Kommunalwahl in München:Eine Chance für die Liebe

20 Jahre Rot-Grün im Münchner Rathaus, 2010.

Rot-grüne Koninuität: Bürgermeister Hep Monatzeder (Grüne, l.) und Oberbürgermeister Christian Ude (SPD) 2010 bei der Feier zum 20-jährigen Bestehen des rot-grünen Bündnisses im Münchner Rathaus.

(Foto: sz.sonstige)

Eine Zweckehe war die rot-grüne Koalition in München schon immer. Nach 25 Jahren gehen sich SPD und Grüne im Rathaus auch mal gehörig auf die Nerven - doch den Sozialdemokraten liegt viel an einer Fortsetzung des Bündnisses. Auch, weil die Ökopartei der CSU keinen Korb geben mag.

Von Dominik Hutter und Silke Lode

Als die Tinte trocken war, bestand Konsens im Dissens: Einige politische Fragen, so steht es explizit im Koalitionsvertrag von 2008, müssen leider offen bleiben - die dritte Startbahn zählte dazu oder auch der Ausbau des Föhringer Rings. Verkehr mal wieder, die Achillesferse des rot-grünen Rathausbündnisses. Das war auch so bei sämtlichen Debatten um Tempo 30, beim zweiten S-Bahn-Tunnel und aktuell wieder im Streit um Radwege in der Rosenheimer Straße.

Die Grünen attestieren ihrem Koalitionspartner dann gerne Mutlosigkeit und das Festhalten an einer antiquierten Pro-Auto-Politik. Die SPD kontert mit dem Vorwurf grüner Realitätsverweigerung. Im Zusammenhang mit der dritten Startbahn warf der einstige Landtags-Spitzenkandidat Christian Ude den langjährigen Verbündeten sogar vor, ihre Haltung zu Großprojekten habe Züge eines Religionskriegs.

Es ist nicht zu übersehen: SPD und Grüne, seit fast 25 Jahren im Rathaus aneinandergekettet, gehen sich manchmal gehörig auf die Nerven. Das kommt bekanntlich auch in privaten Beziehungen vor, die so gerne als Vergleich mit politischen Bündnissen herangezogen werden. Allerdings hat es bei SPD und Grünen die Phase bedingungsloser Verliebtheit nie gegeben. Die Zusammenarbeit war immer als Zweckehe angelegt. Erst neuerdings, seitdem die CSU schwarz-grüne Träume pflegt, dringen Bekenntnisse zum gemeinsamen Wertekanon durch. Liberale Stadtgesellschaft, Offenheit gegenüber anderen Lebensformen, Ja zur Verantwortung für sozial Schwache - bei diesen Grundprinzipien stehen SPD und Grüne treu Seite an Seite. Und das rot-grüne Bündnis arbeitet ja auch unverdrossen weiter. Wichtige gemeinsame Beschlüsse wurden in jüngster Zeit gefällt, etwa über den Unter-Wert-Verkauf städtischer Grundstücke an Genossenschaften oder auch in puncto Kinderbetreuung. Rot-Grün funktioniert im Großen und Ganzen, das steht außer Frage.

Ein Sturmtief namens Alexander Reissl

Allerdings wird das Koalitionsklima immer wieder durch Tiefausläufer, ja sogar Sturmtiefs gestört, die ihren Ursprung oftmals im Büro des SPD-Fraktionsvorsitzenden haben. Alexander Reissl gilt nicht gerade als ausgewiesener Freund der Grünen, die er schon mal in aller Öffentlichkeit als "deppert" bezeichnet. Koalitionen, daraus macht er keinen Hehl, seien nur ein "notwendiges Übel". Der ebenso sachkundige wie robuste Fraktionschef verbreitet gerne Furcht und Schrecken beim kleinen Koalitionspartner.

Kurz nach Fukushima und auch nach dem Wahlsieg in Baden-Württemberg schwebten die Grünen auf Wolke sieben - was sie die SPD auch deutlich spüren ließ. Solche Ausflüge in Aufmüpfigkeit und Arroganz hat die SPD nie vergessen. Reissl ist aber auch Profi genug, rechtzeitig vor einem Eklat mit dem Sticheln wieder aufzuhören. Der überzeugte Pragmatiker macht sich keine Illusionen über absolute SPD-Mehrheiten.

Immer öfter ist die Schlechtwetterküche aber auch ein paar Meter über den Gang zu verorten - in den grünen Fraktionsräumen. Dort bemüht sich OB-Kandidatin Sabine Nallinger, Schwachpunkte der rot-grünen Politik anzuprangern. Um anschließend Lösungsrezepte für die Zeit nach der Wahl vorzustellen. Solche Aussagen werden bei den Sozialdemokraten als Nestbeschmutzung gewertet. Zumal die Wahlkämpferin Nallinger der um Zusammenarbeit buhlenden CSU nie wirklich einen Korb gegeben hat. Ja gesagt hat sie allerdings auch nicht.

Wie es mit SPD und Grünen nach der Kommunalwahl weitergeht, hängt nicht nur vom Wähler ab. Das Klima in Koalitionen wird sehr stark von einzelnen Persönlichkeiten bestimmt. Viele davon sind in den vergangenen Monaten von Bord gegangen, andere treten demnächst ab. Christian Ude in erster Linie, den der langjährige Grünen-Fraktionschef Siegfried Benker gerne als "guten Mediator" bezeichnete.

Erstaunliche personelle Kontinuität - auf beiden Seiten

Der Oberbürgermeister pflegt ein freundschaftliches und vertrauensvolles Verhältnis zu seinem langjährigen Mitstreiter Hep Monatzeder, dem Ober-Realo und Ex-Sozi. Solcherlei Bande sind von großer Bedeutung. Ude wie auch Monatzeder werden Ende April ihre Bürgermeisterbüros räumen. Und damit den mit diesen Ämtern verbundenen Einfluss verlieren. Götterdämmerung am Marienplatz.

Das wird nicht ohne Konsequenzen für das rot-grüne Klima bleiben. Denn das Bündnis war bisher von erstaunlicher personeller Kontinuität geprägt. Sowohl SPD als auch Grüne haben seit Udes Amtsantritt 1993 nur ein einziges Mal ihre Bürgermeister ausgetauscht: 1996 folgte Monatzeder auf Sabine Csampai, 2006 Christine Strobl auf Gertraud Burkert. Auch Benker war stolze 16 Jahre grüner Fraktionschef, bevor er 2012 ins Chefbüro der städtischen Altenheime wechselte. Unter der Regie des einstigen Hausbesetzers Benkers (dessen Mitstreiterin Lydia Dietrich bei der Neuwahl des Vorstands gleich mitentsorgt wurde) waren die Grünen auf vergleichsweise kuscheligem Pragmatiker-Kurs unterwegs: Es gab Olympia-Fans ebenso wie Befürworter des zweiten S-Bahn-Tunnels. Inzwischen, nach dem Austausch ihres Führungspersonals, sind die Grünen für die SPD ein schwierigerer Partner geworden.

Bei den Sozialdemokraten stehen die großen personellen Veränderungen erst nach der Wahl an. Bislang ist unklar, wie gut OB-Kandidat Dieter Reiter mit Sabine Nallinger kann. Außerdem gibt es keine etablierte Rathaus-Partei, die so viele Neulinge auf ihrer Stadtratsliste hat wie die SPD. Da werden viele erst ein Verhältnis zu den Grünen finden müssen. Das dann, sollte es überhaupt für eine Mehrheit reichen, zumindest eines ist: unbelastet.

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