Azubi-Firma:Chef im ersten Ausbildungsjahr

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Sedric und Marvin (von links) tüfteln am Computer an Lösungen, die sie den Kunden vom Jugendzentrum anbieten. (Foto: Stephan Rumpf)

Beim Kirchheimer IT-Unternehmen Genua arbeiten die Lehrlinge von Anfang an in einer eigenen Tochterfirma, die ihre Dienste unentgeltlich sozialen Einrichtungen anbietet. Auch das örtliche Jugendzentrum profitiert von diesem Projekt.

Von Johanna Mayerhofer, Kirchheim

Das Klicken von Computertasten und ein sonores Brummen klingen leise durch den Raum. In einem abgedunkelten Raum sitzen Sedric, Jens und Moritz an Bürotischen, die Augen auf drei flackernde Bildschirme gerichtet. Daniel steht neben Moritz, sein Blick ruht ebenfalls auf dem Bildschirm. Worte wie Netzpläne, Router, Username und Firewall schwirren nach Phasen der Stille durch das Büro. Daniel und seine Kollegen fachsimpeln und besprechen an diesem Nachmittag ihr weiteres Vorgehen.

Das Kirchheimer Jugendzentrum wird dank der vier angehenden Fachinformatiker für Systemintegration eine neue Technik-Infrastruktur bekommen. Wöchentlich treffen sich die Auszubildenden im Kirchheimer IT-Unternehmen Genua für einen halben Tag und widmen sich ihrem aktuellen Projekt - während ihrer Arbeitszeit.

Nutznießer sind unter anderem Kindergärten, Schulen und Altenheime

In der Azubi-Firma Genufix leisten sie gemeinnützige Computerhilfe für soziale Einrichtungen. Zu ihren Kunden gehören Vereine, Kindergärten, Schulen und Altenheime in der Gemeinde Kirchheim. Auch das ortsansässige Jugendzentrum nimmt die IT-Hilfe der Azubis gerne in Anspruch. "Mit unseren Ehrenamtlichen könnten wir das nicht stemmen", sagt Benjamin Ballon vom Jugendzentrum.

Ein kleines Unternehmen im Unternehmen: Azubi-Firmen wie Genufix gewähren Berufsanfängern Einblick in die Gesamtheit einer Firmenstruktur. In Kirchheim können seit 2008 Auszubildende unter der Schirmherrschaft von Genua-Gründerin Michaela Harlander eigenständig eine IT-Firma, wenn auch in kleinem Rahmen, leiten. Derzeit sind insgesamt 17 Lehrlinge damit beschäftigt, schnelle Lösungen für Computerprobleme anzubieten.

Arbeiten die Azubis im gewohnten Arbeitsalltag in unterschiedlichen Abteilungen des Unternehmens, finden sie bei Genufix zusammen. "Man versteht Zusammenhänge viel besser", sagt die 22 Jahre alte Julia, Auszubildende in der Marketingkommunikation. Als Hauptbeauftragte im Marketing kümmert sie sich bei Genufix unter anderem um die Neukundengewinnung: "Wir schreiben die sozialen Einrichtungen in der Umgebung an und stellen uns vor." Dabei muss Julia bei der Kundenakquise mit Mailings und Flyern darauf achten, dass die Auftraggeber zu Fuß oder mit öffentlichen Verkehrsmitteln für die Azubis der Technikhilfe erreichbar sind.

"Wenn man rausfährt, ist man auf sich allein gestellt"

Kleinere Probleme könne man am Telefon besprechen, sagt Daniel, "meistens sind wir aber vor Ort". Der Kundenbesuch fordert vor allem Durchhaltevermögen: "Wenn man rausfährt, ist man auf sich allein gestellt, man weiß nie, was auf einen zukommt", sagt der Azubi. Die Nachwuchsunternehmer haben dabei nicht nur mit technischen Herausforderungen zu kämpfen.

"Wir arbeiten oft auch mit älteren Kunden, die sich mit Technik schwerer tun", erzählt Daniel. Der 19-Jährige aus Erding möchte seinen Kunden auch etwas beibringen und ihnen simple Computervorgänge näherbringen. Der Kundenkontakt ist keine Alltäglichkeit für Fachinformatiker, weiß Dietmar Bruhns, Marketingleiter von Genua. "Sie müssen sich direkt auf die Kundenbedürfnisse einstellen."

Sedric aus dem Technik-Team war "von Anfang an Feuer und Flamme" von der Möglichkeit, neben der normalen Ausbildung praktische Erfahrungen zu sammeln. Gleich im ersten Jahr seiner Ausbildung wurde der 18-Jährige zum Genufix-Vorsitzenden gewählt. In der dreijährigen Ausbildung soll jeder Azubi ein Mal die Geschicke der Firma leiten. Deshalb wechselt der Vorsitz halbjährlich.

Probleme mit E-Mail-Anbietern, Anmeldevorgängen oder Netzwerken - mit einem breiten Spektrum an Fragen sehen sich die technikaffinen Jugendlichen bei ihren Einsätzen konfrontiert. Erreichbar sind die Azubis per Telefon und E-Mail. "Unser Ziel ist es, in den ersten beiden Tagen auf einen Request zu antworten", sagt Julia, die auch für die Anfragebearbeitung zuständig ist. Nach der ersten Kontaktaufnahme folgt die Terminvereinbarung. Die Zahl der Aufträge variiert. "Meist kommt spätestens alle zwei Wochen eine Anfrage", sagt Daniel.

Die Jugendlichen helfen sich gegenseitig

Die Aufgabenbereiche sind auf jeweils zwei Auszubildende aufgeteilt. "Wenn einer im Urlaub ist oder Berufsschule hat, muss es ja trotzdem laufen", sagt Moritz, Lehrling im ersten Ausbildungsjahr. Wenn die jungen Leute mal selbst nicht weiterwissen, hilft ihnen das Web weiter: "Wir googeln nach Videos oder Beschreibungen, die das Problem behandeln", sagt Jens. Erst wenn dann immer noch keine Lösung gefunden ist, wenden sie sich an die fachlich erfahrenen Genua-Kollegen. Das komme aber nicht so oft vor. Die Jugendlichen können vor allem auf ihr eigenes technisches Wissen setzen: Vom ersten bis zum dritten Ausbildungsjahr helfen die Azubis sich gegenseitig.

Wenn es um technische Lösungen geht, arbeiten die Azubis bei ihrer Computerhilfe nicht mit Genua-Produkten. "Soziale Einrichtungen sind nicht unsere Zielgruppe", sagt Bruhns. Das Unternehmen arbeite für Kunden mit hohen Sicherheitsanforderungen wie Ämter oder große Firmen. "Unsere Auftraggeber sind vor allem Einrichtungen, die sich die Hilfe sonst nicht leisten können", sagt Daniel.

Im Kirchheimer Jugendzentrum herrschte bisher eine technische "Bastellösung" vor, wie Moritz es ausdrückt. Mehrere Tage nimmt die Installation der neuen Programme und die Umstrukturierung in Anspruch. Zunächst arbeiteten die jungen Computerspezialisten in ihrem Büro an einer Testversion. "Wir wollten im März schon Ergebnisse liefern. Aber wir mussten uns ganz schön reinarbeiten", sagt Sedric und richtet seine Aufmerksamkeit wieder auf den Bildschirm vor ihm. Im Büro wird es still. Es wird weiter getestet und programmiert - bis der letzte Fehler behoben ist.

© SZ vom 29.07.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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