Helferkreis Asyl:"Wenn wir es nicht machen, macht es niemand"

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Von einer "Willkommenskultur" sprechen Politiker gern, wenn es darum geht, Flüchtlinge hierzulande aufzunehmen. Der Helferkreis Asyl in Ismaning erfüllt dieses Wort mit Leben - und fühlt sich damit oft allein gelassen.

Von Irmengard Gnau, Ismaning

Die Stimmung in der Caritas-Zentrale in Ismaning ist eine Mischung aus freundlicher Gelöstheit und Tatendrang. Sieben Mitglieder des Helferkreises haben sich versammelt, der Jüngste in der Runde ist gerade einmal ein Jahr alt. Xaver spielt zu Füßen seiner Mutter Sonja Trott, während diese mit den anderen Helfern die kommenden Termine bespricht. Auch er bringe sich bereits eifrig ein, erzählt seine Mutter lächelnd - in der eritreischen Familie, die Trott als Familienpatin betreut, hat ihr Sohn einen gleichaltrigen Spielkameraden gefunden. Überhaupt, sind sich die Mitglieder des Helferkreises einig, ist ihr Verhältnis zu den Asylbewerbern im Ort schon beinahe ein familiäres.

32 Asylsuchende und anerkannte Flüchtlinge leben zurzeit in Ismaning, erst kürzlich sind zwei Familien mit Kindern in ein Wohnhaus im Westen der Gemeinde eingezogen. Insgesamt sieht das Landratsamt vor, dass bis Ende des Jahres mehr als 150 Zufluchtsuchende im Ort eine neue Bleibe finden. Damit sie nicht nur unterkommen, sondern auch ankommen können, beschlossen engagierte Ismaninger vor acht Monaten, eine Gruppe ins Leben zu rufen, die sich dieser Aufgabe annehmen sollte. Mit Unterstützung der Gemeinde und der Caritas wurde der "Helferkreis Asyl" aus der Taufe gehoben.

Eine Minijobberin als Koordinatorin

Mittlerweile engagieren sich dort zwischen 25 und 40 Bürger in ihrer Freizeit. "Was liegt näher, als Freiwillige zu suchen für den Helferkreis Asyl", sagt Inge Brandmeier, die die Freiwilligenbörse der Caritas in Ismaning leitet. Mit ehrenamtlichen Helfern allein waren die vielfältigen Aufgaben aber kaum zu bewältigen, stellten die Beteiligten schnell fest. Es brauchte jemanden, der die Koordination der verschiedenen Einsatzgebiete in die Hand nahm. Über die Caritas und in Zusammenarbeit mit der Gemeinde Ismaning gelang es schließlich, eine solche Stelle zu schaffen: Heute ist Yvonne Meininger in einer Minijobstelle als Koordinatorin des Helferkreises tätig und gemeinsam mit Brandmeier die erste Ansprechpartnerin. "Die Informationen und Aktivitäten müssen bei einer Person zusammenlaufen, die den Überblick hat", sagt Meininger.

Schließlich ist es nicht einfach, zu überblicken, welche Aufgaben gerade Priorität haben. Brauchen die Neuankömmlinge warme Kleidung? Unterstützung im Behördendschungel, eine Begleitung beim Arztbesuch, Hilfe bei der Suche nach einem Sprachkurs? Oder einfach einmal die Möglichkeit, draußen Sport zu treiben? Nach acht Monaten Starthilfe haben sich im Helferkreis verschiedene Arbeitsgruppen entwickelt, die sich mit den Asylbewerbern gemeinsam den verschiedenen Tücken des Alltags stellen. "Man braucht einfach jemanden, der die Briefe liest und sich darum kümmert, dass Fristen eingehalten werden", erklärt Meininger. "Ohne Helfer wäre das für die Asylbewerber geradezu unmöglich." Ein Sozialbetreuer des Landratsamts kümmert sich um etwa hundert Asylbewerber. Darum gibt es in Ismaning Familienpaten wie Sonja Trott oder Sabine Puchner.

Nach der Anerkennung geht die Rennerei erst los

Als Puchner die Patenschaft für "ihre" Familie, wie sie sagt, übernahm, hatte diese gerade die Anerkennung erhalten. Ein Grund zu großer Freude, aber auch eine bürokratische Lawine. "Das war viel Hinrennerei und Rumtelefoniererei mit den Ämtern", erinnert sich Puchner. Drei Monate lang hat es gedauert, bis alles geregelt war. Nun darf sich die afghanische Familie eine eigene Wohnung suchen - und steht damit der nächsten Herausforderung gegenüber.

"Das ist eine harte Nuss", bestätigt Bernd Majewski. Der 71-Jährige ist ein Helfer der ersten Stunde und hat schon manche Erfahrung mit dem deutschen Behördendickicht gemacht. Als Jobpate unterstützt Majewski die Ismaninger Asylbewerber auch bei ihrer Suche nach Arbeits- oder Ausbildungsmöglichkeiten. "Wir Jobpaten versuchen herauszufinden, wo die Neigungen der einzelnen Asylbewerber liegen", erklärt Majewski. Ein junger Mann beispielsweise kam als studierter Informatiker nach Ismaning - mit Hilfe seines Jobpaten bekam er ein Praktikum, das er erfolgreich absolvierte. Er hat jetzt die Option auf einen Ausbildungsplatz.

"Was wäre, wenn es uns nicht gäbe?"

Solche Erfolgsgeschichten freuen die Unterstützer ebenso wie die Betroffenen. Und sie machen deutlich, wie wichtig die Arbeit der Helferkreise ist. Gleichwohl mischt sich in die Freude über das große ehrenamtliche Engagement auch ein Wermutstropfen. "Was wäre, wenn es uns nicht gäbe?", gibt Meininger zu bedenken. "Bei vielen Dingen ist es so, wenn wir sie nicht machen, macht sie niemand." Entgegen vollmundiger politischer Ankündigungen über Willkommenskultur erleben die Helferkreise, dass es staatlicherseits bei der Betreuung von Asylbewerbern noch an vielen Stellen an der Infrastruktur fehlt. "Ich würde mir wünschen, dass sich die staatlichen Strukturen endlich auf die Realitäten einstellen und Hürden abgebaut werden", sagt auch Familienpatin Trott.

Denn die Ehrenamtlichen in den Gemeinden schaffen das, was offiziellen Stellen oftmals nicht gelingt: nah dran zu sein an den Menschen. "Ich wünsche mir, dass die Flüchtlinge ein Teil der Gemeinde sind", sagt Simona Kraus. Die 34-Jährige ist ausgebildete Lehrerin für Deutsch als Fremdsprache und koordiniert die Sprachbegleitung des Helferkreises.

Zum Zusammenleben gehöre auch, sich auf Augenhöhe zu begegnen, meint Kraus. Mit Konzerten und anderen gemeinsamen Veranstaltungen bemüht sich der Helferkreis, alteingesessene Ismaninger und Asylbewerber zusammenzubringen. Auf der anderen Seite haben auch die Neuankömmlinge Gelegenheit, sich in der Gemeinde einzubringen - ein Wunsch, den vor allem die jungen Männer geäußert hatten. Als "Helfende Hände" übernehmen sie - koordiniert von Majewski und weiteren Helfern - gerne gemeinnützige Arbeiten, packen etwa bei der Altkleidersammlung mit an oder helfen mit, wenn es beim Tennisverein etwas zu tun gibt.

Das schafft Vertrauen in die eigenen Fähigkeiten und bringt neue und alte Mitbürger einander näher. "Generell muss man sagen, dass in Ismaning die Akzeptanz sehr groß ist", sind sich die Helfer um Meininger einig. Die örtlichen Vereine und Institutionen, wie Musikschule und VHS, bieten Unterstützung an, wo sie es können. Auch die Gemeinde bezuschusst den Kreis und hat ein Spendenkonto eingerichtet. Zu den Treffen des Helferkreises kommen regelmäßig bis zu zehn weitere Freiwillige. Neue Unterstützer sind gern gesehen, auch wenn sie nur eingeschränkt Zeit haben, bekräftigt Freiwilligenbörse-Leiterin Brandmeier: "Ich kann mich auch einmal pro Woche engagieren."

Im Sommer kommen 80 neue Asylbewerber

Eine große Herausforderung steht dem Ismaninger Helferkreis noch bevor: Im Sommer erwartet die Gemeinde 80 weitere Asylsuchende; sie sollen in eine Unterkunft im Ortsteil Fischerhäuser ziehen. Die Vorbereitungen beim Helferkreis laufen bereits auf Hochtouren. Willkommenspakete mit Stadtplänen, Informationen über die wichtigsten Verkehrsregeln, Schulutensilien für die Kinder werden geschnürt, Familienpaten akquiriert und Kontakte mit den neuen Nachbarn geknüpft. Die Helfer sind hoffnungsvoll, dass sie auch die Neuankömmlinge dabei unterstützen können, in der Gemeinde anzukommen. "Ich würde mich freuen, wenn die Zuwendung so bliebe", sagt Majewski, "ob nun 20 oder 150 Asylbewerber in Ismaning wohnen."

Das nächste Helfertreffen findet am Dienstag, 19. Mai, um 19 Uhr im Evangelischen Gemeinderaum in der Gabrielkirche, Dr.-Schmitt-Str. 10 statt. Um 18.30 Uhr gibt es eine kurze Einführung für neue, interessierte Helfer. Weitere Informationen unter Telefon 089/ 96289930.

© SZ vom 18.05.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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