Landgericht München:Kreissägen-Prozess: Eine skurrile Tötung, aber nicht grausam

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Gabi P. wurde vom Landgericht München zu zwölfeinhalb Jahren Haft verurteilt. (Foto: dpa)
  • Gabi P. steht vor Gericht, weil sie ihren gefesselten Freund beim Sexspiel mit einer Handkreissäge umgebracht haben soll.
  • Dass das Landgericht München I sie nun wegen Totschlags und nicht wegen Mordes verurteilt, überrascht Staatsanwaltschaft und die Eltern des Opfers.
  • Laut dem Gericht erfülle die Tat weder das Mordmerkmal der Heimtücke, noch der Grausamkeit.

Aus dem Gericht von Susi Wimmer

Birgit Schwerdt ist eine sehr zierliche Person, geschmackvoll gekleidet mit gemustertem Kleid und Perlenkette, darüber die schwarze Robe. Die Rechtsanwältin war als Pflichtverteidigerin zu drei großen Mordprozessen bestellt worden, die zufälligerweise alle in den ersten Monaten diesen Jahres verhandelt wurden. Sie plädierte immer sehr ausführlich und schaffte es tatsächlich, dass alle ihre Mandanten einer lebenslangen Freiheitsstrafe entgingen und lediglich wegen Totschlags verurteilt wurden. Ihr jüngster Coup am Freitag sorgte sogar in Justizkreisen für Furore: Gabi P., die ihren gefesselten Freund beim Sexspiel mit einer Kreissäge getötet hatte, wurde nicht wegen Mordes verurteilt, sondern muss wegen Totschlags eine Haftstrafe von zwölfeinhalb Jahren verbüßen.

Schon eine Dreiviertelstunde vor Prozessbeginn sammeln sich Zuschauer und Medien vor Saal B 175 am Landgericht München. Wie schon zum Prozessauftakt steht die leibliche Mutter des Opfers im Mittelpunkt der Medien, sie gibt Interviews und tut kund, ein Buch schreiben zu wollen. Sie hatte Alexander H. im Babyalter zur Adoption freigegeben. Die Adoptiveltern treten im Prozess als Nebenkläger auf und auch am Tag der Urteilsverkündung weist der Adoptivvater Fotografen und Kameraleute zurecht, dass man keine Bilder wolle.

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Eine Frau sägt ihrem Freund mit einer Kreissäge den Kopf ab, heute wurde sie für ihre grausame Tat verurteilt. Dabei sagt man doch immer, Männer töten oft und mit viel Gewalt, Frauen selten, und wenn, dann leise mit Gift. Stimmt das also nicht?

Von Felix Hütten

Die Adoptivmutter, die während des Prozesses trotz ihrer Gefasstheit zuweilen weinte, wirkt nach der Urteilsverkündung gelöst. Sie spüre keine Rache oder Hass gegen Gabi P., sagt sie. Sie könne mit dem Urteil leben, es sei nur darum gegangen, ihren Sohn, der im Prozess zum Teil als Sexmonster dargestellt wurde, zu rehabilitieren. Der Richter hatte kurz zuvor in seiner Urteilsbegründung angeführt, dass Vieles im Dunkeln geblieben sei, und indirekt der Hoffnung Ausdruck gegeben, dass Gabi P. den Eltern nach der Verhandlung doch noch Erklärungen liefern könne.

Obwohl das Opfer gefesselt war, eine Schwimmbrille trug und somit nichts sehen konnte, sah die erste große Strafkammer das Mordmerkmal der Heimtücke als nicht erfüllt an. Das Opfer sei arglos und auch wehrlos gewesen, sagte der Vorsitzende Richter Michael Höhne. Allerdings führte er ein Urteil aus dem Jahr 2007 an, in dem begründet wurde, dass das Opfer aufgrund seiner Arglosigkeit wehrlos sein müsse. Es müsse also einen Kausalzusammenhang geben. Wenn sich das Opfer selbst verteidigungsunfähig machen lässt, liege der Fall anders. Sprich: "Hat Gabi P. ihren Freund bewusst in einen Hinterhalt gelockt, oder nutzte sie seine Hilflosigkeit aus?" Das Gericht war der Meinung, dass es nicht nachweisbar sei, dass die Frau ihren Freund töten wollte und ihn deshalb fesselte. Viel mehr sei sie seinem Wunsch nach Fesselung gefolgt und habe noch nicht in Tötungsabsicht gehandelt.

Höhne führte weiter aus, dass auch keine sonstigen niedrigen Beweggründe vorliegen würden. Zwar gebe es "kein griffiges Tatmotiv", doch sei eine Unzufriedenheit in der Beziehung nachvollziehbar, so das Gericht, trotzdem sei die Tötung natürlich sittlich verwerflich. Auch das Mordmerkmal der Grausamkeit verneinte die Strafkammer. Grausam tötet, wer dem Opfer besondere Schmerzen oder Qualen zufügt. Die Tötung mit einer Kreissäge sei schon sehr "skurril und bizarr", sagte Höhne, aber nicht grausam. Das Opfer sei binnen weniger Sekunden bewusstlos, beziehungsweise tot gewesen.

Anne Leiding, die neue Pressesprecherin der Staatsanwaltschaft, sprach von einem "verblüffenden Urteil". Die Staatsanwaltschaft werde die rechtliche Argumentation prüfen. Nebenklage-Anwalt Eckhart Müller und kündigte an, voraussichtlich keine Revision einzulegen. "Mit Gewalt eine lebenslange Freiheitsstrafe für Gabi P. zu erzwingen, das war den Eltern des Opfers nicht wichtig."

© SZ vom 20.05.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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