Haar:Auf der Überholspur

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Die Gemeinde Haar erhofft sich von der Ansiedlung des BMW-Forschungszentrums für autonomes Fahren nicht nur Steuereinnahmen, sondern auch einen Imagegewinn. Schon Anfang 2018 könnte die Niederlassung stehen.

Von Christina Jackson, Haar

Lange Zeit war Haar finanziell gesehen für andere, vergleichbar große Gemeinden im Landkreis allenfalls im Rückspiegel zu sehen. Doch jetzt könnte die Gemeinde zum Überholen ansetzen. Mit der möglichen Ansiedlung von BMW und seinem Forschungszentrum für autonomes Fahren am östlichen Ortsrand hofft man im Rathaus jedenfalls auf einen Geldsegen durch Gewerbesteuereinnahmen und auf einen zusätzlichen Imagegewinn.

Folgerichtig sprach sich der Gemeinderat am Dienstag grundsätzlich für die Ansiedlung aus - und das einstimmig über alle Fraktionen hinweg. Noch steht das Projekt allerdings auf wackligen Beinen. Denn der Münchner Autobauer, der für seinen Forschungsbereich "Autonomes Fahren" eine Zentrale sucht, in der Softwareexperten und Ingenieure gemeinsam arbeiten, hat nicht nur Haar als Standort im Visier. Auch weitere Umlandgemeinden konkurrieren um die Konzernniederlassung.

Autokonzern
:BMW plant Forschungszentrum für autonomes Fahren

Dafür soll auch eine eigene Teststrecke gebaut werden. Zur Debatte stehen verschiedene Standorte in und um München.

Von Christina Jackson

In Haar hat BMW die sogenannte Finckwiese an der Kreuzung Wasserburger Straße (B 304) und Grasbrunner Straße (B 471) im Blick. Sollte Haar den Zuschlag erhalten, sollen hier bis Februar 2018 ein Rechenzentrum, Büroflächen, Werkstätten und eine Teststrecke entstehen. Auf dem südlichen Teil sind in einem zweiten Schritt Wohnungen geplant. In dem Gebäudekomplex sind Büros für Programmierer und IT-Spezialisten, Konferenz- und Gruppenräume, Werkstätten und eine Kantine vorgesehen, hinzu kommen Stellplätze für 1500 Mitarbeiter-Pkws und 460 Testautos.

Die Entscheidung will die BMW-Spitze im Dezember treffen. Circa 2000 Mitarbeiter sollen für das innovative Projekt der selbstfahrenden Autos forschen. Zurzeit sind etwa 1000 IT-Experten in unterschiedlichen Büros mit der Aufgabe befasst. Als Investor und Eigentümerin der Finckwiese übernimmt die Immobiliengesellschaft Dibag, die zahlreiche Grundstücke und Wohnprojekte in Haar betreut, die Kosten für das Projekt.

Bislang wird das Grundstück landwirtschaftlich genutzt

Bislang wird das rund 15 Hektar große Grundstück südlich der B 304 und östlich der B 471 landwirtschaftlich genutzt. In der Vergangenheit hatte es immer wieder Überlegungen gegeben, dort Gewerbe anzusiedeln. Eine Möbelhauskette hatte ebenso Interesse signalisiert wie Betreiber von Einkaufszentren - allesamt Bewerber, die der Gemeinderat rigoros ablehnte. Die Kommunalpolitiker wollen den Ort vor erheblicher Verkehrszunahme und weiterem Lärm schützen. Ein Ansinnen, das nach Ansicht von Bürgermeisterin Gabriele Müller (SPD) bestens in Einklang steht mit dem aktuellen Bewerber, auch wenn es sich bei diesem um einen Autohersteller handelt. "Mit diesem Projekt haben wir ein sauberes Gewerbe mit emissionsarmen Bürogebäuden und Werkstätten. Daneben wird Haar zu einem innovativen Standort."

Beste Verkehrsanbindung: Auf der Finckwiese zwischen B 304 und B 471 in Haar könnte schon bald ein Forschungszentrum von BMW entstehen. (Foto: Angelika Bardehle)

Aufgrund des ambitionierten Zeitplans von BMW will die Gemeinde rasch verfahren. Die Aufstellung eines Bebauungsplans wollen die Lokalpolitiker noch im November beschließen, am 24. November Anwohner und Bevölkerung bei einer Veranstaltung informieren. Schon für März sei die Auslegung des Bebauungsplans für die Öffentlichkeit geplant.

Auf Seiten der Politik ist die Begeisterung groß. Einhellig äußerten sich Vertreter aller Gemeinderatsfraktionen positiv über den prominenten Bewerber. Bürgermeisterin Müller weist auf die "optimale Verkehrsanbindung" wegen der unmittelbaren Nähe zum Autobahnring A 99 hin. "Die Finckwiese liegt an der Wasserburger Straße ausgesprochen günstig. Zur Autobahn, die achtspurig ausgebaut wird, sind es nur wenige Meter. Die S-Bahn ist fußläufig erreichbar und zwei Bushaltestellen ergänzen den Nahverkehr an dieser Stelle."

Gemeinde muss sich umso mehr um bezahlbaren Wohnraum kümmern

Geradezu euphorisch äußert sich SPD-Fraktionsvorsitzender Alexander Zill: "Das Warten hat sich gelohnt. Ich kann nur hoffen, dass BMW die Freude am Fahren von München nach Haar entdeckt, so wie ich das als Pendler in entgegengesetzter Richtung jeden Tag erfahre." Zustimmung auch aus den Reihen der CSU: "Wir sind für eine rasche Ansiedlung von BMW als beste Adresse der deutschen und bayerischen Wirtschaft", sagt Dietrich Keymer. Er äußert auch die Hoffnung, dass sich der Konzern langfristig für die neue Adresse entscheidet und diese "nachhaltig nutzt". Als eine gute Wahl bezeichnet Antonius van Lier (Freie Wähler) die mögliche Entscheidung des Automobilbauers für Haar. Allerdings werde sich die Gemeinde umso mehr um bezahlbaren Wohnraum bemühen, da durch die Ansiedlung der Druck auf dem Immobilienmarkt weiter steigen werde.

Mit "einer großen Portion Optimismus" betrachten auch die Grünen das Vorhaben. Allerdings schränkt ihr Gemeinderat Mike Seckinger ein: "Eine ganze Reihe von Antworten zur ästhetischen Gestaltung oder Nutzung regenerativer Energien etwa muss noch gegeben werden."

© SZ vom 27.10.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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