Konzert:Lässige Phrasierungseleganz

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Die "Echoes of Swing" (Bernd Lhotzky, Colin T. Dawson, Chris Hopkins, Oliver Mewes, von links) spielen schon seit bald zwei Jahrzehnten zusammen und gehören zur Hautevolée der internationalen klassischen Jazz-Szene. (Foto: Claus Schunk)

Die "Echoes of Swing" zeigen bei ihrem Konzert im Grünwalder Bürgerhaus, wie frisch und einfallsreich traditioneller Jazz klingen kann

Von Udo Watter, Grünwald

Ob die Echoes of Swing im Laufe ihrer Karriere viele Hotelzimmer zertrümmert haben, ist nicht überliefert. Aber sie müssen schon wilde Hunde gewesne sein, früher. Pianist Bernd Lhotzky jedenfalls erzählte beim Konzert im Grünwalder Bürgerhaus Römerschanz, dass sie bei der Ankunft in einem Tourneeort immer erst mal ein Wirtshaus aufgesucht hätten und dort bis zum Konzertbeginn geblieben seien. "Inzwischen sind wir seriös geworden und besuchen vorher immer Museen", erklärte Lhotzky augenzwinkernd. In Eisenach, der Geburtsstadt Johann Sebastian Bachs, hätten die vier Jazz-Virtuosen etwa dem Komponisten ihre Aufwartung machen wollen, doch just, als sie vor seinem Denkmal am Bachhaus standen, habe eine Taube von oben auf Lhotzkys Gewand gekleckert. Dieser Vorfall inspirierte den 46-Jährigen, der seit vielen Jahren auch das Classic Jazz Festival in Oberhaching organisiert, zu einem Arrangement einer Bach-Gavotte aus der 6. Englischen Suite. Insofern muss man sagen: Taubenscheiße kann auch Positives bewirken.

Nun gelten ja Bach'sche Elemente wie Polyrhythmik oder Chromatik, seine harmonische und melodische Sprache als prägend für den Jazz; der alte Thomaskantor hätte vielleicht dennoch gestaunt, wie eine versiert swingende Version seines Stücks rhythmisch noch übergriffiger packt oder etwa der lässige Einsatz des Jazzbesens von Drummer Oliver Mewes einen Schlagzeug-Soundteppich erzeugt. Später erklingt noch Lhotzkys auf Chopins Schmetterlings-Etüde basierendes "Butterfly-chase", das so zwanglos versiert wie humorvoll sprühend daherkommt. Die Echoes of Swing, neben Lhotzky und Mewes noch Colin T. Dawson (Trompete) und Chris Hopkins, schöpfen bei ihren Arrangements freilich nicht nur aus der Klassik, sondern vor allem aus dem klassischen Jazz, hinzu kommen Eigenkompositionen. Das unter anderem mit dem Grand Prix du Disque de Jazz und dem Preis der deutschen Schallplattenkritik prämierte Quartett hat dabei die Gabe, mit fast beiläufig anmutender Virtuosität und Phrasierungseleganz einen Sound zu schaffen, der dem traditionellen Jazz Tribut zollt, dabei aber eine Frische und Agilität entfaltet, die vor jedem bösen Nostalgie-Verdacht schützt.

Zudem sind auch Dawson, dessen Familie überraschend aus Nordengland zum Konzert gekommen war, und Hopkins ähnlich wie Lhotzky redegewandte Entertainer. Den berühmten "Entertainer" von Scott Joplin spielten sie analog dazu zwar nicht, aber dafür dessen "Ragtime Dance" - melodisch eher minimalistisch, mit synkopierten Elementen. Auch Werke anderer Größen wie Irving Berlin, Bix Beiderbecke oder Cole Porter erklangen in Grünwald, wo unter den Besuchern mit Schlagzeuger Pete York auch ein bekannter Kollege saß, der bei der jüngsten CD-Aufnahme der Echoes ("Bix - A Tribute to Bix Beiderbecke") mitgewirkt hat. Neben spannungsvollen und temporeich forcierten Momenten gab es an diesem Abend auch Expeditionen in ruhigere, verträumte Klangwelten. Der vom Überraschungsbesuch seiner Familie ganz hingerissene Dawson sang Cole Porters "Dreamdancing with you" und Lhotzky spielte solo eine wunderschöne Version von "Over the rainbow". Von da oben wird sicher nie Vogelkot herabfallen.

© SZ vom 20.10.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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