Landtagswahl:Die Kehrseite des Wachstums

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Die Landtagskandidaten Annette Ganssmüller-Maluche von der SPD (ganz inks) und Ernst Weidenbusch von der CSU (rechts) diskutierten. Das Bild zeigt beide auf einer IHK-Veranstaltung in Garching. (Foto: Florian Peljak)

Die Kandidaten im Norden haben kein Patentrezept gegen Wohnungsnot und Verkehrsprobleme. Aber unterschiedliche Ansätze werden bei einer Diskussion in Garching deutlich

Von Gudrun Passarge, Garching

Die Verkehrsprobleme und die Wohnungsnot im Großraum München waren die zentralen Themen bei der Diskussion des Regionalausschusses der Industrie- und Handelskammer (IHK) mit den Direktkandidaten zur Landtagswahl im Norden des Landkreises. Dabei kamen auch die Unterschiede deutlich zum Vorschein. So plädierte etwa Annette Ganssmüller-Maluche (SPD) für mehr Staat, um bezahlbare Wohnungen zu bauen. Anders dagegen argumentierte Ernst Weidenbusch (CSU), der als einziger in der Runde schon im Landtag sitzt. "Wir werden eine Pause brauchen beim Einwohnerzuwachs." Er sprach sich dafür aus, das Wachstum mehr in die weitere Umgebung Münchens zu verlegen.

Christoph Leicher, Vorsitzender des IHK-Regionalausschusses, leitete die Diskussion, die nur wenig von parteipolitischen Angriffen gestört wurde. Fünf Kandidaten stellten sich den Fragen der IHK-Mitglieder, der Freie-Wähler-Landtagsabgeordnete Nikolaus Kraus war nicht erschienen. Dabei erfuhren die Zuhörer durchaus auch Persönliches. Etwa, dass einer der Söhne von Claudia Köhler, Fraktionssprecherin der Grünen im Unterhachinger Gemeinderat, nach seinem Abitur unbedingt Koch werden wollte. Die stellvertretende Landrätin Annette Ganssmüller-Maluche aus Ismaning berichtete von einem Sohn, der nach der Ausbildung bei der Bank noch ein Psychologie-Studium begonnen habe, was sie nicht erfreut habe. Rainer Gross von der AfD erzählte, dass seine beiden Söhne ein besseres Golfhandicap hätten als er, und Thomas Jännert, FDP-Kandidat aus Kirchheim, berichtete, er sei in die Politik gekommen, weil ihn Dinge in der Gemeinde geärgert hätten. Ernst Weidenbusch schließlich überraschte Ganssmüller-Maluche mit der Aussage, die SPD schaffe es immer, persönliche Freunde zu Konkurrenten aufzubauen. Zuerst mit seinem Haarer Wohnortnachbarn Peter-Paul Gantzer, jetzt mit ihr, mit der er seit 1990 befreundet sei.

Die Themen der Runde waren erwartbar, Patentrezepte hatte niemand mitgebracht. Weidenbusch warnte vor "angeblichen Einfachlösungen" beim Verkehr. "Man darf nicht immer glauben, dass alle anderen Idioten sind", sagte er etwa in Bezug auf Jännerts Vorschlag, die Regionalbahn in Unterschleißheim halten zu lassen. Das bringe den gesamten Zugtakt auf der Strecke durcheinander und hätte Wartezeiten für alle anderen zur Folge. Auch einen Fünfjahresplan, wie AfD-Kandidat Gross vorgeschlagen hatte, um bei klar aufgeteilten Zuständigkeiten schnell ans Ziel zu kommen, zerpflückte er in der Luft. In fünf Jahren sei man wahrscheinlich erst in der zweiten Instanz beim Planfeststellungsverfahren. Befragt zum Autobahn-Südring, den Jännert ins Spiel gebracht hatte, bezweifelte er die Kosten-Nutzen-Relation. Seiner Ansicht nach wäre es "das Günstigste gewesen", den Mittleren Ring vom Luise-Kiesselbach-Platz bis nach dem McGraw-Graben zu untertunneln, damit jemand von Garmisch aus, der nach Salzburg will, unten durchfahren könne.

Verbesserter öffentlicher Nahverkehr und alternative Mobilitätsformen wie Carsharing und Radschnellwege wurden ebenfalls diskutiert. Ganssmüller-Maluche bemängelte allerdings, dass viele Projekte nicht schnell genug umgesetzt würden. Sie erinnerte beispielsweise an die Verlängerung der U-Bahn nach Martinsried und den Nordring der S-Bahn. Alles machbar, teils schon beschlossen "und nichts passiert". Da liege das eigentliche Problem. "Ich weiß keine Lösungen", sagt sie. "Wenn wir das nicht in den Griff kriegen, dann können sie nur noch mit Heimarbeitsplätzen arbeiten." Wobei sich alle einig waren, dass ein schneller Breitbandausbau nötig ist.

Beim Thema Wohnungen forderte Claudia Köhler, "mehr in die Höhe als in die Breite zu gehen" und auch eingeschossige Ladenflächen mit Wohnungen zu versehen. Auch Werkssiedlungen, eventuell staatlich gefördert, nannte sie als Möglichkeit und sprach damit direkt die Unternehmer an. Rainer Gross sprach sich für mehr Marktwirtschaft als Planwirtschaft im Wohnungsbau aus, auch über die Abschaffung der Grunderwerbssteuer könne man nachdenken. Zuvor hatte Weidenbusch gegen ausländische Investoren gewettert, die sich hier einkauften und steuerlich bevorzugt würden: "Dagegen sollte man zügigst etwas unternehmen." Außerdem könne man Studentenwohnungen etwa in Garching schaffen. Er sprach von 20 000 Wohnplätzen, "das ist machbar". Ganssmüller-Maluche empfahl, die soziale Bodennutzung (Sobon) mehr anzuwenden. Sie sei ein Mittel für Gemeinden, um an Grundstücke zu kommen und dort günstige Wohnungen anzubieten.

Für Ernst Weidenbusch zäumte die Diskussion das Pferd jedoch von hinten auf. Erst werde über die verstopften Straßen und völlig überlasteten ÖPNV geredet, und dann mache man sich Gedanken, wie im Raum München noch einmal 400 000 Menschen mehr untergebracht werden könnten. "Es geht nicht, es ist eine Illusion", sagte er. Christoph Leicher als Moderator sah ein anderes Ziel: "Es wäre toll, wenn es möglich wäre, gemeinsam Visionen zu entwickeln." Und sie gemeinsam anzugehen.

© SZ vom 14.06.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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