Kinderbetreuung:Jedes zehnte Kind unter drei ohne Kitaplatz

Kindertagesstätte

Eine Kindertagesstätte in Düsseldorf in Nordrhein-Westfalen. Fo

(Foto: dpa)
  • Jedes zehnte Kind unter drei Jahren hat keinen Kita-Platz, zeigt eine Untersuchung des Instituts der deutschen Wirtschaft Köln. Die größte Betreuungslücke gibt es in Bremen, hier finden 13,4 Prozent der Unter-Dreijährigen trotz Elternwunschs keinen Platz.
  • Ursachen sind Betreuungslücken in veränderten familiären Lebensläufen, ein Wertewandel, die höhere Geburtenquote - und fehlendes Engagement der Kommunen beim Kita-Ausbau.

Von Constanze von Bullion, Berlin

Für mehr als jede zehnte Kind unter drei Jahren findet sich kein Kitaplatz, obwohl die Eltern einen brauchen. Und obwohl jedes Kleinkind in Deutschland seit 2013 einen Rechtsanspruch auf einen Betreuungsplatz hat, gehen immer noch rund 228 000 Kinder leer aus. Das geht aus einer Untersuchung des Instituts der deutschen Wirtschaft Köln hervor, über die zuerst die Rheinische Post berichtet hat. Die größte Betreuungslücke gibt es demnach in Bremen, hier finden 13,4 Prozent der Unter-Dreijährigen trotz Elternwunschs keinen Platz. In Nordrhein-Westfalen gehen 13,4 Prozent Kleinkinder leer aus, in Brandenburg nur 4,1 Prozent.

"Der Bund hat immer neue Investitionsmodelle zum Kita-Ausbau aufgelegt. Aber viele Kommunen haben es verschlafen, sich rechtzeitig um passende Räumlichkeiten und Grundstücke zu kümmern", sagt Volkswirt Wido Geis. Er hat für das Instituts der deutschen Wirtschaft Köln (IW) die Kita-Untersuchung erstellt und sich dabei auf Zahlen des Statistischen Bundesamts und eine Erhebung des Bundesfamilienministeriums gestützt. Dabei zeige sich, so Geis, eine erhebliche Differenz zwischen dem, was die Politik versprochen habe und den Plätzen, die tatsächlich zur Verfügung stünden.

Bis 2013 sollten in Deutschland 75 000 Kitaplätze für Unter-Dreijährige zur Verfügung stehen. So wurde es 2007 vereinbart, unter der damaligen CDU-Familienministerin Ursula von der Leyen. Schon damals war klar, dass westdeutsche Bundesländer am meisten Nachholbedarf hatten. In Nordrhein-Westfalen habe es 2007 beispielsweise nur für weniger als zwölf Prozent der Kleinkinder Betreuungsplätze. So gesehen wurde kräftig aufgeholt. Von den versprochenen Kitaplätzen aber kann keine Rede sein. Im März 2016, also drei Jahre nach dem Zieljahr 2013, standen erst 720 000 staatlich geförderte Plätze zur Verfügung statt 750 000. Auch die angepeilte Betreuungsquote von 35 Prozent für Kleinkinder hat sich längst als unzureichend erwiesen. Selbst in ländlichen Regionen ist der Bedarf heute deutlich höher.

"Der Kita-Ausbau hätte früher stattfinden müssen"

Volkswirt Geis vom IW Köln sieht die Ursachen der Betreuungslücke in "veränderten familiären Lebensläufen" und einen "Wertewandel". Auch lasse die höhere Geburtenquote und Zuwanderung aus EU-Ländern den Bedarf an Kitaplätzen steigen. Die Flüchtlingszahlen von 2015 hingegen spielten kaum eine Rolle. "Der Kita-Ausbau hätte schon früher stattfinden müssen", sagt Geis. "Es gab in Kommunen die Tendenz, das auf die lange Bank zu schieben." Aber auch im Osten, wo weniger Plätze fehlten, seit mehr Engagement nötig. Hier seien die Gruppen oft zu groß, was Sprachförderung erschwere.

Eine Sprecherin des Bundesfamilienministeriums hingegen nannte den Kita-Ausbau "eine Erfolgsgeschichte". Binnen weniger Jahre seien rund 400 000 neue Plätze entstanden. 2017 stelle der Bund knapp 2,5 Milliarden Euro zu Verfügung, mehr denn je. "Fast eine Viertelmillion fehlende Plätze - da kann sich die Bundesregierung nicht ausruhen", kritisierte dagegen die familienpolitische Sprecherin der Grünen, Franziska Brantner. Der Bund müsse mehr investieren und ein bundesweites Kitaqualitätsgesetz durchsetzen. Für gute Bildungs- und Betreuungsarbeit von Anfang an bedürfe es "einer großen bundesweiten Kraftanstrengung", sagte die bildungspolitische Sprecherin der Linken, Rosemarie Hein. Nötig sei neben guter Ausbildung zusätzlichen Personals bessere Bezahlung.

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