterhaching Bayerische Meisterin auf dem Schwebebalken.

Der Anblick von turnerischem Können ist in der Sporthalle am Utzweg wirklich keine Seltenheit. Marcel Nguyen, Silbermedaillengewinner bei Olympia 2012, trainiert hier hin und wieder. Auch dessen Teamkollege aus der Nationalmannschaft, Fabian Hambüchen, war kürzlich hier, und natürlich auch Lukas Dauser, der noch auf ein Ticket nach Rio hofft, sowie Felix Remuta, der ebenfalls auf dem Sprung nach ganz oben ist. Doch sind die Turner meist in den Seitentrakten des Sportzentrums aktiv, die beim Bau der Halle vor zehn Jahren eigens als Kunstturnhalle mit fest stehenden Geräten eingerichtet wurden.

Nur wenn große Wettkämpfe stattfinden, rücken die Turner in den Fokus. Dass das Umbauarbeit erfordert, kann man sich gut vorstellen. Zumindest, wenn man weiß, aus wie vielen Einzelteilen die federnde Bodenfläche besteht, ein technisch kompliziertes, modernes Sportgerät, das mit der alten Turnmatte nur noch wenig gemein hat.

Bisher hatten in Unterhaching nur die Männer und Buben große Auftritte

Bislang hatten allerdings in Unterhaching fast ausschließlich die Männer und Buben große Meisterschaftsauftritte. Die turnten an diesem Wochenende in Unterföhring um die Landestitel, während in Unterhaching erstmals Schwebebalken und Stufenbarren statt Pauschenpferd und Reckstange gefragt waren.

Tabea Landau vom gastgebenden TSV Unterhaching holte am Balken Gold. (Foto: Claus Schunk)

Der Verein wollte mit der Ausrichtung der Bayerischen Meisterschaften der Schülerinnen signalisieren: Bei uns ist jetzt auch das Frauenturnen im Aufschwung. Zwar hat es Mädchenturnen hier immer gegeben und meist waren die Turnerinnen ihren männlichen Kollegen zahlenmäßig auch weit überlegen; vor der deutschen Spitze aber waren sie, anders als die Turner, immer weit entfernt.

Dann aber verpflichtete der Bayerische Turnverband den ehemaligen Bundestrainer Dieter Koch und Unterhaching stellte den Profi gleich mit an. Seither macht der Verein auch im Mädchenturnen von sich reden, der Umschwung ließ sich unschwer bei diesen Titelkämpfen in der eigenen Halle erkennen: Kochs Trainingsgruppe machte bei den Elfjährigen das Rennen um Medaillen unter sich aus.

Die Bundeskader-Turnerinnen sind eine Klasse für sich

Die drei Bundeskader-Turnerinnen Tabea Landau, Chiara Strecker und Julia Birck, die für Penzberg startete, waren eine Klasse für sich. Während Julia den Mehrkampf, Boden und Barren gewann, holte Chiara am Sprung und Tabea am Balken Gold nach Unterhaching. Auch sämtliche Silber- und Bronzemedaillen teilte das Trio unter sich auf und beendete die Siegerehrung mit so vielen Plaketten, wie sie andere in ihrem ganzen Sportlerleben nie um den Hals gehängt bekommen. Der Trainer war zufrieden.

Dass harte Arbeit dahinter steckt, ist vor allem denjenigen klar, die an diesem Tag leer ausgegangen sind. "Die trainieren ja auch doppelt so viel wie wir", merkte manche Athletin an, die aber auch schon viermal in der Woche an die Geräte geht, um überhaupt in dieser Wettkampfklasse der Kunstturnerinnen starten zu können. Doch reicht es nicht, alles im Training zu beherrschen, vielleicht sogar noch die Übung beim Einturnen wunderbar mit einem Abgang ohne Straucheln zu beenden.

Was zählt, sind alleine die Sekunden, in denen man an der Reihe ist. Eine zweite Chance gibt es nur am Sprung. Patzer sind beim Turnen immer drin, und dann kann schnell alle Hoffnung aufs Gewinnen vorbei sein. Das mussten selbst Chiara und Tabea am Stufenbarren hinnehmen. Insgesamt aber stimmten die Leistungen der drei Mädchen Trainer Koch sehr zuversichtlich für die in zwei Wochen anstehenden nationalen Titelkämpfe. "Damit sind sie alle drei in Deutschland unter den Top sechs", sagte er.

Viele Trainingseinheiten liegen trotz des jungen Alters bereits hinter diesen Mädchen und viele noch vor ihnen, wenn sie ihr Ziel, Olympia 2024, weiter verfolgen. Wer sich beim TSV Unterhaching für die Leistungsgruppe entscheidet, muss wissen, was von ihm erwartet wird. Nach der Talentsichtung im Alter von vier bis fünf Jahren wird mit zweimal Training in der Woche begonnen. Bald steigert sich der zeitliche Aufwand für den Sport. Mit zehn wird täglich trainiert. Das muss man mögen, auch die Eltern. Wem das irgendwann zu viel wird, der kann in eine der Gruppen der Geräteturner wechseln. Die Teilnehmerinnen des Bayern-Cups etwa, der ebenfalls an diesem Samstag in Unterhaching ausgetragen wurde, träumen gar nicht erst von Olympia.

© SZ vom 06.06.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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