Ismaning:Der Biber beißt, der Mensch soll zahlen

Ismaning: Josef Demmel ist leidenschaftlicher Fischer.

Josef Demmel ist leidenschaftlicher Fischer.

(Foto: Claus Schunk)

Die Bayerischen Staatsforsten wollten den Pächter von Fischgewässern bei Ismaning für Schäden des geschützten Nagers haftbar machen. Der Passus im Vertrag von Josef Demmel ist nun gestrichen, doch die Problematik bleibt.

Von Irmengard Gnau, Ismaning

Fischen soll eine beruhigende Wirkung haben, das versichern viele Hobbyangler. Josef Demmel jedenfalls ist ein wenig besänftigt. Die Aussicht, dass er auch in Zukunft die Bäche zwischen Ismaning und den Isarauen mit seinen Kollegen befischen kann, wie es seine Familie schon seit mehr als 50 Jahren tut, lässt den Ismaninger erleichtert klingen. Vor ein paar Wochen allerdings sah die Situation noch ganz anders aus. Denn Demmel musste befürchten, dass er künftig für Biberschäden haftbar gemacht wird.

Seit 22 Jahren hat Demmel das Fischwasser zwischen den Ismaninger Ortsteilen Ismaning und Fischerhäuser von den Bayerischen Staatsforsten gepachtet, ein Netz meist schmaler Bäche mit einer Gesamtlänge von knapp 19 Kilometern, etwa zehn davon im Wald. Zuvor war sein Vater der Pächter gewesen. Über Jahrzehnte, sagt Demmel, habe es nie Beschwerden gegeben. Als Ende Dezember aber der Pachtvertrag nach zehn Jahren verlängert werden sollte, verschlug es Demmel geradezu die Sprache.

Der neue Vertrag enthielt einen zusätzlichen Passus, in welchem sich der Ismaninger verpflichten sollte, die volle Verkehrssicherungspflicht für die Fischgewässer, die dazugehörigen Einrichtungen wie Dämme oder Wehre sowie einen mindestens eine Baumlänge tiefen Randstreifen am Ufer zu übernehmen und im Zweifelsfall auch gegenüber Dritten zu haften. Eine unmögliche Verantwortung für einen Privatmann, fand Demmel, insbesondere in einem Bibergebiet wie Ismaning.

Derzeit zählt die Untere Naturschutzbehörde im Landkreis knapp 60 besetzte Biberreviere, die meist von je vier bis sechs Tieren bewohnt sind. Die Isarauen im Norden des Landkreises gelten als ein Schwerpunktgebiet. Während sich Artenschützer freuen, dass sich der einst ausgerottete Nager seit den Neunzigerjahren wieder im Landkreis angesiedelt hat und dort vielfach die Renaturierung vorantreibt, stehen ihm viele Grundeigentümer und Landnutzer skeptisch gegenüber. Auch Angler Demmel fürchtete nach der ersten Vertragsformulierung, dass er im Ernstfall auch für Biberschäden haftbar gemacht werden könnte. Die Bayerischen Staatsforsten versuchten, sich hier aus ihrer Verantwortung zu stehlen, mutmaßte Demmel und beschwerte sich bei dem staatlichen Unternehmen.

Die Staatsforsten ruderten daraufhin zurück. Bei Demmels Pachtvereinbarung handele es sich um einen Mustervertrag, der seit 2008 gelte, erklärt ein Sprecher auf Nachfrage. Dieser könne aber an die örtlichen Gegebenheiten angepasst werden, "um eine für Pächter und Verpächter ausgewogene Lösung zu erreichen". Es habe auch dank dieser Handhabe bislang keine vertraglichen Probleme wegen der Haftungsklausel gegeben. Im Ismaninger Fall etwa sei die Durchführung der Verkehrssicherungspflicht aufgrund der hohen Biberaktivität besonders anspruchsvoll. Hier wäre es, so der Sprecher der Staatsforsten, "unangemessen, dem Pächter die komplette Verkehrssicherung zu übertragen". Ende Januar erhielt Demmel ergänzend zu seinem Pachtvertrag ein weiteres Schreiben der Behörde. Demzufolge muss er als Pächter nun nur eine eingeschränkte Verkehrssicherungspflicht übernehmen, die sich lediglich auf solche Gefahrenquellen beziehen, die Auswirkungen auf das Fischgewässer und seine Einrichtungen haben können. Zudem verpflichten sich die Staatsforsten, falls nötig sämtliche Kosten für die Entfernung gefährdender Bäume zu übernehmen.

Erst auf eine Beschwerde ruderte das staatliche Unternehmen zurück

Die Haftungsfrage beim Biber treibt manchen im Landkreis um. Um Konflikten zwischen Mensch und Tier vorzubeugen, hat das Landratsamt in den vergangenen Jahren ein Managementkonzept mit Präventionsmaßnahmen ins Leben gerufen und Biberberater eingesetzt. Dennoch kommt es manchmal zu Fällen, in denen der geschützte Nager durch sein natürliches Verhalten Schäden verursacht. Verstopfte Bachabflüsse führten zu Überschwemmungen, im Gemeindegebiet Ismaning mussten bereits mehrfach landwirtschaftliche Wege repariert werden, die Biber untergraben hatten.

Die wirtschaftlichen Schäden für Bürger seien bislang jedoch überwiegend gering gewesen, heißt es im Jahresbericht 2015 zum Bibermanagement des Landratsamts. Entstehen Privatpersonen land-, forst- oder fischereiwirtschaftlichen Schäden, springt unter bestimmten Voraussetzungen der Freistaat ein. Das bayerische Umweltministerium hat einen "Biberfonds" eingerichtet, der bis 2020 jedes Jahr 450 000 Euro umfasst. Von 2010 bis 2016 beliefen sich die so ausgleichbaren Schäden in Landkreis laut Landratsamt auf gesamt etwa 800 Euro.

Anders sieht es für die Kommunen aus. Schäden, die der öffentlichen Hand durch den Biber entstehen, werden nicht ausgeglichen. Nicht zuletzt deshalb pochen Naturschützer und das Bibermanagement des Landkreises auf Präventivmaßnahmen, um Probleme zwischen Mensch und Biber gar nicht erst aufkommen zu lassen. Als Ultima Ratio wird in Ausnahmefällen ein Abschuss erlaubt. Eine solche "Entnahmeerlaubnis" für den Biber, wie es im Amtsdeutsch heißt, gilt aktuell für die Flur nördlich des Speichersees. Abschießen sei allerdings keine dauerhafte Lösung, sagt etwa der Leiter des Ismaninger Umweltamts, Ulrich Hilberer. "Dann wandern wieder neue Biber zu." Das Bibermanagement im Landratsamt wirbt bei den Bürgern für vorausschauende Alternativen und regt unter anderem an, Pufferstreifen für die Tiere frei zu lassen und Flächen beispielsweise nicht bis direkt ans Ufer von Gewässern zu nutzen.

Für Josef Demmel hat sich die Haftungsfrage fürs Erste geklärt. Er hat den auf seine Situation angepassten Pachtvertrag unterschrieben, wenn er auch kritisch sieht, dass die Staatsforsten erst auf seine Beschwerde hin reagiert haben. Nun hofft der Ismaninger auf weitere störungsfreie Jahre beim Fischen - auch mit dem Biber.

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