Höhenkirchen-Siegertsbrunn:Rüffel für Umweltmuffel

Lesezeit: 3 min

Engagierte Rasselbande: Niklas Gierling (vo.) und Kinder aus Höhenkirchen-Siegertsbrunn drängen Autofahrer an der Bahnschranke den Motor abzustellen. (Foto: Angelika Bardehle)

Jeden letzten Freitag im Monat versammeln sich Kinder an den Schranken des Bahnübergangs in Höhenkirchen-Siegertsbrunn und fordern "Motor aus!". Initiiert hat die Aktion ein 13-jähriger Gymnasiast

Von Stefan Galler, Höhenkirchen-Siegertsbrunn

Der Kleinlastwagen in der achten Startreihe macht genau das, was man sich unter dem Ausdruck Brummi vorstellt: Unnachgiebig nagelt der Dieselmotor vor sich hin und hustet eine graue Staubwolke durch den Auspuff. Schnell setzt sich der mobile Eingreiftrupp in Bewegung: Die Kinder umlagern den Transporter mit Augsburger Kennzeichen.

Der Fahrer stellt sich zuerst taub, dann tut er so, als verstünde er kein Wort von dem, was die Kinder ihm zurufen: "Motor aus!", schreien sie und halten ihm ihre Schilder mit der entsprechenden Aufforderung entgegen. Sogar auf Englisch reden sie auf ihn ein. In diesem Fall ohne Erfolg. Bis sich die Schranken am Bahnübergang wieder öffnen, hat sich der Mann am Steuer nicht dazu überreden lassen, seine Kiste auszumachen.

Die Luft in der Heimatgemeinde soll besser werden

Und doch sind diejenigen, die auf die Aktion der Schüler aus Höhenkirchen-Siegertsbrunn gar nicht oder ablehnend reagieren, in der Minderheit. "Einige fahren immer freitags hier über den Bahnübergang, die kennen uns schon", sagt Niklas Gierling, der Initiator der Aktion "Motor aus!".

Der 13 Jahre alte Gymnasiast hatte an einem "Akademie"-Workshop der Umweltorganisation "Plant for the Planet" in Höhenkirchen-Siegertsbrunn teilgenommen, kam darüber mit der hiesigen Ortsgruppe des Bundes Naturschutz (BN) in Kontakt und brachte sich sogleich mit vollem Engagement ein. Es geht ihm generell um den Klimaschutz - und konkret um bessere Luft in seiner Heimatgemeinde.

Gemeinsam mit Petra Guggenberger, der zweiten Vorsitzenden der BN-Ortsgruppe, entwickelte er im vergangenen November die Idee mit der Aktion am berüchtigten Bahnübergang am Bahnhof, unmittelbar in Nachbarschaft des neuen Gymnasiums. Wenn sich hier die Schranken senken, steht man auch mal gut und gerne fünf Minuten, denn meistens wird auf dieser einspurigen Strecke der S-Bahnlinie 7 auf den Gegenzug gewartet.

Wer den Motor nicht abstellt, ist nicht nur rücksichtslos gegen die Umwelt, sondern auch verschwenderisch. Und er begeht eine Ordnungswidrigkeit, denn das Abschalten des Motors beim Warten vor dem Bahnübergang schreibt Paragraf 30 der Straßenverkehrsordnung vor.

Einige Autofahrer zeigen den nach oben gereckten Daumen

Jeden letzten Freitag im Monat versammeln sich die Kinder also nach der Schule an den Schranken. Die Resonanz ist gut, "an Spitzentagen kommen auch schon mal über 20 Schüler", sagt Niklas Gierling. An diesem Freitag sind es etwa 15, der Großteil geht auf das Gymnasium, "aber es schließen sich immer wieder auch Buben und Mädchen von anderen Schulen an", sagt Petra Guggenberger, die als Erwachsene der für solche "Demonstrationen" von Minderjährigen obligatorischen Aufsichtspflicht nachkommt.

Als sich die Schranken gegen 13.20 Uhr senken, steht eine Blechlawine von gut 25 Autos auf beiden Seiten des Bahnübergangs. Die meisten stellen ihre Motoren anstandslos ab, einige tun es zumindest dann, wenn sie die Kinder mit ihren großen Pappschildern sehen. Das Emblem von "Plant for the Planet" ist auf einigen zu sehen, auf den anderen steht das Motto der Aktion "Motor Aus" oder Sinnsprüche wie "Für den Klimaschutz muss das Rad nicht neu erfunden werden, nur öfter benutzt".

Einige Autofahrer zeigen den nach oben gereckten Daumen, eine Mutter im Volvo-SUV, entschuldigt sich gestenreich und schaltet die Zündung ab. "Das überrascht mich", sagt Petra Guggenberger. "Oft sind es genau die in solchen Autos, denen das Anliegen der Kinder egal ist." An anderer Stelle hat sie die überdimensionierten Geländewagen schon als "Hol- und Bringpanzer" bezeichnet.

Und doch bestätigt sich an diesem frühen Nachmittag die Erfahrung, die Niklas schon zu Beginn des Treffens schilderte: "Angemacht werden wir eher von jüngeren Leuten, auch Mütter mit kleinen Kindern reagieren oft unfreundlich. Die meisten Senioren haben dagegen Verständnis."

Eine junge Frau im BMW mit der Werbeaufschrift einer Supermarktkette brüllt die Kinder an: "Schleicht's eich." Und dreht ihr Autoradio so laut, dass die Schüler gar nicht mehr zu ihr durchdringen. Ein Audi-Fahrer, ebenfalls noch keine 30, entgegnet barsch: "Ich mach den Motor aus, wenn ich will." In solchen Fällen notieren die Kids das Kennzeichen und Petra Guggenberger meldet es der Polizeiinspektion Ottobrunn. "Die Beamten haben versprochen, die Autofahrer anzurufen und ihnen ins Gewissen zu reden."

Das Ziel von Niklas und seinen Mitstreitern ist es, dass sich auch Kinder aus anderen Gemeinden, die Bahnübergänge mit längeren Wartezeiten haben, an der Aktion beteiligen. Denn im Endeffekt profitieren alle, auch das italienische Lokal "La Bella Sicilia" direkt am Bahnübergang. "Die Gäste auf der Terrasse fühlen sich viel wohler ohne die Motorengeräusche der wartenden Autos", sagt Niklas. "Deshalb gibt uns der Wirt öfter mal Pizza aus."

© SZ vom 01.10.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: