Vor laufender Kamera ist eine 28-jährige Inderin von ihrem eigenen Ehemann und dessen Bruder schwer misshandelt worden. Die beiden Männer quälten ihr Opfer in einer Wohnung in Ismaning fast bis zur Bewusstlosigkeit, während sie per Videotelefonie die Familie der jungen Frau zu erpressen versuchten, wie Josef Wimmer berichtet, der Leiter der Münchner Mordkommission. Mutter und Vater mussten in Neu-Delhi hilflos am Bildschirm mitverfolgen, wie die beiden Männer ihre Tochter wieder und wieder mit Schlägen malträtierten.
Den Tätern ging es laut Polizei dabei schlicht um Geld: Sie forderten von der Familie umgerechnet etwa 50 000 Euro als Aussteuer für die vergangene Hochzeit. Wenn sie nicht zahlen, so drohte der Ehemann seinen Schwiegereltern, werde er die 28-Jährige töten.
Der Tapferkeit der jungen Inderin, ihrer Familie und der Münchner Polizei ist es zu verdanken, dass die 28-Jährige inzwischen in Sicherheit ist und ihre Peiniger in einer Haftzelle sitzen. Von einer langen und glücklichen Partnerschaft zwischen ihr und ihrem 30-jährigen Mann kann keine Rede sein, einige Indizien deuten vielmehr auf eine arrangierte Ehe hin: Der Mann lebt seit fast zehn Jahren in München und arbeitet hier für einen Sicherheitsdienst. Vor gut einem Jahr heirateten die beiden in Indien, anschließend reiste er zurück nach Deutschland, seine Frau blieb weiter in Neu-Delhi.
Erst vor etwa zwei Monaten reiste sie - offenbar zum ersten Mal - nach Deutschland zu ihrem Mann. Es dauerte nicht lange, bis der erste Vorfall bei der Polizei aktenkundig wurde: Im Oktober meldeten Passanten, dass der Mann seine Frau auf offener Straße geschlagen haben soll. Das war offenbar nur der Anfang.
Chef-Ermittler Wimmer berichtet, dass der 30-jährige Täter Freitagnacht gegen 23 Uhr ein Videotelefonat mit seinen Schwiegereltern gestartet und dabei seine Frau vor laufender Kamera verprügelt habe. Details will er aus ermittlungstaktischen Gründen nicht nennen, sagt aber: "Es war massiv." Laut Aussagen der Frau soll ihr Mann zum Tatzeitpunkt angetrunken gewesen sein. Als er bereits mit seinem Erpressungsversuch angefangen hatte, kam sein 21-jähriger Bruder hinzu. Statt der Frau zu helfen, habe er sich "aktiv" an der Misshandlung beteiligt, sagt Wimmer. Wehrlos musste die 28-Jährige das Martyrium in Todesangst über sich ergehen lassen.
Am nächsten Morgen flüchtete die Frau - gezeichnet von Prellungen und Blutergüssen
Am folgenden Morgen, gezeichnet von Prellungen und Blutergüssen, flüchtete die Inderin aus der Wohnung unter dem Vorwand, sie müsse zur Arbeit - sie ist als Küchenhilfe beschäftigt. Die Brüder ließen sie ziehen, nahmen ihr aber vorher noch das Handy und den Reisepass ab. Doch anstatt zu arbeiten, sprach die 28-Jährige in Unterföhring in gebrochenem Englisch Passanten an und bat sie verzweifelt um Hilfe. In der Zwischenzeit hatten sich ihre Eltern einem Bekannten aus Köln anvertraut, der die Polizei verständigte.
Die Einsatzkräfte fuhren sofort zu der Wohnung in Ismaning und trafen dort auf die beiden Brüder. Da die junge Frau fast gleichzeitig mit sichtbaren Spuren einer Misshandlung durch die Stadt irrte, nahmen die Beamten die Männer fest. Noch am Sonntag erließ der Ermittlungsrichter Haftbefehle gegen sie, seitdem sitzen die beiden Verdächtigen in Untersuchungshaft.
Noch stehen die Ermittlungen erst am Anfang, die Polizei muss viele Detailfragen klären. Vorerst lautet der Vorwurf der Staatsanwaltschaft auf gefährliche Körperverletzung und erpresserischen Menschenraub. Die Fahnder prüfen, ob sie das Videotelefonat als Beweismittel sichern können, die Smartphones der Verdächtigen beschlagnahmten sie. Bei seiner Vernehmung soll sich der 30-Jährige laut Polizei über seine Frau und ihre Ehe geäußert haben: Wir lieben uns, habe er den Ermittlern versichert.