Oberschleißheim/München:Freiraum im Kopf

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Wenn einem die Welt manchmal traurig oder feindlich erscheint, helfen eventuell ein Pinsel, schöne Motive und zarte Farben. (Foto: oh)

Bewohner des vom Katholischen Männerfürsorgeverein geleiteten Hauses St. Benno stellen ihre Werke im Landratsamt aus

Von Laura Zwerger, Oberschleißheim/München

Bunte Vasen, knallige Bilder und pastellfarbene Aquarelle. Im Foyer des Landratsamtes München am Mariahilfplatz können derzeit vielseitige Kunstwerke betrachtet werden, die Bewohner des Hauses St. Benno, einer Einrichtung des Katholischen Männerfürsorgevereins in Oberschleißheim, in den vergangenen Monaten gestaltet haben. Über vier Stockwerke präsentieren sie ihre Arbeiten, die im Zuge einer Kunsttherapie in der Einrichtung für ältere, wohnungslose und teils psychisch- oder suchterkrankte Menschen entstanden sind.

"Kunst ist ein Ort, an dem alles möglich ist - Kunst ist ein Ort der Freiheit", erklärt Kunsttherapeutin Inge Jakobsen. In diesem Kosmos könne sich jeder so ausdrücken, wie er es möchte, und auch Negatives sei dabei erlaubt. Dass die Ausstellung "Freiraum" benannt ist, ist demnach wohl bedacht: "Freiraum ist auch im Kopf, außerhalb aller Beschwerden und trotz aller Erwartungen", erklärt sie.

Seit fünf Jahren arbeitet Jakobsen in der Einrichtung, Teilnehmer des Kunstprojekts können von ihr entweder in kleinen Gruppen betreut werden oder privat auf ihren Zimmern malen. Materialien für die Werke bekommen sie dafür aus der hauseigenen Werkstatt. Geht es in dieser Art der Therapie darum, Menschen eine Hilfestellung und eine Möglichkeit zum Ausdruck zu bieten, so soll es in der Ausstellung "Freiraum" aber nicht um Krankheitsbilder gehen, sondern rein um die Kunst. Und unter diesem Aspekt seien auch bereits Werke der Männer verkauft worden, "manche arbeiten im Vorhinein fast durch und sind dann sehr stolz, wenn sie etwas hier zeigen dürfen", so Jakobsen.

Bei der Eröffnung der Ausstellung sind auch einige der Künstler zugegen und stellen ihre Werke vor. So tummeln sich auf einer Serie von Bildern allerlei Tierfiguren, die mit Wasserfarben auf ein Holzbrett gemalt wurden. Farbenfroh und kreativ verschachtelt kann man Giraffen, Affen oder wilde Botanik darauf entdecken. "Als kleiner Bub liebte ich die Fernsehsendung 'Ein Platz für Tiere'mit Professor Grzimek, da wollte ich immer Tierforscher werden", erklärt der Künstler Peter Suckau hierzu.

Heute, so sagt der 62-Jährige, male er viel lieber, als Sendungen im Fernsehen zu schauen - die Tiermotive sind ihm aber geblieben. "Nur wären meine Tiere wohl nicht überlebensfähig: Sie sind überproportional, haben hinten oder vorne Übergewicht und sind viel zu bunt", sagt er lachend. Dass auch der Betrachter etwas zum Schmunzeln hat, das ist ihm dabei wichtig. "Es soll nämlich keine tiefere Bedeutung haben, sondern die Bilder sollen Spaß machen und man soll immer wieder eine neue Kleinigkeit entdecken können."

Fantasievoll widmet sich auch Franz Geiler seit einiger Zeit im Hause St. Benno der schöpferischen Gestaltung. So wie viele der Bewohner hatte auch der 62-Jährige zuvor keinerlei Kunsterfahrung, durch Zufall ist er dann auf die Keramik gestoßen. "Mir war langweilig und ich wollte etwas machen", erzählt er. "Und Keramikkunst ist sehr interessant und bietet viele Möglichkeiten, etwas zu gestalten." Von Vasen über Krügen bis hin zu einer großen Bank am Eingang des Hauses St. Benno, das die Bibelgeschichte von Jonas und dem Wal zeigt, hat er seitdem einiges im Alleingang oder in Gemeinschaftsarbeit gestaltet. Jeden Tag sitze er dafür stundenlang an seinen Werken, "es ist zu meiner Leidenschaft geworden", sagt er.

Viele der Arbeiten, die im Landratsamt ausgestellt werden, lassen nicht vermuten, dass sie ohne große künstlerische Vorbildung entstanden sind. Einige Talente unter den Bewohnern des Hauses halten mittlerweile sogar selbst Fortbildungen in anderen Werkstätten, so Jakobsen. Sie konnte bislang eine positive Bilanz aus dem Projekt ziehen und auch von den Bewohnern von St. Benno hat Jakobsen viele bewegende Äußerungen über die entdeckte Liebe zur Kunst gehört. So sei ihr eine der Aussagen besonders im Kopf geblieben: "Die Welt ist traurig genug - darum male ich die Bilder bunt."

Die Ausstellung ist wochentags noch bis zum Freitag, 26. August, geöffnet. Die Öffnungszeiten sind jeweils von 8 bis 12 Uhr und donnerstags zusätzlich von 14 bis 17.30 Uhr. Die Ausstellung befindet sich im Foyer und weiteren Stockwerken des Gebäudeteils A des Landratsamtes München, Mariahilfplatz 17 in München. Der Eintritt ist frei.

© SZ vom 18.07.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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