Haarer Einzelhandelskonzept:Schuhe und Bücher gibt es nur im Zentrum

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Die Leibstraße ist belebt, aber für Fußgänger ist es oft eng und Autos dominieren. Radfahrer sind nicht wirklich vorgesehen. (Foto: Sebastian Gabriel)

Die Gemeinde definiert genau, was Einzelhändler in bestimmten Bereichen von Haar ins Sortiment aufnehmen dürfen. Sie will damit ein Ladensterben in der Ortsmitte verhindern.

Von Bernhard Lohr, Haar

Haar schützt die Geschäfte im Ortszentrum. Der Gemeinderat hat am Dienstagabend ein Einzelhandelskonzept samt Sortimentsliste beschlossen. Bestehende Geschäfte genießen Bestandsschutz. Doch jeder, der einen neuen Laden aufmachen will, muss künftig beachten, dass bestimmte Waren wie Schuhe, Fahrräder, Bücher und Drogerieartikel nur noch im genau umrissenen Ortszentrum angeboten werden dürfen.

Dabei war bis zuletzt umstritten, wie dieser Bereich definiert werden soll. Die CSU wollte das Jagdfeldzentrum unbedingt dabei haben. Fachleute des Beratungsunternehmens Cima warnten dagegen in deutlichen Worten davor, die Kriterien aufzuweichen.

Als sogenannte Innenstadt gilt nun grob gesagt der Bereich zwischen Leibstraße im Osten, Salmdorfer Straße und Kirchenstraße im Westen, B 304 im Süden und Bahnlinie im Norden. Dort dürfen laut der in drei Segmente aufgeteilten Sortimentsliste Artikel des Innenstadtbedarfs wie etwa Bücher, Bekleidung oder Drogeriewaren angeboten werden. Zum Nahversorgungsbedarf zählen Lebensmittel, Zeitungen und Arzneimittel. Sie können in Bereichen angeboten werden, die in Wohngebieten eingebunden sind. Garten-, Baumarkt- und Elektronikartikel zählen zum sonstigen Bedarf, der grundsätzlich an allen definierten Standorten bedient werden darf.

In der Debatte über Sinn und Unsinn einer solchen Regelung fiel öfter der Begriff vom "scharfen Schwert", das die Gemeinde nun mit dem Konzept in die Hand bekomme, um eine lebendige Ortsmitte mit einer Vielfalt an Geschäften zu schützen. Auch Dietrich Keymer (CSU) wollte ein solches in die Hand bekommen. Er kritisierte aber scharf, dass das Jagdfeldzentrum nicht zum Innenstadtbereich zählt. Es handle sich dort nun mal um einen sogenannten "zentralen Versorgungsbereich", sagte er. Die Gemeinde solle einen "realistischen Weg" einschlagen und das Jagdfeldzentrum aufnehmen, statt dort mit "Sortimentsvorschriften reinzugrätschen". Das werde vor einem Verwaltungsgericht nicht Bestand haben, argumentierte er.

"Massive Gefahren" für bestehende Geschäfte

Mit dieser im Vorfeld schon geäußerten Kritik stand die CSU freilich im Gemeinderat am Dienstag alleine. Cima-Projektleiter Jan Vorholt warnte vor "massiven Gefahren" für den Bereich um die Leibstraße. Er lobte das kleinteilige und vielfältige Geschäftsleben dort, mit 44 zum Großteil von Inhabern geführten Läden bei einer Verkaufsfläche von 3400 Quadratmetern. Der Branchenmix mit Bäckern und Metzger sowie Angeboten bei Textilien, Schreibwaren und Schuhen führe zu vielen "Koppelungseffekten". Das sei schützenswert. Sollte die Gemeinde im Jagdfeldzentrum Märkte mit diesem Sortiment zulassen, grabe man dem Zentrum das Wasser ab. Fatal wäre aus Vorholts Sicht, wenn der Drogeriemarkt als Magnet die Leibstraße verlassen würde, um auf größerer Fläche im Jagdfeldzentrum neu zu eröffnen.

Bürgermeisterin Gabriele Müller (SPD) warnte vor den Folgen, sollte man den Rat der Fachleute ignorieren und das Zentrum nicht so eng fassen. SPD-Fraktionschef Alexander Zill sagte, ihm gehe es ganz pragmatisch um die Frage, wie die vielfältige Struktur im Bereich um die Leibstraße geschützt werden könne. "Bestimmten Einzelhandel möchte ich anderswo nicht haben." Das sei entscheidend. Mike Seckinger (Grüne) lobte, es würden "klare, verlässliche Rahmenbedingungen" geschaffen, was sich noch auszahlen werde. Cima-Projektleiter Vorholt und der Anwalt der Gemeinde, Claus Deißler, erläuterten im übrigen, dass auch Ausnahmen möglich sein werden, ohne das Konzept zu zerstören. Es sei immer Abwägungssache, hieß es.

Die CSU freilich pochte darauf, dass das Jagdfeld in Haar den Siedlungsschwerpunkt bildet. Auch wenn es von der definierten Mitte nur durch die B 304 getrennt ist, sah Bettina Endriss-Herz das Problem, dass viele mit dem Auto dort zum Einkaufen fahren könnten. Wo sollten diese alle parken, fragte sie. Aus Sicht der Cima freilich wird das Jagdfeldzentrum nicht abqualifiziert und in seiner Entwicklung nicht behindert. Märkte könnten dort entstehen, die "in der Ortsmitte sowieso nicht untergebracht werden können", sagte Vorholt. Ein Markt für Elektronikartikel wäre denkbar.

Ausbau am Jagdfeldzentrum

Tatsächlich könnte sich bald einiges in diese Richtung tun. Der Baumarkt soll nach letztem Stand 2019 schließen. Der Rahmenplan für die südliche Münchner Straße empfiehlt für das Areal verbunden mit dem angrenzenden Jagdfeldzentrum einen Umbau, um Marktflächen zu schaffen. Das begrüßt das Cima-Gutachten.

Doch Waren des Innenstadtbedarfs soll es nicht geben. Das steuert die Gemeinde fortan mit dem "scharfen Schwert", das nach Aussage von Bürgermeisterin Müller auch bei Konflikten mit Nachbarkommunen hilfreich sein könnte. Würde etwa im künftigen Gewerbegebiet Keferloh Einzelhandel platziert, der das Haarer Zentrum gefährden würde, hätte Haar bei einer Gerichtsentscheidung laut Müller mit dem Konzept starke Argumente dagegen. Der Gemeinderat beschloss das Konzept gegen die Stimmen der CSU.

© SZ vom 27.06.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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