SZ-Adventskalender:Alles genommen

Lesezeit: 2 min

Robert F. hat ein Leben lang hart gearbeitet. Jetzt, mit 69 Jahren, bleibt ihm trotzdem nur eine Mini-Rente

Von Gudrun Passarge, Kirchheim

Die kanadische Flagge hängt nicht zufällig an der Wand. 25 Jahre hat Robert F. (Name von der Redaktion geändert) in Nordamerika verbracht. "Vielleicht hätte ich dort bleibensollen", sagt der 69-Jährige und es ist das einzige Mal, dass Wehmut mitschwingt beim Erzählen. Robert F. lebt seit 2003 wieder in Deutschland, aktuell in einer Ein-Zimmer-Wohnung. Es ist nicht viel übrig geblieben an Erinnerungsstücken, außer der Flagge kündet lediglich ein geschnitzter Holzstuhl mit Tiermotiven davon, dass er etwas von der Welt gesehen hat. F. ist schwer herzkrank und hat wenig Geld. Aber er würde sich nie beklagen. "Anderen geht es doch schlechter als mir."

Allein in einer kleinen Ein-Zimmer-Wohnung: Robert F. aus Kirchheim. (Foto: Angelika Bardehle)

Arbeit spielte stets eine zentrale Rolle in seinem Leben. Schon der Vater habe ihn als "Arbeitstier" benutzt, erzählt er, damals in der Wäscherei bei Würzburg. Nach dem Schulabgang ging es so weiter. "Von früh bis spät habe ich für Lehrlingslohn geschuftet." Zum Bruch mit seiner Familie kam es, als er zum Bund musste. Er wollte nicht, der Vater versprach, sich für ihn zu verwenden, unternahm dann aber nichts, sagt F. "Das habe ich als Verrat meines Vaters gewertet." Der junge Mann verließ das Elternhaus und zog zuerst nach Aschaffenburg, dann nach München. Da lernte er auch seine spätere Frau kennen, eine Kanadierin. "Ich habe sie geheiratet, damit sie in Deutschland bleiben kann." Als Zweckehe bezeichnet er die Beziehung, die trotzdem lange hielt. Denn zusammen mit ihr ging er später nach Kanada. Was folgte, waren arbeitsreiche Jahre. F. arbeitete sich hoch, schaffte sich schließlich einen eigenen Truck an und fuhr als Subunternehmer für die Post Pakete und Briefe aus. Oft rund um die Uhr, geschlafen hat er zwischen zwei Lieferungen auf der Ladefläche seines Trucks oder mit dem Kopf auf dem Lenkrad, wie er erzählt. Das Geld, das er damals verdiente, verwaltete seine Frau. Auch um Renteneinzahlungen wollte sie sich kümmern. "Ich habe mich auf sie verlassen. Sie war die Einheimische und kannte sich aus." Aber nachgeschaut oder auch nur mal sein Konto kontrolliert, das habe er nie getan. Wenn sie mehr Geld brauchten, habe er eben noch einen Nebenjob angenommen. "Ich habe sie gut versorgt", erzählt er über seine Frau.

Zwar kamen die beiden noch als Paar in Deutschland an, F. nahm hier eine Putzarbeit an. Aber nach einem Jahr sei die Frau gegangen. "Sie hat alles mitgenommen. Ich habe noch nicht mal eine Geburtsurkunde mehr." Selbst die Möbel waren weg. Wo sie sich jetzt aufhält, weiß F. nicht. "Vielleicht irgendwo in Amerika, sie hatte da Verwandte." Aber er wolle es gar nicht wissen, er hat einen Schlussstrich gezogen. Geblieben ist ihm eine Mini-Rente aus der Zeit, die er in Deutschland gearbeitet hat. Und er bekommt dank der Mahlzeit-Patenschaften jeden Tag ein warmes Essen. "Ich bin kein Koch", bemerkt er trocken, "für mich ist das hilfreich."

Jammern ist nicht das Seine. "Ich komme gut alleine klar", sagt er. Nach zwei Schlaganfällen gerät er leicht aus der Puste. F. berichtet von dem Netz, in dem er aufgefangen wird: Die Gemeindemitarbeiterinnen, die sich kümmern, die ihm auch die Patenschaft vermittelt haben, und die dafür gesorgt haben, dass seine Nachbarin täglich vorbeikommt, um nach dem Rechten zu schauen. Sie bringt manchmal auch etwas vom Einkaufen mit. Er brauche ja nicht viel, sagt F. Er hat nur noch ein Laster: das Rauchen. Das könne er sich einfach nicht abgewöhnen. "Das ist die Einsamkeit", erklärt er. Einen besonderen Wunsch hat er nicht, außer, dass Menschen wie er, denen kaum etwas zum Leben bleibt, von solchen Mahlzeit-Patenschaften profitieren.

© SZ vom 20.12.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: