Feuerwehr:Rettungskräfte werden immer häufiger angegriffen

Lesezeit: 3 min

  • In Oberhaching ist eine junge Feuerwehrfrau von einem ungeduldigen Autofahrer gerammt worden.
  • Immer wieder werden Rettungskräfte beschimpft oder angepöbelt, mitunter kommt es sogar zu Handgreiflichkeiten und Verletzungen.
  • Dass die Gesamtzahl der Straftaten gegen Rettungskräfte bayernweit zugenommen hat, bestätigt auch Innenminister Herrmann.

Von Iris Hilberth, Oberhaching

Pöbeln, schimpfen, beleidigen. Rettungskräfte sind immer häufiger uneinsichtigen und aggressiven Autofahrern oder Passanten ausgesetzt, mitunter kommt es sogar zu Handgreiflichkeiten und Verletzungen. Auch aus dem Landkreis sind solche Ereignisse bekannt, wenngleich Kreisbrandrat Josef Vielhuber noch von Einzelfällen spricht, eine Tendenz nach oben aber bestätigen kann. Vor kurzem hat sich in Oberhaching gerade wieder ein besonders dreister Fall zugetragen, bei dem eine junge Feuerwehrfrau verletzt wurde.

Dabei war der Grund des Einsatzes der örtlichen Freiwilligen Feuerwehr eigentlich einer, über den man sich freuen kann. Denn was war das doch für eine Gaudi, als die Oberhachinger Burschen ihren Maibaum einholten und durch den Ort zu seinem Liegeplatz an der Wachhütte brachten. Man kann mit Sicherheit behaupten, dass hier wohl das längste Pferdefuhrwerk Oberhachings der nächsten fünf Jahre unterwegs war, mitsamt der Burschen und Madln.

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Dass ein solches Fahrzeug sich nicht einfach in den fließenden Samstags-Verkehr der Gemeinde einordnen kann, versteht sich von selbst. Also half die Freiwillige Feuerwehr und sperrte ab, solange der Maibaum auf großer Fahrt war. Ein ganz normaler Vorgang.

Nur sah das offenbar nicht jeder in Oberhaching so. Die Feuerwehr berichtet jetzt von einem Vorfall, durch den sie sich in ihrer Einschätzung bestätigt sieht, dass Einsatzkräfte immer häufiger beschimpft, angepöbelt, beleidigt und beinahe umgefahren werden. Eine junge Feuerwehrfrau hatte während des Maibaumtransports die Kybergstraße abgesperrt und bekam es dort mit einem Autofahrer zu tun, der nicht einsehen wollte, dass dort gerade kein Durchkommen ist.

Der Autofahrer soll geschimpft haben, er habe es eilig und wolle trotz Absperrung durchfahren. Als die Feuerwehrfrau ihn höflich darauf hingewiesen habe, dass dies nicht möglich sei und darum bat, zu warten, "hat er Halteruf und Signalkelle der offiziellen Absperrposten missachtet und ist ohne Vorwarnung einfach losgefahren", so die Feuerwehr.

Gleich zweimal habe er die Feuerwehrfrau angefahren. Die habe großes Glück gehabt und habe lediglich ein paar Blutergüsse davongetragen. "Leider hat in dem Tumult keiner den Autofahrer angehalten. Er ist einfach weitergefahren", berichtet Kommandant Andreas Schwankl.

Gleichwohl habe man ihn aber angezeigt. Schwankl hofft, dass das fruchten werde. "Solche Sachen passieren öfter", sagt er, und die Vorfälle hätten auch mit den Jahren zugenommen. Immer wieder gebe es während der Einsätze renitente Autofahrer, die nörgelten, dass sie keine Zeit oder einen Termin hätten, insbesondere dann, wenn Straßen abgesperrt werden müssten.

Rechtlich gesehen dürften die Feuerwehrleute, wenn sie von Gemeinde und Polizei diese Aufgabe übertragen bekommen, Straßen absperren, betont die Feuerwehr Oberhaching. Verkehrsabsperrungen bei Prozessionen, Umzügen oder Radrennen seien freiwillige Leistungen, die Feuerwehr könnte das ablehnen. "Solche Szenen wie am 4. März machen uns sehr betroffen, da man als Einsatzkraft das Gefühl hat, nichts mehr zu bedeuten", schreibt die Feuerwehr auf der Facebook-Seite des Bürgerforums Oberhaching.

Tatsächlich hat die Gesamtzahl der Straftaten gegen Rettungskräfte bayernweit zugenommen. Innenminister Joachim Herrmann meldete im vergangenen Mai einen Anstieg von 2014 auf 2015 bei Gewalt gegen Polizisten um 3,1 Prozent auf 6919 Fälle; gegen Rettungskräfte um sieben Prozent auf 198 Fälle. "So drastisch stellt sich das für uns nicht dar", sagt Detlef Hüttner von der Polizeiinspektion 31 in Unterhaching.

Beschimpfungen und Pöbeleien würden eigentlich nur unter Alkoholeinfluss vorkommen. "Meist kommen die Leute dann am nächsten Tag in die Dienststelle, wenn sie wieder nüchtern sind, und entschuldigen sich", sagt er. Gleichwohl kann er sich vorstellen, das die Autofahrer unterschieden, ob die Polizei oder die Freiwillige Feuerwehr die Straße absperre.

Dass auch Rettungssanitäter mitunter blöd angeredet werden, kann Matteo Dolce aus Taufkirchen bestätigen, der für die Malteser im Rettungswagen unterwegs ist. Das Fahrzeug hatte sein Team in der Eile des Einsatzes in einer Einfahrt abgestellt, woraufhin ein Bewohner schimpfte, sie sollten doch woanders parken, zumal der Einsatz im Nachbarhaus stattfand. Dem habe Dolce dann gesagt, es solle mal darüber nachdenken, wie es sei, wenn er mal einen Herzinfarkt habe. Solche Vorfälle gebe es zwar immer wieder, sagt er, und man versuche deeskalierend zu reagieren. Insgesamt aber überwiege die Hilfsbereitschaft der Leute, "die subjektive Empfindung, dass es immer schlimmer wird, kann ich selbst nicht teilen".

Auch Kreisbrandrat Vielhuber weiß nur von Einzelfällen. Situationen wie etwa an Silvester in Augsburg, als ein Feuerwehrmann mit Feuerwerkskörpern beschossen wurde, seien ihm aus dem Landkreis München nicht bekannt. "Aber dass Straßensperren missachtet werden, gebe schon immer wieder. "Da lassen Autofahrer dann ihre Wut und ihr Unverständnis an denen aus, die nur ihre Aufgabe erfüllen." Das sei "so nicht hinnehmbar".

© SZ vom 08.03.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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