Isarvorstadt:Gemeinschaft Gleichgesinnter

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Die Frei-Raum-Kinder nutzen den Toberaum gerne und intensiv. (Foto: privat)

Der Schüler-Frei-Raum an der Baumstraße, Münchens erster von Eltern initiierter Hort, existiert seit 30 Jahren

Von Birgit Lotze, Ludwigsvorstadt/Isarvorstadt

Der Schüler-Frei-Raum in der Baumstraße ist erwachsen. Vor 30 Jahren wurde der Hort, der erste in München, der von einer Elterninitiative gegründet wurde, in der ehemaligen Strickwarenfabrik eröffnet. Damals wollten einige Eltern, alle alleinerziehend, die Kontakte, die ihre Kinder im Kindergarten geknüpft hatten, nicht einfach lösen, als aus den Sechsjährigen Schüler wurden. Außerdem wussten die Mütter nicht recht, wohin mit ihren Kindern nach Schulschluss. Auch in den Achtzigerjahren war es nicht selbstverständlich, dass Oma um die Ecke wohnt. Möglichkeiten, dass Kinder nach der Schule betreut wurden, Hausaufgaben machten und ein Mittagessen bekamen, gab es nur im Ausnahmefall.

Die Gründermütter hatten auch Ansprüche, die sie in ihrem selbstverwalteten Kindergarten schon erfolgreich erfüllt gesehen hatten: Gegenseitige Unterstützung bieten, einfach spielen können - das war ihnen wichtig für ihre Kinder. Sie sollten einen Treffpunkt haben, zu dem Freunde dazustoßen konnten, und motiviert werden, Konzepte und Ausdauer entwickeln.

Und auch die Gründermütter selbst - als Alleinerziehende - brauchten einen Raum, um Erziehungsfragen auszutauschen und sich gegenseitig zu unterstützen. Ramona Torpier, seit 2002 als Erzieherin im Frei-Raum, und vorher auch lange als Mutter, findet, dass immer alles sehr stimmig war. Das Team, das sie mit der Kinderpflegerin Inge Rieger bildet, arbeitet seit langem zusammen. "Fluktuation gibt es nur auf Seite der Eltern und Kinder, nicht beim Personal." Die beiden bieten den Kindern kaum Projektangebote, keinen Musikunterricht, Tanz oder Fremdsprachen. Die 18 Kinder sollen Raum haben, "sich selbst organisieren", selbst Konflikte lösen und Regeln bestimmen. Auch Ausflüge werden höchstens einmal in der Woche angeboten. Nur einmal im Jahr packen alle die Sachen zusammen und verreisen in drei Kleinbussen für zwei Wochen in die Toskana - als Selbstversorger.

Der Hort in dem Atelierhaus wurde wegweisend, inzwischen gibt es viele ähnliche Initiativen in München, auch Mittagsbetreuungen, die Eltern selbst organisieren. Für die Eltern bedeutet das, dass sie im Hort putzen und renovieren müssen, dass sie Dienste bei Krankheit der Erzieher übernehmen, zwischendurch beim Mittagessen einspringen und Vereinsarbeit leisten. Während anfangs alleinerziehende Mütter den Frei-Raum nutzten, sind heute Väter genauso beteiligt. Moderne Eltern übten, auch nach der Trennung, gemeinsam das Sorgerecht aus, sagt Ramona Torpier. "Da muss man halt jeden einzeln ansprechen, wenn es um den Putzplan geht."

Vor zehn Jahren änderte sich dadurch die Struktur im Schüler-Frei-Raum. Vater-Kind-Skiwochenenden wurden eingeführt, Vater-Kind-Plätzchen-Backen. Das Engagement ist nach wie vor hoch: Der Väter-Stammtisch, eigentlich als Übergangslösung gedacht, weil die Männer sich bei den Elternabenden zurückhielten, entwickelte sich zur festen Institution. "Den Väter-Stammtisch könnte man genauso gut lassen", meint indes Ramona Torpier. "Denn zu den Elternabenden kommen sie jetzt auch immer."

© SZ vom 17.11.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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