Kunst:Vertikales im Schleudergang

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Münchner Architektur muss nicht fad sein. In den Fotografien von Inge Donzey werden bekannte Bauten zu schwindelerregend schönen Gebilden

Von Renate Winkler-Schlang

Das Hochhaus der Süddeutschen Zeitung wird zu einer Art grafischer Erdbeere, aus der anstelle des Stängels ein Baum wächst. Oder zu einer blauweißen Spirale, die in der Luft tanzt. Das Pharao-Haus in Oberföhring zwischen der Effnerstraße und der Cosimastraße windet sich um seine eigene Achse. Bekanntes wirkt unbekannt. Das Brandhorst-Museum schwebt davon wie eine Qualle in der Tiefsee, verwandelt sich mal in einen attraktiven Vogel, dann wieder in einen Turm. Und die Ten Towers hinterm Ostbahnhof starten auf einen Weltraumflug, wirken verzerrt wie im Kaleidoskop.

Diese fantastischen Bilder sind das Werk einer sehr bodenständigen Bogenhauser Künstlerin. Inge Donzey, bald 65 Jahre alt, hat 45 Jahre bei der Firma Siemens im Vertrieb gearbeitet. Sie hatte dort viel mit Technik und Computern zu tun. Erst seit sie in Ruhestand ist, kann sich Donzey wieder einer Leidenschaft widmen, die sie früher schon gefesselt hat: der Architekturfotografie. Vor Jahrzehnten hatte sie schon eine kleine Ausstellung mit Fotos, die sie auf Friedhöfen aufgenommen hat, und eigenen, dazu passenden Gedichten. Doch dann ließ der Beruf ihr keine Zeit mehr für die Kunst. Das änderte sich erst wieder vor drei Jahren, am Ende der Berufsphase. Sie besann sich auf ihre Digitalkamera und zog wieder auf Foto-Pirsch, auf der Suche nach schönen Gebäuden und ausgefallenen Perspektiven. Menschen, so sagt sie, kämen als Motiv für sie nicht infrage. Sie habe dabei zu schnell das Gefühl, ihnen zu nahe zu rücken, ihre Intimsphäre zu verletzen.

Die Bilder von Bauten bearbeitete Inge Donzey - losgelöst vom beruflichen Zeitkorsett - in vielen kreativen Nächten auf ihrem heimischen Computer - "ein Gerät für den Haugebrauch" - mit dem Programm Photoshop Elements. Eigentlich sei dies dazu gedacht, bei einem mit dem Weitwinkelobjektiv aufgenommenen Architekturfoto etwa die Linien geradezuziehen, erzählt sie: "Es ist nicht dafür gemacht, was ich mache." Inge Donzey aber reicht das Programm aus, sie spielt am Rechner, lässt ihrer Fantasie freien Lauf, probiert so lange, bis das Ergebnis sie zufriedenstellt, fügt auch mal einen roten Punkt ein oder ein schwarzes Auge - mehr jedoch nicht.

Die Menge der Möglichkeiten sei unendlich, sagt sie. Manchmal dränge sich ein Dreh im Bild geradezu auf, manches Mal erweise sich ein auf den ersten Blick vielversprechendes Foto aber auch als resistent gegen die gewünschten Effekte. "Man kann es vorher nicht sagen", erklärt die Fotografin.

Irgendwann hatte Inge Donzey Lust, diesen gestalterischen "Privatspaß" und seine überraschenden Ergebnisse mit anderen zu teilen, suchte eine Chance, auszustellen - und fand sie im Alten- und Servicezentrum Berg am Laim an der Berg-am-Laim-Straße 141. Dort sind ihre "gefakten", bearbeiteten Motive, ihre "fantastischen Verwandlungen" bis Ende Juni zu den üblichen Öffnungszeiten zu bestaunen: in der Regel Montag bis Freitag 9 bis 12 Uhr, Montag, Dienstag und Donnerstag 14 bis 16 Uhr. Einige der Bilder hängen auch im Saal. Um sicher zu sein, dass keine Gruppe ihn besetzt hat, ist es sinnvoll, vorher unter der Telefonnummer 43 43 13 im ASZ anzurufen.

© SZ vom 07.04.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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