Kinderbetreuung:Was Tagesmütter und -väter zur Kinderbetreuung beitragen

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Wenn das Wetter es zulässt, schnappt sich Tagesmutter Elfi Bonilla Vega Puppen und Buggys und geht mit ihren Kindern raus auf den Spielplatz. (Foto: Catherina Hess)
  • Im Dezember 2016 gab es in München mehr als 400 sogenannte Tagesbetreuungspersonen wie Elfi Bonilla Vega.
  • Tagesmütter oder -väter dürfen maximal fünf Kinder gleichzeitig betreuen. In München werden etwa 1700 Kinder auf diese Weise betreut.

Von Kerstin Kerscher

Poldi freut sich besonders über Besuch: Aufgeregt verlässt der Yorkshire Terrier seinen Aussichtspunkt zwischen den Orchideen auf der Fensterbank, lässt sich streicheln, wedelt mit dem Schwanz. "Das ist unser Tagespflegehund", sagt Elfi Bonilla Vega, "er liebt die Kinder. Und sie lernen mit ihm, wie man respektvoll mit Tieren umgeht. Er ist nett zu ihnen, sie sind nett zu ihm."

Seit 22 Jahren kümmert sich Elfi Bonilla Vega als Tagesmutter um ein- bis dreijährige Kinder. Dass sie einen liebevollen Umgang untereinander, mit der Natur und Tieren lernen, ist ihr besonders wichtig. Montags bis donnerstags kommen normalerweise vier Mädchen und Jungen in ihre Wohnung im Stadtteil Fasangarten am Perlacher Forst. Gemeinsam mit Poldi und ihrem Lebensgefährten wohnt die 60-Jährige im Hochparterre eines orangefarbenen Mehrfamilienhauses, ihre beiden Kinder sind schon erwachsen und ausgezogen.

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Trotzdem dominieren auf den 89 Quadratmetern Kindersachen: Kuscheltiere und Spielzeugautos türmen sich in Kisten, vor dem Fenster im Wohnzimmer steht eine Schultafel, an der Garderobe hängen kleine, rosafarbene Anoraks. Vom Balkon geht der Blick in den Garten, dort steht ein buntes Spielhäuschen. Im Wohnzimmer läuft eine CD, die Abenteuer von Rabe Socke. Die hat sich die zweijährige Emma an diesem Dienstagmorgen gewünscht. Jetzt sitzt sie auf der großen Ledercouch, kuschelt mit einem riesigen Teddybär und lauscht.

Kurz nach halb neun kommt das nächste Tageskind: Bernhard Bachinger bringt seine zweijährige Tochter Laura. Natürlich hätten sie sich auch bei Kitas angemeldet, sagt Bachinger, sich aber gleichzeitig nach Alternativen umgeschaut. Jetzt ist er vom Konzept Tagesmutter begeistert: "Es ist hier deutlich familiärer als in einer Kita, und mit Frau Bonilla haben wir eine erfahrene, tolle Ansprechpartnerin. Wir haben zwar lange gesucht, bis wir sie gefunden haben, aber es hat sich gelohnt."

Zum Abschied zeigt Laura ihrem Papa stolz, dass sie ihre Hausschuhe schon ganz alleine anziehen kann. Dann setzt sie sich mit Emma an den Kindertisch und zufrieden verspeisen die beiden ihre mitgebrachten Brotzeiten: kalte Pizza mit Paprika, Käsebrot und Gurke. Bei ihrer Tagesmutter fühlen sie sich offensichtlich wohl.

Ende Dezember 2016 gab es in München 419 Tagesbetreuungspersonen, vor allem Tagesmütter, die 1666 Kinder bei sich zu Hause aufnehmen konnten. Mittlerweile dürften noch weitere dazugekommen sein. Stimmt der Stadtrat nächsten Mittwoch zu, wird ihr Angebot künftig in den Kita-Finder, die zentrale Anmeldeplattform der Stadt, aufgenommen. Das Portal bietet Eltern eine Übersicht über die mehr als 1400 Münchner Einrichtungen zur Kindertagesbetreuung. Aktuell sind dort allerdings nur die Einrichtungen der Stadt sowie der privaten und gemeinnützigen Träger, zum Beispiel der Caritas, gelistet. Voraussichtlich von Ende 2017 oder Anfang 2018 an sollen über die Plattform aber auch die Betreuungsangebote der Kindertagespflege in Familien gefunden werden können. Das wünscht sich der Großteil der Tagesmütter.

Wie man Tagespflegeperson werden kann

Um Tagesmutter werden zu können, braucht man einen Mittelschulabschluss oder eine abgeschlossene Berufsausbildung sowie gute Deutschkenntnisse. In einem mehrstufigem Prozess werden Interessierte zur qualifizierten Kindertagespflegeperson ausgebildet: Zu diesem gehören zum Beispiel eine zweitägige Hospitation in einer Kleinkinderbetreuung sowie ein Hausbesuch der sozialpädagogischen Fachkraft des Sozialbürgerhauses. Sie überprüft, ob die Räumlichkeiten kindgerecht und sicher sind, ob es ausreichend Platz zum Toben und Schlafen gibt. Außerdem müssen mindestens 160 Unterrichtseinheiten der Grund- und Aufbauqualifizierung erfolgreich absolviert werden, um die Pflegeerlaubnis zu erhalten. Auch danach werden die Tagesmütter und -väter vom Stadtjugendamt begleitet und regelmäßig besucht.

Das Stadtjugendamt oder der Verein "Tageseltern München und Umgebung" organisieren Ersatzbetreuungsmodelle, damit die Eltern und Kinder auch dann eine vertraute Anlaufstelle haben, wenn die Tagesmutter krankheitsbedingt ausfällt. Tagespflegepersonen, die mit einer solchen Ersatzbetreuung zusammenarbeiten, können geförderte Plätze anbieten: Die Eltern zahlen dann maximal 2,01 Euro pro Stunde und Kind, mit öffentlichen Geldern wird - je nach Qualifikation - auf mehr als sieben Euro aufgestockt.

Eine Tagespflegeperson darf höchstens fünf Kinder betreuen. Elfi Bonilla Vega nimmt normalerweise vier, bietet aber auch einen fünften Notfall-Platz an, wenn ein Kind kurzfristig untergebracht werden muss. Die Nachfrage sei sehr groß, sagt sie. Vor kurzem erst sei eine Frau noch während der Schwangerschaft zu ihr gekommen, um das Ungeborene anzumelden.

An diesem Dienstagmorgen kümmert sich Bonilla Vega nur um Emma und Laura, ein Mädchen ist krank, ein Junge bei der Oma. Nach der Brotzeit geht es wie immer raus: Emma und Laura packen ihre Puppen in Buggys und schieben sie stolz zum Spielplatz hinter dem Haus. Dort können sie sich austoben, im Sandkasten spielen, rutschen. Elfi Bonilla Vega hilft, wenn die Puppen angeschnallt werden sollen, bringt bunte Schaufeln für Sandkunstwerke, schubst die Reifenschaukel an. Sie kann sich keinen schöneren Job vorstellen: "Ich genieße zwar mein Wochenende und auch meinen Urlaub, aber danach freue mich immer wieder auf meine Zwergerl", sagt Bonilla Vega schmunzelnd. Terrier Poldi geht es genauso: Sind die Kinder nicht da, hält er von seinem Aussichtspunkt am Fenster aus Ausschau nach ihnen.

© SZ vom 16.03.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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