CSU-Personaldebatte:Sehnsucht nach dem starken Mann

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In der Kreis-CSU mehren sich zum Ende der Jamaika-Sondierungen die Stimmen derer, die eine Ablösung von Horst Seehofer durch Markus Söder an der Spitze von Partei und Staatskanzlei fordern.

Von Stefan Galler und Martin Mühlfenzl

Einmal auf "Veröffentlichen" getippt - und die Botschaft ist raus. "Grandiose Rede des neuen Ministerpräsidenten." So steht es in dem Facebook-Post, den der Neubiberger Kreisrat Thomas Pardeller am 5. November, Punkt 10.33 Uhr, samt Foto von Markus Söder in die Welt hinausschickte. Söder stand zu diesem Zeitpunkt bei der Landesversammlung der Jungen Union in Erlangen auf der Bühne und sprach zum CSU-Nachwuchs. Was Pardellers Foto nicht transportiert, ist der immer wieder aufbrausende Beifall, mit dem Bayerns Finanzminister bedacht wurde. Aber meist reicht ja ein Satz.

Geht es nach den meisten Jungen in der CSU, trifft Thomas Pardeller den Nagel auf den Kopf. Kirchheims Bürgermeister Maximilian Böltl, 34, gehört - wie er selbst sagt - "gerade noch" zum Nachwuchs der CSU. Gefragt, ob er sich als Söderianer oder Seehoferianer bezeichnen würde, sagt er: "Da muss ich nicht lang überlegen." Auch Böltl war in Erlangen. Wer sich nicht bei der JU blicken ließ? Richtig: Horst Seehofer. Nicht einmal per Videobotschaft ließ sich der Ministerpräsident und Parteivorsitzende zuschalten.

Ernst Weidenbusch gehört nicht mehr zu den Jungen in der CSU. Wenn sich der Landtagsabgeordnete mit Horst Seehofer und der Strategie im Bundestagswahlkampf auseinandersetzt, ist letztlich nicht erkennbar, ob er noch hinter dem Parteichef steht oder nicht. Explizit sagt er dazu nichts. Er sei nach der Bundestagswahl als einziges Mitglied der CSU-Landtagsfraktion dagegen gewesen, die Personaldiskussion hintanzustellen, sagt er. "Man kann nicht durch Beschluss verhindern, dass einer seine Meinung sagt." Und: "Ich hätte auch einen Rücktritt am Abend der Bundestagswahl für konsequent gehalten." Die Unterstützung von Merkels Flüchtlingspolitik durch den CSU-Chef im Wahlkampf-Endspurt sei "ein Fehler" gewesen, urteilt der Haarer. "Seehofer hat gesagt, wenn es schief geht, könnt ihr mich köpfen. Und einige aus der Partei nehmen das jetzt ernst", so der stellvertretende Landrat, der Anfang 2017 mit dem Zitat, Merkel sei nicht mehr seine Kanzlerin, polarisiert hatte.

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Dass sich die JU-Delegierten bei der Landesversammlung so klar gegen Seehofer ausgesprochen haben, überrascht Weidenbusch nicht: "Wenn ich mir als JUler aus Lindau von meinem Taschengeld eine Tankfüllung leiste, um nach Erlangen zu fahren, weil ich mir erwarte, dass der Parteivorsitzende sich einmal im Jahr Zeit für mich und meine Leute nimmt, dann bin ich natürlich tief enttäuscht, wenn da schlichtweg gar nix kommt."

Tief enttäuscht? "Das war eine Missachtung der wichtigsten und aktivsten Gemeinschaft innerhalb der CSU", findet Florian Keil, Vorsitzender des JU-Ortsverbands Höhenkirchen-Siegertsbrunn. "Da sitzen 350 Junge in Erlangen, die im Wahlkampf unendlich unterwegs waren. Und der Ministerpräsident schafft es nicht einmal, sich zuschalten zu lassen." Geht es nach Keil, wird sich die Frage nach Seehofers Erscheinen bei der nächsten Landesversammlung des Nachwuchses nicht mehr stellen. Auch Keil erinnert an Seehofers Worte, wonach man ihn köpfen könne: "So weit wird es nicht kommen, aber der Übergang muss jetzt eingeleitet werden." Der Höhenkirchner hat auch eine sehr klare Vorstellung, wer die personelle Neuausrichtung anführen muss: "Die Antwort kann nur Markus Söder lauten."

Söder, Söder, Söder. Florian Keil, Thomas Pardeller und Maximilian Böltl sind sich einig, wer es an der Spitze der Partei machen soll. Mehr noch: Die drei setzen darauf, dass "Partei und Land in einer Hand liegen", wie es der Neubiberger Pardeller ausdrückt. "Aber es muss ein geordneter Übergang sein. Diese Chance müssen wir Horst Seehofer geben", schränkt Böltl ein und begründet dies auch: "Die Bundestagswahl 2017 war furchtbar. Aber wir dürfen nicht vergessen, dass es Horst Seehofer war, der uns 2013 die absolute Mehrheit zurückgeholt hat."

Das entspricht in etwa auch der offiziellen Linie des JU-Kreisverbands: "Schnelle Einigung (noch 2017) bei den Personalie." Es gehe um Einigkeit, darum geschlossen an einem Strang zu ziehen, um einen respektvollen Umgang miteinander - an der Parteispitze und an der Basis. So formuliert es JU-Chefin Nicola Gehringer. Ihr Stellvertreter Pardeller geht weiter: "Wir haben viel Glaubwürdigkeit verloren, das hat Horst Seehofer zu verantworten." Die CSU könne in Berlin nicht immer wieder "rote Linien" ziehen und dann nichts durchsetzen: "Das verstehen die Wähler nicht mehr."

"Es geht nicht darum, wer sympathischer ist."

Dieser Eindruck dürfe sich jetzt bei den Sondierungen für Jamaika in Berlin nicht wiederholen. Die Verhandlungsführer Alexander Dobrindt und Andreas Scheuer sollten "manchmal rhetorisch etwas abbauen und zur Kenntnis nehmen, dass bisher die Grünen Kompromissbereitschaft gezeigt haben", fordert JU-Mann Keil. In Umweltfragen, ergänzt Böltl, dürfe keine neue Flanke aufgemacht werden: "Die Bewahrung der Schöpfung gehört zu unseren konservativen Merkmalen." Als Beispiel nennt er den Flächenverbrauch.

Bleibt die Frage, was der ranghöchste CSUler aus dem Kreis zu alledem sagt. Nicht viel. Florian Hahn, der Bundestagsabgeordnete aus Putzbrunn, steckt tief in den Sondierungen über eine Jamaika-Koalition in Berlin. "Erst mal müssen wir klären, wie das Land regiert wird. Dann kümmern wir uns um die Partei und die Frage, wie wir uns für die Landtagswahl aufstellen", sagt der CSU-Kreischef am Freitagmittag, hörbar müde und erschöpft, nachdem er um halb fünf in der Früh die Verhandlungen in Berlin verlassen hat. Wichtig ist laut Hahn, dass die CSU zukunftsfähig bleibt, auch personell. "Auch in einer Zeit nach Horst Seehofer."

An der Spitze, so Hahn, brauche es eine "starke Persönlichkeit, gerade aus dem Blickwinkel des so erfolgreichen Landkreises München". Dabei gehe es nicht darum, wer sympathischer sei. "Wir müssen uns fragen: Wer ein Garant ist für eine erfolgreiche Zukunft." Hahn weiter: Wenn man mich fragt, ob das Markus Söder sein kann, dann sage ich ja, ich halte ihn für geeignet."

© SZ vom 18.11.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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