Johanneskirchen:Schlaflos gegen verschnarcht

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Anwohner beschweren sich über Lärmbelästigung durch Wolfgang Nöths neue Halle, auch der örtliche Bezirksausschuss ist verärgert. Einzelne aber finden es gut, dass sich kulturell etwas tut in Johanneskirchen

Von Ulrike Steinbacher, Johanneskirchen

"Wir wollen nichts Böses", hatte Hallenkönig Wolfgang Nöth den Journalisten kurz vor der Eröffnung seiner Neuen Theaterfabrik in den Block diktiert. Zehn Tage später sind die Nachbarn in Johanneskirchen davon aber schon nicht mehr so recht überzeugt. Nach "einer Vielzahl von Beschwerden" über den Lärm von Besuchern will der Bezirksausschuss (BA) Bogenhausen von der Stadtverwaltung jetzt erst einmal wissen, was auf dem Gelände an der Musenbergstraße eigentlich genehmigt worden ist. Erfahren haben die Stadtviertelvertreter von Nöths neuer Veranstaltungshalle am Stadtrand nämlich aus der Zeitung - genau wie die Polizei.

Die Neue Theaterfabrik auf dem Areal einer ehemaligen Holzhandlung eröffnete Anfang März mit einem Konzert von Brian Fallon. Am folgenden Wochenende spielten Blue October und King Gizzard & The Lizard Wizard. Für 10. April sind The Wombats gebucht, für 18. Mai Kamasi Washington. 1400 Gäste haben in der quadratischen Halle Platz. Daneben gibt es noch den größeren Spiegelsalon, der für Hochzeiten und Betriebsfeiern genutzt wird. Betreiber sind Wolfgang Nöth und Frank Bergmeyer von Propeller Music & Events.

Nachbarn reagierten äußerst ablehnend auf die ersten Konzerte. Eine Anwohnerin der Silvanastraße jenseits der Bahngleise nennt die Hallen "eine absolute Frechheit". Drastisch schildert sie in einer E-Mail: "Wir haben nun an allen denkbaren Wochentagen bis nach 0 Uhr mit einer enormen Lärmbelästigung zu kämpfen. An Schlaf ist nicht zu denken, da ein Flutscheinwerfer die Zimmer erhellt und die Musik / die Gäste so dermaßen laut sind, dass es nicht möglich ist, auch nur ein Auge vor 1 Uhr zuzumachen."

Die Neue Theaterfabrik liegt in einem Gewerbegebiet in Johanneskirchen direkt am Stadtrand. Betreiber Wolfgang Nöth hat die Konzerthalle mit Prunkstücken aus seiner Antik-Sammlung ausstaffiert. (Foto: Florian Peljak)

Der Bezirksausschuss reagierte auf die Beschwerden am Dienstagabend mit einem Dringlichkeitsantrag von CSU und Grünen. Die Stadtviertelvertreter fordern von der Verwaltung eine Nutzungsuntersagung, wenn es keine gültige Baugenehmigung gibt, respektive Lärm-Auflagen, falls es doch eine gibt. Außerdem wollen sie wissen, welche Nutzung eigentlich genehmigt ist. Denn wie die Dinge genau liegen, ist auf Stadtteil-Ebene unbekannt. Ein Bauantrag hat den BA nie erreicht, nur die Idee einer Partynutzung wurde ihm vor einem Jahr vorgestellt. Dem sei man schon damals "sehr kritisch" gegenübergestanden, heißt es in dem Antrag, in dem die Lokalpolitiker auch fragen, warum sie am Genehmigungsverfahren nicht beteiligt wurden.

Planungssprecherin Birgit Schöppl bringt Licht ins Dunkel: Im Spiegelsalon, der zweiten Halle, sei im Oktober 2016 ein Veranstaltungsraum für 650 Personen genehmigt worden. Damals habe sich der Bezirksausschuss nicht zu Wort gemeldet. Die Konzerte in der Neuen Theaterfabrik dagegen würden bis Mai noch als Einzelveranstaltungen zugelassen. Die Betreiber hätten aber einen Bauantrag angekündigt. Am Genehmigungsverfahren werde der BA dann "vorsorglich" beteiligt.

Ganz einig in ihrer ablehnenden Haltung waren sich die Stadtviertelvertreter nicht. Zwei Gegenstimmen kamen von den Grünen. Paula Sippl wollte das Thema vertagen, bis der Bauantrag vorliegt. Holger Machatschek brach eine Lanze für Wolfgang Nöth. Der habe sich einen guten Namen gemacht und bringe junge Leute in die richtigen Locations. "Im verschnarchten Johanneskirchen fehlt so etwas." Der BA-Antrag sei "spießig".

Die BA-Vorsitzende Angelika Pilz-Strasser widersprach den Einwänden ihrer Parteifreunde vehement. Bei jeder Gaube werde der BA gefragt, bei Konzerten mit 1400 Leuten dagegen nicht. Dies könne man nicht als Privatsache der Veranstalter abtun, denn die Besucher nutzten zur An- und Abreise die Infrastruktur des Stadtviertels. "Die beamen sich nicht da hin." Zudem sei unklar, wie oft Konzerte stattfinden würden. Xaver Finkenzeller (CSU) forderte, die Beschwerden ernst zu nehmen. Notwendig sei ein Verkehrskonzept. Christiane Hacker (SPD) pochte auf Gleichbehandlung: "Wenn ich einen Benefiz-Ostermarkt veranstalte, dann muss ich 16 Seiten Bedingungen beachten." Allein die feuerpolizeilichen Auflagen umfassten zehn Seiten, hinzu kämen zwei Begehungen, und sie müsse darauf achten, dass maximal 200 Besucher pro Stunde kämen - so seien die Vorschriften. "Auch ein Herr Nöth, der damit auch noch Geld verdient, muss solche Auflagen erfüllen", forderte sie.

"Die Leute wollen ein Erlebnis", sagt Hallenbetreiber Wolfgang Nöth. Für manche Nachbarn dagegen wäre weniger mehr (Foto: Florian Peljak)

Dies alles ist in Arbeit, wie sich den Angaben von Planungssprecherin Schöppl entnehmen lässt: Die Halle liege in einem Gewerbegebiet, bei den Konzerten würden die Immissionswerte gemessen und dann in ein Schallschutzgutachten eingearbeitet. Für den Spiegelsalon liege es aber noch nicht vor. Ob Auflagen nötig sind, "bleibt der abschließenden Prüfung vorbehalten". Ähnlich beim Verkehrskonzept: Über "verträgliche Lösungen" wie einen Pendelbus werde gerade gesprochen.

Frank Bergmeyer vom Mitveranstalter Propeller Music versichert, dass die Lärmgrenzwerte eingehalten werden. Eine Messung fürs Schallschutzgutachten habe sogar wiederholt werden müssen, weil die Züge auf der benachbarten Bahnlinie zu laut waren. Zudem würden alle Veranstaltungen gegen 23 Uhr beendet, Clubnächte bis 5 Uhr früh seien nicht geplant. "Falsch" sei die Aussage, dass um Mitternacht noch Musik gespielt werde. Und er sei jederzeit bereit, mit den Beschwerdeführern zu sprechen. "Wir wollen eine Location, um ein bisschen Kultur zu machen", sagt Bergmeyer. "Wir wollen keinen Ärger."

© SZ vom 15.03.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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