Jazz:Mit swingenden Grüßen

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Jazz ist für Werner Riedel die Musik mit den größten Möglichkeiten, sich auszudrücken und kreativ zu sein. Einmal im Monat organisiert er Jazzkonzerte in der Hohenbrunner Gaststätte "Alter Wirt". Meistens steht der Posaunist auch selbst mit auf der Bühne. (Foto: Angelika Bardehle)

Werner Riedel hat sein Geld als Zahnarzt verdient, aber mehr als die Behandlung von Karies und Zahnstein war seine Leidenschaft immer der Jazz. Derzeit spielt der 72-Jährige, der in Hohenbrunn eine Konzertreihe etabliert hat, in sechs Bands

Von Christina Hertel, Hohenbrunn

Die Erinnerung an den Beginn seiner musikalischen Karriere hat Werner Riedel auf einen braunen Pappkarton geklebt und in einen Ordner geheftet, dick wie der Unterarm eines Bauarbeiters. Ein Schwarz-Weiß-Foto, auf dem er in eine Trompete bläst, blonde Haare, Bubengesicht. Daneben steht in Druckbuchstaben: "Ende - tödlich. Erster Vollrausch als Musiker auf der Bühne." 1962 war das, an Christi Himmelfahrt. Damals war Riedel 15, heute ist er 72. Er lacht leise, als er das sieht.

Riedel ist ein drahtiger Mann, der ein leichtes Fränkisch spricht und seine E-Mails mit "Swingenden Grüßen" unterschreibt. Sein Geld verdiente er als Zahnarzt. Bis 2008 leitete er eine Praxis in Ismaning. Doch wenn man sich mit ihm unterhält, spürt man: Mehr als Karies und Zahnstein zu behandeln, prägte ihn die Musik. Nicht die Art, die man hört, wenn man das Radio anschaltet oder durch ein Kaufhaus läuft. Riedel mag es schwieriger. Er wollte nie bloß das spielen, was sich andere ausgedacht haben, stur vom Notenheft weg. Seine Musik ist deshalb der Jazz mit seinen Improvisationsmöglichkeiten - zuerst spielte er auf der Trompete, dann auf der Posaune, in so vielen Bands, dass ihm die Namen nicht immer gleich einfallen.

Seit zwei Jahren bringt er alle möglichen Jazzmusiker nach Hohenbrunn. Einmal im Monat organisiert er im Alten Wirt Konzerte, mit freien Eintritt. Manchmal kommen an die 100 Leute und meistens steht er auch selbst mit auf der Bühne. Das nächste Konzert ist diesen Freitag. Riedel tritt da mit seiner Band "Heart Bob Connection" auf - zusammen mit dem Trompeter Peter Tuscher. Dieser ist Professor an der Linzer Musikhochschule, stammt ursprünglich aus München und Riedel nennt ihn eine "Legende".

In seinem Keller in Putzbrunn hat Riedel einen Proberaum - mit Klavier und Schlagzeug, obwohl er beide Instrumente gar nicht beherrscht. Er kaufte sie, damit seine Bandmitglieder gleich loslegen können. Von denen hat er viele - aktuell spielt Riedel in sechs verschiedenen Gruppen. "House of Jade", "Trio Brasserie", "Alabaster", "Latin Funk Factory", "Trio Isralov-Hartlieb-Riedel" und "Heart Bob Connection". Gemeinsam geprobt wird ab und zu vor einem Auftritt. Riedel aber übt jeden Tag mindestens eine Stunde. Manchmal nimmt er noch Musikunterricht. "Nachdem ich meine Praxis verkauft habe, habe ich nur noch das gemacht, was mir Spaß macht", sagt er. Und meint damit vor allem eines: Musik.

Riedel wuchs in Nürnberg auf. Sein Bruder, acht Jahre älter, spielte Trompete in einer Dixieland-Band. Irgendwann sattelte er auf Posaune um und die Trompete verstaubte in seinem Zimmer. Riedel begann Unterricht zu nehmen und nach einem halben Jahr vermittelte ihn der Bruder an eine Band. Damals war Riedel 15. "Ich war der Schlechteste von allen. Aber es war für mich ein Anreiz, besser zu werden."

Dass er die Musik nie zu seinem Beruf machte, bereut Riedel nicht. Den Lebensstandard, den er heute hat, hätte er sich alleine durch die Musik wohl nie erarbeiten können, meint er. "Früher gab es nicht mal Noten für Jazz. Wir mussten alles von der Platte runterhören." Und heute besteht Riedels Publikum aus vielen Menschen mit grauen Haaren. Junge Leute kommen nicht so häufig. Warum? "Jazz ist im Radio und im Fernsehen unterrepräsentiert", meint Riedel, "und der Mensch interessiert sich nun mal für nichts, das er nicht kennt." Außerdem sei Jazz schwieriger zu durchschauen, es sei keine einfache Musik. Für Riedel kam trotzdem nie eine andere Richtung in Frage. "Ich könnte mir nicht vorstellen, in einer Coverband zu sein und Note für Note nachzuspielen wie sie auf dem Blatt steht."

Werner Riedels Jazzband "Heart Bop Connection" spielt am Freitag, 20. April, im Alten Wirt in Hohenbrunn. Beginn 20 Uhr. Reservierung ist möglich unter Telefon 08102/8979740. Der Eintritt ist frei.

© SZ vom 19.04.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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