Kolumne NullAchtNeun:Panische Platz-Angst

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Die Suche nach dem Kita-Platz ist erst der Anfang im Familienkosmos. Es folgen der Kampf um Kindergartenplätze und Ballettstunden. (Foto: picture alliance / dpa)

Krippenplatz-Such-Geschichten kennt jeder. Nicht jeder weiß aber, dass es im Familienkosmos immer so weiter geht. Über Hort-Einschleim- und Ballettschulen-Bestech-Geschichten.

Eine Kolumne von Vera Schroeder

Krippenplatz-Such-Geschichten sind ja wie Geschichten von der Deutschen Telekom oder Geschichten davon, wie man mal versucht hat, den Internetanbieter zu wechseln: Was einen wochenlang beschäftigt und zur Weißglut bringt, ist für den Zuhörer nur langweilig. Jeder weiß, dass Krippenplätze rar sind und dass man sich tausendmal vorstellen und am besten Kuchen backen und immer nett sein muss. Weniger bekannt ist, dass es im Familienkosmos immer so weitergeht. Den Krippenplatz-Such-Geschichten folgen Kindergartenplatz-Anbettel-Geschichten, dann Hort-Einschleim-Geschichten und Fußballverein-Hineinmogel-Anekdoten oder Ballettschulen-Bestech-Gerüchte. Alles ist voll, nirgends gibt es einfach so Plätze. Und seit Neuestem gibt es jetzt auch Geburtsbetreuungs-Notfall-Storys. Viel zu wenige Hebammen, sparende Kliniken und ein Geburtshaus, das händeringend nach einer neuen Bleibe sucht: Eltern in München dürfen bereits panische Platz-Angst bekommen, bevor das Kind überhaupt auf der Welt ist.

Bürokratie in Kitas
:18 000 Stunden für die Verwaltung

Formulare, Anträge, Berichte: Das Personal in den bayerischen Kitas ist mit einer Fülle von Verwaltungsaufgaben beschäftigt. Besonders hart trifft es einen Kindergarten in München.

Von Melanie Staudinger

Etwa dreißig Hebammen muss eine Frau in der achten Schwangerschaftswoche im Moment anrufen, um eine Nachsorgehebamme für ihre Geburt im November zu bekommen. Wer das nicht weiß und sich erst mit gesicherter Schwangerschaft etwa im vierten Monat darum kümmert, wählt sich die Finger wund. Weil die Versicherungen für Hebammen so teuer geworden sind, werden es immer weniger - und die Kinder werden immer mehr. In Münchner Kliniken sind zahlreiche Stellen unbesetzt. Schon jetzt gibt es Frauen, die hochschwanger mit Wehen zur Geburt in die Klinik kommen, in der sie sich ordnungsgemäß angemeldet haben - aber dort keinen Platz zum Gebären bekommen. Frauen, die während der Geburt mit dem Mann zurück ins Auto gesetzt und in die nächste Klinik weitergeschickt werden, auf der Suche nach einem freien Kreißsaal.

Was passieren muss? Ganz sicher darf nicht so lange gewartet werden, bis wirklich was passiert. Und dann gilt, was für alle anderen Überfüllungs- und Platznotprobleme dieser Stadt auch gilt: Es muss endlich akzeptiert werden, dass die vielen Menschen nicht einfach so verschwinden. Und dass die Sparerei in diesen Bereichen ein Wahnsinn ist. Die Stadt muss sich um Hebammen genauso wie um Erzieher bemühen, mit attraktiveren Arbeitsbedingungen, vergünstigtem Wohnraum und anderen Extras. Sonst könnte der ein oder andere Geburtsbericht bald eine Alptraumgeschichte werden.

© SZ vom 11.04.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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