Oberschleißheim:Lachen wir doch drüber

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Daniela I. und Nikolas I. bilden in diesem Jahr das Prinzenpaar der Oberschleißheimer Narrhalla. (Foto: Alessandra Schellnegger)

Die Faschingsgesellschaften im Landkreis haben immer mehr Probleme, Prinzenpaare zu finden. Doch deshalb ist die närrische Zeit noch lange nicht totgesagt.

Von Claudia Wessel

Es könnte so eine spannende und geheimnisvolle Zeremonie sein. Während die Faschingssaison läuft, die Narren an den Tischen sitzen und essen und trinken, verschwinden hier und da Speisekarten und Servietten. Die Diebe verziehen sich, meist zu zweit, in einen ruhigen Winkel und schreiben etwas ungelenk, da mitten auf einer Party und zwischen Tür und Angel, ihre Namen darauf. Das wertvolle Papier wird dann gefaltet und in einem unbeobachteten Moment dem Präsidenten zugesteckt. Und dann beginnt ein Bangen und Zittern, bis die Entscheidung gefallen ist.

Es ist leider nicht ganz so aufregend, wenn sich zwei Personen in der Faschingsgesellschaft Narrhalla Oberschleißheim nach der guten alten Tradition mit Speisekarte oder Serviette um die Regentschaft als Faschingsprinzenpaar bewerben. Denn Präsident Albino Mazza ist froh, wenn er überhaupt eine Serviette zugesteckt bekommt. Eine große Auswahl hat er in seiner bisherigen Amtszeit von fünf Jahren als erster Präsident noch nicht erlebt. Nicht einmal eine kleine Auswahl. Denn es gab immer nur eine einzige Speisekarte oder Serviette, die abgegeben wurde. Und 2012 gab es gar keine.

Er sieht nicht aus wie der typische Faschingsprinz

So schön und kreativ die Bewerbungszeremonie in Oberschleißheim ist, so unattraktiv ist offenbar das, was es zu gewinnen gibt. Oder doch nicht? Für die Saison 2016/17 jedenfalls ist alles gerettet und die Stimmung gut bei der Proklamation der Prinzenpaare an einem Freitag im November im Bürgerhaus Oberschleißheim. Die Prinzessin zu finden war hier ebenso einfach wie überall. Das Problem beginnt immer beim Prinzen. Daniela Schürmann also wird Prinzessin. Und dass ihr Freund Nikolas Knerr, mit dem sie seit zwei Jahren zusammen ist, an ihrer Seite stehen wird, entschied sich am Valentinstag. Da schickte Daniela ihrem Liebsten ganz mutig eine Whatsapp-Nachricht mit der Frage, ob er ihr Faschingsprinz werden wolle. Was er antwortete, hätte sie nicht zu träumen gewagt: "Ja, wieso nicht?"

Heute Abend ist er also da, in Tracht, wie in diesem Jahr alle bei der Proklamation, und er sieht nicht aus wie der typische Faschingsprinz. Schon seine Frisur lässt ihn eher wie einen Profi-Fußballer wirken: raspelkurz rundum, aber ein neckischer Zopf von der Stirn bis in den Nacken. "Wann steht man schon mal so richtig im Mittelpunkt?", sagt er grinsend. "Meine Jungs halten mich zwar für vollkommen verrückt, stehen aber hinter mir", verrät er. Und beim Galaball werden sogar 15 seiner Freunde dabei sein. Möglicherweise nehmen sie das Ganze nicht ganz ernst, aber: "Hauptsache, wir sehen dich tanzen", haben sie ihrem Kumpel versichert. Denn das ist etwas, das sie von ihm bisher nun so gar nicht kannten. 15 Tanzstunden haben sie schon gehabt, geschafft werden muss nur der Prinzenwalzer, mehr kriege er nicht hin, gibt Nikolas zu. Daniela dagegen macht auch im Showteil mit, sie ist ja schon seit zehn Jahren Gardemädel.

Bei der Würmesia fährt das Kinderpaar vor. (Foto: Catherina Hess)

Das Ornat muss das Paar selbst zahlen

Bei der Gleisenia Unterhaching bewirbt man sich ganz schlicht und mündlich beim Präsidenten, das ist seit drei Jahren Andreas Simbeck, 53, Polizist. Doch er hat in der vergangenen Faschingssaison vergeblich auf ein begehrliches Flüstern in seine Ohren gewartet: Kein Mensch aus seiner eigenen Faschingsgesellschaft wollte Faschingsprinz werden. "Eine Prinzessin hätten wir gehabt", sagt er. Aber wie so oft fehlte der Prinz. Man machte sich auf eine intensive Suche, sagt Simbeck, an der auch er selbst stark beteiligt war. Man sprach bei Vereinen, Burschenschaften und anderen Männergruppierungen vor, doch was man kriegte, waren ausschließlich Absagen. "Keine Zeit, keine Lust, was ist denn das für'n Schmarrn", so fasst der Präsident kurz die Reaktionen zusammen, die er meistens zu hören bekam. Dabei sei doch der Fasching so ein wunderbares Gemeinschaftserlebnis, die Auftritte der Showgruppe sehenswert und ein Erlebnis für die Teilnehmer.

Das finanzielle Problem, so weit sei man bei den Rundfragen gar nicht gekommen. Das Ornat müsse das Paar eben selbst zahlen, wobei ein Prinz mit 500 Euro auskommen könne, eine Prinzessin mit 1000. "Aber nach oben gibt es natürlich keine Grenzen." Weitere Kosten kommen nicht dazu, versichert Simbeck. Die Orden zahlt der Verein, ein Auto wird gestellt - er selbst macht den Prinzenpaarfahrdienst - ebenso wie die Autogrammkarten.

Gemütlich ist eine Saison für ein Prinzenpaar nicht

Jedoch, für die derzeitige Saison braucht er ja nicht mehr werben. Man hat ein Paar gefunden. Wenn auch nicht in Unterhaching, sondern in Ismaning. Und nun ja, eigentlich ist es noch ein sehr jugendliches Prinzenpaar. Denn Prinz Jonathan I. ist erst 17 Jahre alt, Prinzessin Lena I. 18. Aber sie sind ein Glücksfall und trainieren auch schon eifrig für den obligatorischen Prinzenwalzer und den Auftritt mit der Showgruppe. Hätte man übrigens kein Prinzenpaar mehr gefunden, sagt Simbeck und wirkt dabei ganz entspannt, "dann wären wir eben nur mit der Showgruppe aufgetreten". Ein Grund, den Fasching abzusagen, wäre das jedenfalls nicht gewesen. "Wir haben ja wenigstens noch eine Showgruppe", sagt er und lehnt sich entspannt zurück in der Eisdiele in Unterhaching. "Die Würmesia hat kein Prinzenpaar und keine Showgruppe."

Wie bitte? Das sieht die Präsidentin der Würmesia, Tanja Wissel, aber ganz anders. "Natürlich haben wir ein Prinzenpaar", betont sie. "Und auch eine Showgruppe." Okay, die Prinzessin ist sieben Jahre alt und der Prinz acht. Die Anwärter für ein Erwachsenenpaar, "Middle Ager", haben genau am Abend vor dem 11.11. abgesagt. "Sie hatten sich das alles etwas anders vorgestellt", sagt Wissel. "Sie dachten, sie tanzen gemütlich auf Bällen und werden überall eingeladen." Doch so gemütlich ist eine Saison für ein Prinzenpaar eher nicht, da heißt es von einem Auftritt zum nächsten hetzen, wenig schlafen oder Urlaub nehmen. Auch die Mitglieder der Würmesia-Showtruppe sind eher jung: zwischen sieben und 18 Jahren. Eine Erwachsenen-Garde, in der auch Wissel einst mittanzte, gibt es derzeit nicht mehr, auch das einst heiß begehrte Männerballett hat sich aufgelöst. Aber wo ist das Problem?

"Der Humor darf nicht zu kurz kommen."

"Man muss das doch alles nicht immer so ernst sehen", findet die Präsidentin. "Lachen wir doch einfach mal kräftig drüber." Man werde sich bei der Inthronisation auch darüber lustig machen, das sei schon geplant. Und so solle doch der Fasching auch generell sein: Die Leute wollen lachen. "Der Humor darf nicht zu kurz kommen." Und letztendlich, das findet auch sie, könnte man den Fasching auch ohne Prinzenpaar zelebrieren, wenn es sein müsste. Ob diese Funktionen langfristig noch gefragt sind, das müssten dann die jungen Leute festlegen, findet sie. "Zum Glück haben wir vor sieben Jahren mit der Jugendarbeit angefangen", sagt Wissel noch, die selbst die Kinder und Jugendlichen betreut. Sonst könnte es inzwischen tatsächlich mau aussehen.

Eine heile Faschingswelt gibt es dagegen noch immer beim Kirchheimer Narrenrat, sagt Sprecherin Bruni Hochmuth. "Wir hatten nie sonderlich ein Problem, ein Erwachsenen-Prinzenpaar zu finden." Auf Bewerbungen wartet man beim Narrenrat nicht, vielmehr spricht Bruni Hochmuth selbst geeignete Kandidaten an. Eine Prinzessin zu finden ist immer leicht, auch hier. "Die jeweiligen Partner überzeugen wir dann meist zu zweit", erklärt sie den Trick. Auch der kostenlose Tanzkurs sei für manche Prinzen ein Argument.

© SZ vom 31.12.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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