Jahreswirtschaftsbericht:München hat einen Marktwerkt von 277 Milliarden Euro

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Fast 70 000 Betten in 410 offiziellen Beherbergungsbetrieben stehen für München-Touristen bereit. (Foto: Johannes Simon (M))

Außerdem 368 251 Pendler, 69 016 Hotelbetten und 438 insolvente Firmen. Ein Überblick über Zahlen und Fakten zur Stadt aus dem Jahreswirtschaftsbericht.

Von Milena Hassenkamp und Günther Knoll

277 Milliarden Euro Marktwert

In der deutschen "Börsenliga" steht München ungefähr so unangefochten an der Spitze wie der hiesige Fußballverein in der Bundesliga. Nicht nur, weil mit Allianz, BMW (Foto), Infineon, Linde, Munich Re, Siemens AG und Pro Sieben Sat.1 gleich sieben der 30 Dax-Konzerne ihren Hauptsitz in der Stadt oder im angrenzenden Umland haben. Rechnet man den Marktwert aller im Dax, M-Dax und Tec-Dax notierten Münchner Firmen zusammen, kommt man auf eine Summe von 277 Milliarden Euro. Auf Platz zwei folgt die Stadt Bonn mit 102 Milliarden. Nicht ganz so kapitalstark, aber dafür zahlenmäßig weit in der Überzahl sind in München die Ein-Mann-Betriebe. 41 000 gab es davon laut der letzten Erhebung 2014; das ist immerhin fast die Hälfte aller 96 000 Münchner Firmen.

69 016 Hotelbetten

Fast 70 000 Betten in 410 offiziellen Beherbergungsbetrieben stehen für München-Touristen bereit - von der Präsidentensuite im Fünf-Sterne-Hotel bis zum Sechsbettzimmer im Hostel. Im Schnitt steht knapp die Hälfte davon leer, die Auslastung lag im vergangenen Jahr bei 56 Prozent. Und das Angebot wird noch größer, 2017 werden zwölf neue Hotels mit 5400 Betten fertiggestellt, zum Beispiel ein Fünf-Sterne-Haus am "Schwabinger Tor". Nun müssen die Investoren hoffen, dass der München-Tourismus wieder an Fahrt gewinnt, denn 2016 gab es nach vielen Rekordjahren bei den Gästeübernachtungen einen leichten Rückgang auf 14 Millionen. Grund war ein Einbruch in den Sommermonaten nach dem Amoklauf in München und Terroranschlägen in Bayern und Nizza.

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576 Land- und Forstwirte

Auf die Münchner Mischung sind sie alle stolz: Viele Branchen, große und kleine Betriebe, Traditionsunternehmen und Startups, nur ja keine Monostruktur. Bei aller Buntheit dominiert der Dienstleistungssektor in der Stadt mit 690 236 Jobs bei insgesamt 821 971 sozialversicherungspflichtig Beschäftigten. Das verarbeitende Gewerbe, der sekundäre Sektor, verzeichnete 131 158 Beschäftigte. Die Land- und Forstwirtschaft, primärer Sektor genannt, spielt in München mit gerade einmal 576 Jobs nur eine Außenseiterrolle. Insgesamt vollzieht sich ein Strukturwandel. Die Beschäftigtenzahlen in der Dienstleistungsbranche nehmen seit Jahren kontinuierlich zu, die im produzierenden Gewerbe ab. Das konnte dafür seinen Wertschöpfungsanteil zuletzt auf 22,6 Prozent steigern.

Drei Prozent Leerstand

Die Wirtschaft brummt, die Zahl der Beschäftigten steigt - und die brauchen immer mehr Büros. Doch die werden in München, zumindest in guten Lagen, knapp. Die Leerstandsquote bei Büroimmobilien ist 2016 weiter gesunken auf lediglich drei Prozent, innerhalb des Mittleren Rings sogar deutlich darunter. Insgesamt 688 200 Quadratmeter blieben 2016 ungenutzt, 2010 waren es noch mehr als 1,7 Millionen. Entspannung ist nicht in Sicht, denn viele neue Büroflächen kommen nicht hinzu. 158 300 Quadratmeter waren es im vergangenen Jahr, die aber praktisch komplett vermietet sind, 2017 werden es nur wenig mehr sein. Gute Zeiten für Immobilienbesitzer also, die nicht nur höhere Mieten verlangen, sondern auch bei Verkäufen lukrative Geschäfte machen können. Das gilt natürlich auch für Wohnungsbesitzer. Insgesamt ist 2016 auf dem Münchner Immobilienmarkt ein historischer Umsatzrekord von 12,3 Milliarden Euro erzielt worden.

... machen sich jeden Morgen irgendwo im Umland auf den je nach Stau und S-Bahn-Laune mehr oder weniger beschwerlichen Arbeitsweg in die Stadt München. Im Vergleich zum Vorjahr bedeutet das 2016 eine Zunahme um knapp drei Prozent. In den letzten zehn Jahren stieg die Zahl der "Einpendler" sogar um 20 Prozent. Doch nicht nur das Modell "Wohnen im Umland, arbeiten in München" ist verbreitet, sondern auch das Gegenteil. Die Zahl der Arbeitnehmer, die täglich aus der Stadt zu ihrem Arbeitsplatz im Umland fahren, ist zwar mit 173 407 absolut geringer, wächst aber deutlich schneller: um sechs Prozent im Vergleich zu 2015, um 36 Prozent in den vergangenen zehn Jahren. Den größten Austausch beim regionalen Grenzverkehr gibt es mit den Kommunen im Landkreis München - in beide Richtungen. Insgesamt arbeiten in der gesamten Planungsregion 14 knapp 1,4 Millionen sozialversicherungspflichtig Beschäftigte.

28 Millionen Euro für Qualifizierung

Die Stadt hat ein Beschäftigungs- und Qualifizierungsprogramm (MBQ), um erwerbsfähige Menschen, zu fördern. Das war ihr im vergangenen Jahr 28 Millionen Euro wert. Das MBQ richtet sich an Schwerbehinderte, Jugendliche ohne Schulabschluss oder Ausbildungsplatz, Berufsrückkehrer, Alleinerziehende, Langzeitarbeitslose und an Migranten. Ein aktuelles Thema ist die Integration von Flüchtlingen in den Arbeitsmarkt. Die Nachfrage von Firmen nach Auszubildenden und Fachkräften ist groß; allerdings verfügen laut Arbeitsagentur 60 Prozent der Flüchtlinge über keine Ausbildung, der Qualifizierungsbedarf sei also groß. Auch im Rahmen des MBQ werden mehrere Flüchtlings-Projekte gefördert. Für berufsschulpflichtige Flüchtlinge gibt es 1260 Plätze an den beruflichen Schulen und in schulanalogen Projekten. Insgesamt finanziert die Stadt derzeit 32 soziale Betriebe. Über 110 Projekte bieten Fortbildungen und Beschäftigung an.

42 938 Arbeitslose

Mit mehr als einer Million sozialversicherungspflichtig Beschäftigten im Bezirk der Arbeitsagentur München sind Stadt und Landkreis der zweitgrößte Beschäftigungsstandort Deutschlands hinter Berlin. Mit 42 938 Arbeitslosen im Jahresdurchschnitt 2016 weist die Stadt eine Quote von nur 4,3 Prozent auf, mit der sie unter allen anderen deutschen Städten mit mehr als 500 000 Einwohnern liegt. Mit 61,5 Prozent weist München auch die höchste Beschäftigungsquote im Städtevergleich auf. Auch der Akademikeranteil von 31,3 Prozent ist deutschlandweit Spitze. Der Arbeitsagenturbezirk konnte durchschnittlich 12 242 offene Stellen im Bestand verzeichnen. Besonders hoch war der Bedarf im Bereich Mint (Mathematik, Informatik, Naturwissenschaften und Technik), Handel sowie im Gesundheits- und Sozialwesen. Die Zahl der jugendlichen Arbeitslosen ging entgegen dem Bundestrend zurück, die Quote liegt bei 2,8 Prozent.

Platz Eins in der Kommunikation

Die Marktführer zieht es nach München: Zum Beispiel IBM. Der amerikanische Konzern eröffnete erst im Februar seine weltweite Zentrale für den Supercomputer Watson in den Schwabinger Highlight Towers mit dem Forschungsschwerpunkt der künstlichen Intelligenz. Microsoft hat 2016 seine Deutschland-Zentrale mit 1900 Arbeitsplätzen in der Parkstadt Schwabing bezogen. Und auch Google baute seinen Standort in München mit dem neuen Entwicklungszentrum im Arnulfpark weiter aus. Die Informations- und Kommunikationstechnik (IuK) mit insgesamt rund 70 000 Arbeitsplätzen und einem Umsatzplus von nahezu acht Prozent ist einer der bedeutendsten Wirtschaftssektoren der Stadt. In einer EU-Studie belegt München den ersten Platz aller europäischen IuK-Standorte.

1931 eröffnete Karl Keidler seine erste Fiat-Vertragswerkstatt in München, im vergangenen Jahr musste das Autohaus mit rund 50 Mitarbeitern nach fast 85 Jahren Insolvenz anmelden und schließen. Fiat Keidler war eines von 438 Unternehmen, die 2016 in finanzielle Schieflage gerieten und den Insolvenzantrag stellen mussten. 1200 Arbeitnehmer waren von den Firmenpleiten direkt betroffen. Verabschiedet haben sich im vergangenen Jahr noch mehr Betriebe, die Zahl der Gewerbeabmeldungen lag insgesamt bei 14 780; im gleichen Zeitraum wurden aber auch 17 699 Gewerbe neu angemeldet.

30 901 Euro Kaufkraft

Ja, die Münchner sind reich, im Schnitt jedenfalls: Mit einer Kaufkraft von 30 901 Euro pro Einwohner im Jahr 2016 sticht München alle anderen deutschen Großstädte locker aus und liegt 37 Prozent über dem Bundesdurchschnitt. Die Landkreise Starnberg und München stehen sogar noch ein bisschen besser da. Als Kaufkraft bezeichnet man die Summe aller Nettoeinkünfte, also das verfügbare Einkommen. Dafür haben es auch die Lebenshaltungskosten der Stadt in sich: Nur Frankfurt und Stuttgart sind teurer. Besonders schlagen in München die Wohnkosten zu Buche.

165 neue Köche

In Stadt und Landkreis München wurden im vergangenen Jahr 12 600 Ausbildungsverträge abgeschlossen, ein Prozent weniger als 2015. 1395 Ausbildungsplätze blieben 2016 im Münchner Agenturbezirk unbesetzt. Zum Stichtag 30. September waren 253 Personen gemeldet, die noch keinen Ausbildungsvertrag hatten. Mit 7641 (60,6 Prozent) entfallen die meisten der neuen Ausbildungsverträge auf den Bereich Industrie und Handel. 2565 neue Auszubildende gab es im Handwerk, darunter 165 Köche. Damit schafft es dieser Beruf gerade noch unter die Top Ten bei den männlichen Auszubildenden. Ganz vorne steht da mit 480 Auszubildenden der Einzelhandelskaufmann. Bei den Frauen ist die Kauffrau für Büromanagement (660) besonders gefragt vor der Medizinischen Fachangestellten (546).

© SZ vom 07. Juli 2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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