SZ-Serie "In den Startlöchern":Keine Angst vor blauen Flecken

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Stefan Gottbrecht hat in England seine Leidenschaft für Rugby entdeckt. (Foto: Johannes Simon)

Bei einem Schüleraustausch in England hat Stefan Gottbrecht Rugby für sich entdeckt. Heute trainiert der 17 Jahre alte Auszubildende zweimal die Woche mit seinem Verein in Unterföhring - aus sportlichem Ehrgeiz und um sich abzureagieren.

Von Laura Zwerger, Unterföhring

Aggressiv, brutal, gnadenlos. Dem Rugbysport wird oft ein Stempel aufgedrückt, der dem des amerikanischen Footballs sehr ähnelt. "Von außen erscheint Rugby vielen als eine Art Proletensport", sagt Stefan Gottbrecht. "Dabei ist alles fair und geordnet." Der 17-Jährige ist eines der jungen Rugbytalente im Landkreis München. Zweimal pro Woche fährt er von seiner Ausbildungsstelle als Groß- und Außenhandelskaufmann bei der Münchner Firma Hartlmaier zum Trainingsplatz des Rugby Club Unterföhring. Zusätzlich spielt er einmal pro Monat beim Auswahltraining der U 18 mit, er möchte nämlich weiter aufsteigen, und gerade kämpft er um einen Stammplatz in der Herrenmannschaft.

Seine Leidenschaft für Rugby hat Gottbrecht während eines Austauschjahres in England vor vier Jahren entdeckt. "Dort wurde Rugby im größeren Stil und im ganzen Jahrgang gespielt", erzählt er. Rund 300 Schüler kämpften in Teams um den eiförmigen Ball, zum Ende des Schuljahres gab es dann eine Note.

Hier in Deutschland zählt Rugby noch zu den Randsportarten, doch das könnte sich bald ändern: Nach einer gut 90-jährigen Pause zieht Rugby gerade erstmals wieder bei den Olympischen Spielen 2016 die Aufmerksamkeit der ganzen Welt auf sich. Die deutschen Spieler sind in diesem Jahr allerdings nicht vertreten, bei den Frauen hat es für eine Qualifikation nicht gereicht und auch die Männermannschaft erreichte in der Konkurrenz um den letzten Startplatz in Rio nur den sechsten Platz.

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Treten in Rio aber die übrigen internationalen Rugbymannschaften gegeneinander an, dann wird eine abgeänderte Version des ursprünglichen, englischen Rugby Union gespielt, bei der anstatt mit 15 Spielern nur mit sieben Spielern auf dem Feld gekämpft wird. "Das Siebener-Rugby ist anstrengender und etwas für athletische Ausdauerläufer", erklärt Gottbrecht. "Bei 15er-Spielen gibt es immer wieder kurze Verschnaufpausen für den Einzelnen - das fällt in einem kleinerem Team weg."

Daher ist beim Siebener-Rugby eine Spielzeithälfte auch auf lediglich sieben Minuten begrenzt, gewöhnlich besteht ein Spiel aus je zwei mal 40 Minuten. Während dieser Zeit soll der Ball dann in das Tor des Gegners gehen, wobei es sich nicht um ein Tor mit Netz handelt, sondern der Ball zwischen zwei sogenannte Malstangen hinter die Mallinie, die Torauslinie, gebracht werden muss. Je nachdem, wie ins Tor getroffen wird, gibt es dann unterschiedlich viele Punkte.

Die wichtigste Regel, die Rugby auch von dem ähnlich gespielten American Football unterscheidet, ist jedoch, dass die Spieler den Ball nur zur Seite und nach hinten werfen dürfen. Lediglich mit dem Fuß ist es erlaubt, nach vorne zu kicken, ebenso wie mit dem Ball unter dem Arm nach vorne zu laufen.

Besonders einprägsam ist aber nicht das Regelwerk bei diesem Sport, sondern der Umgang unter den Spielern. Den Gegner im Ballbesitz umzustoßen, das sogenannte Tackling, ist nämlich erlaubt, um den Ball abzunehmen. "Es gab schon Szenen im World Rugby, wo ein Spieler dabei ausgeknockt wurde", erinnert sich Gottbrecht. Besonders gefährlich ist dies, da beim Rugby, anders als beim American Football, keine Schutzkleidung getragen wird - lediglich ein Mundschutz ist vorgesehen.

Zwar gehen die Spieler auf dem Feld sehr offensiv miteinander um, dass es sich hierbei aber um Aggression oder mangelnde Rücksicht handelt, ist jedoch ein Trugschluss: "Damals bei dem Knock-out hat der Gegenspieler sofort erste Hilfe geleistet - Rugby ist immer ein fairer Sport", stellt Gottbrecht klar. Blaue Flecken und Prellungen seien zwar kein seltenes Resultat nach einem Training, der Umgang miteinander sei jedoch sonst stets respektvoll. "Beim Rugby wird beispielsweise lange nicht so viel reglementiert wie beim Fußball - hier ist der Schiedsrichter noch Gott." Man sehe seinen Fehler ein, entschuldige sich und spiele weiter.

Andererseits bietet Rugby nach Aussage von Stefan Gottbrecht auch ein gutes Ventil, um sich abzureagieren, wenn man einen schlechten Tag hatte - ohne jedoch dabei in ein aggressives Verhaltensmuster abzurutschen. Man lerne vielmehr, im Team zu agieren, und über die Zeit wachse man zusammen.

Rugby

Der Legende nach soll die Sportart Rugby in der gleichnamigen Stadt in der englischen Grafschaft Warwickshire entstanden sein. Im Jahr 1823 soll dort der Spieler William Webb Ellis den Ball kurzerhand bei einem dem Fußball ähnelnden Ballspiel unter den Arm geklemmt haben, um diesen ins Tor zu befördern und damit eine Niederlage seiner Mannschaft zu verhindern. In England sowie auch in Deutschland blühte Rugby, oft in Überlieferungen im Zusammenhang mit Fußball erwähnt, in den folgenden Jahrzehnten auf. Populär ist Rugby heute vor allem auf den britischen Inseln und in Teilen des britischen Commonwealth, etwa in Australien, Neuseeland. In Europa wird in Frankreich und Italien viel Rugby gespielt, beliebt ist der Sport auch in Argentinien und Südafrika. An den Weltmeisterschaften nehmen darüber hinaus auch regelmäßig Japan, die USA, Kanada, Spanien, Rumänien und Georgien teil. In Deutschland ist Rugby dagegen eine Randsportart, die sich im Schatten des Nationalsports Fußball auch noch gegen das verbreitetere American Football behaupten muss. laz

© SZ vom 16.08.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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