Kommunalwahl in München:Rechenspiele im Rathaus

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Muss sich etwas überlegen, wenn er Oberbürgermeister wird: Dieter Reiter am Wahlabend. (Foto: Alessandra Schellnegger)

Die rot-grün-rosa Koalition hat im Münchner Rathaus womöglich keine Mehrheit mehr, will aber an der Macht bleiben. Dafür braucht sie einen weiteren Partner. Wer dafür in Frage kommt.

Von Thierry Backes

Es sieht gut aus für Dieter Reiter, als er sich am Sonntag gegen 19 Uhr zum ersten Mal vor die Presse traut. Der Kandidat der SPD hat seinen CSU-Kontrahenten Josef Schmid bei der Münchner OB-Wahl hinter sich gelassen und lässt sich mit Sabine Nallinger ablichten, die für die Grünen ein beachtliches Ergebnis eingefahren hat - und nun seine wichtigste Koalitionspartnerin werden könnte. Dieter Reiter steht also da und möchte ein paar Worte loswerden über sein Ergebnis und die Zukunft von Rot-Grün im Münchner Rathaus, als ihn sein eigener Parteichef Hans-Ulrich Pfaffmann vor Journalisten zurückpfeift. Nein, bitte, keine weiteren Statements.

Zu dem Zeitpunkt ist schon absehbar, was sich am späteren Abend verdeutlichen wird: Die bisherige Rathausmehrheit aus SPD, Grünen und Rosa Liste könnte im neuen Stadtrat keine Mehrheit mehr haben. Ein Blick auf die bisher veröffentlichten Ergebnisse zeigt: Die SPD ist mit 31,4 Prozent (minus 8,3) weit hinter die CSU (35,2 Prozent, plus 7,5) gerutscht. Bleibt es dabei, würden die Christsozialen mit 28 Sitzen die stärkste Fraktion im Münchner Rathaus bilden.

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Das hieße aber auch: SPD (25 Sitze), Grüne (12) und Rosa Liste (1) könnten ohne weiteren Partner auch dann nicht regieren, wenn Dieter Reiter bei der Stichwahl Oberbürgermeister wird und damit den letzten Sitz im Stadtrat erhält. Denn für eine Mehrheit braucht es in München 41 Sitze; SPD, Grüne und Rosa Lisa kämen aber nur auf 38 (oder 39 mit OB Reiter).

SPD-Chef Pfaffmann hofft nun auf die noch nicht ausgezählten Stimmzettel der Wähler, die kumuliert und panaschiert haben, sprich: Stimmen innerhalb einer Liste addiert oder über mehrere Parteien verteilt haben. Traditionell, sagt er, profitiere die SPD davon. Das endgültige Ergebnis soll am Montagabend feststehen, doch eine Frage stellt sich schon jetzt: Wen will die SPD zusätzlich ins Boot holen, wenn sie weiterregieren will - und vor allem: Wer wäre bereit, in diese bunte Koalition einzusteigen?

Möglich, aber unwahrscheinlich: ein Bündnis mit der AfD

Dieter Reiter hat sich bei einer Pressekonferenz am Montag erstmals zu der Thematik geäußert. Er wolle Gespräche "mit allen demokratischen Parteien führen", sagte er, viel mehr aber auch nicht. Die Grünen haben ihn zu einem Treffen am Donnerstag eingeladen, die nehme er "sehr gern" an. Und: "Ich hätte nichts gegen eine Wahlempfehlung (bei der Stichwahl)."

In Frage für eine Koalition mit Rot-Grün kommen etwa die FDP, die Linke oder die ÖDP, die, und das muss man noch einmal betonen, nach dem derzeitigen Stand der Auszählung, jeweils zwei Sitze im Rathaus erhalten würden. In Frage käme auch ein Bündnis mit Piraten und der Wählergruppe Hut (jeweils 1 Sitz). Rechnerisch möglich, aber unwahrscheinlich, wäre auch eine Koalition mit der AfD (2) oder den Freien Wählern (2).

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Mit Letzteren wollten SPD und Grüne schon mal auf Landesebene regieren. Doch aus dem Plan wurde nichts bei der Landtagswahl im vergangenen Herbst; er scheiterte an Hubert Aiwanger und den Freien Wählern, die sich nie zu einem möglichen Bündnis bekannten - und so am Ende der CSU in die Hände spielten. Das sind wohl nicht die besten Voraussetzungen für eine Koalition in München, mal ganz abgesehen von inhaltlichen Differenzen.

Option Nummer eins für Rot-Grün-Rosa wäre wohl: tiefrot. Auf Bundesebene schließt die SPD eine Zusammenarbeit mit der Linken aus, in München ist das durchaus denkbar, zumindest in der Theorie. Spitzenkandidatin Brigitte Wolf sagt, es wäre jetzt aber noch "viel zu früh, darüber zu diskutieren". Eines aber sei aus ihrer Perspektive sicher: "Wir werden ganz bestimmt nicht mit der CSU in ein Bündnis gehen."

Michael Mattar von der FDP sagt, die Frage nach einem möglichen Jamaika-Bündnis stelle sich derzeit noch nicht. "Und es ist nicht an uns, die wir die Wahl verloren haben, Gespräche anzubieten." Die Piraten halten sich vorerst auch bedeckt, solange die Ergebnisse nicht auf dem Tisch liegen. Aber: "Theoretisch denkbar" sei ein Bündnis durchaus, sagt Pressesprecherin Lilian Dorsch.

Etwas offener zeigt sich Tobias Ruff von der ÖDP. Er sagt: "Wir sind eine Partei der Mitte, ich will kein Bündnis ausschließen, sehe aber sehr große inhaltliche Hürden." In den vergangenen Jahren seien die Anträge seiner Partei von Rot-Grün immer wieder abgelehnt worden. In einem Bündnis müsse die Handschrift der ÖDP klar erkennbar sein, fordert Ruff, die Stadt müsse etwa "für einen effektiven Klimaschutz eintreten, aus der Kohle aussteigen und das Dogma der autogerechten Stadt aufgeben zugunsten der Idee einer rad- und fußgängergerechten Stadt".

Wolfgang Zeilnhofer-Rath von der Wählergruppe Hut hat schon am Sonntagabend gesagt, dass er eine Wahlempfehlung für die OB-Stichwahl nicht abgeben wolle: "Für mich persönlich wäre Josef Schmid der Bessere, ich schätze ihn sehr. Aber er ist bei der falschen Partei." Der SPD-Mann Dieter Reiter komme aus der Verwaltung und zeige wenig Persönlichkeit, findet der Hut-Spitzenkandidat. Für ihn sei ohnehin etwas anderes wichtig: "Am schönsten ist doch, dass die Mieter jetzt eine Stimme im Stadtrat haben."

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Bleibt eine letzte Option: eine große Koalition. Ins Spiel gebracht hat die am Montag Peter Gauweiler: "Ich bin immer für eine große Koalition im Münchner Rathaus gewesen. Insofern bin ich altmodisch", sagte der Grandseigneur der Münchner CSU. Die Option Schwarz-Grün, für die sowohl Josef Schmid als auch Horst Seehofer getrommelt haben, sei "charmant", und man solle ein solches Bündnis nicht "ausschließen". Gauweiler wäre Schwarz-Rot aber lieber - mit einem Oberbürgermeister Josef Schmid, versteht sich.

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