Isarvorstadt:Planen für die Zeltschule

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Lehrer, Kinder und Eltern aus der Tumblingerstraße wollen Unterricht in einem Flüchtlingscamp in der libanesischen Bekaa-Ebene ermöglichen. Beim Projekttag kommt die Hälfte der nötigen 7000 Euro zusammen

Von Franziska Gerlach, Isarvorstadt

Schule ist toll, hat Rosalina geschrieben. In Rot, damit es auch auffällt zwischen den ganzen anderen Sprüchen. Die Siebenjährige drückt den Deckel auf den Filzstift und betrachtet ihr Werk. Das Mädchen mit den wachen Augen besucht die Klasse 2c der Grundschule an der Tumblingerstraße. "Schule macht Spaß, und man lernt viel", sagt Rosalina. Deutsch, Mathe, Heimat- und Sachunterricht zum Beispiel, in jüngster Zeit aber auch ganz viel über ferne Länder. Ihre Freundin Lilith nickt. Die Kinder kichern, aufgeregt rutschen sie auf der Bank vor der Plane herum, die beim Projekttag am Samstag in der Turnhalle von der Decke hängt. Ja: Schule ist etwas Tolles. Wenn man denn eine hat.

Nicht überall auf der Welt ist Bildung so selbstverständlich wie in München, das wissen die Schüler der 2c längst. In dieser Klasse wurde vor einigen Monaten die Idee geboren, eine "Zeltschule" in einem Flüchtlingscamp in der libanesischen Bekaa-Ebene, nahe der Grenze zu Syrien, zu eröffnen. Zu der Initiative angeregt hatte Jacqueline Flory, Bloggerin aus der Isarvorstadt und Mutter von Lilith, die schon mehrere Mal im Libanon war und weiß, wie dringend Hilfe benötigt wird. "Da wächst eine ganze Generation syrischer Kinder im Analphabetismus auf", sagt sie. Im Februar stellte Flory die Idee dem Elternbeirat vor, die Zeltschule wurde zum offiziellen Schulprojekt erklärt. Jeder Schüler, jeder Lehrer habe sich eingebracht, sagt Eva Schwartze, die Klassenlehrerin der 2c. "Alle identifizieren sich damit, und das ist so schön." Sogar die Kindergärten und Geschäfte im Viertel engagieren sich. Der Hort St. Anton etwa habe die Einnahmen seines Frühlingsfestes nicht wie geplant in neue Spielgeräte investiert. Sondern in die Zeltschule.

Schon in den vergangenen Wochen hatten manche Klassen an der Tumblingerstraße in den Pausen Fruchtspieße oder Kuchen verkauft. Andere bedruckten Taschen, wieder andere bemalten einfach nur die Plane. Überdies spendeten Eltern und Schüler mehr als 800 Bücher für den Basar "Books for Books", die Einnahmen daraus sind natürlich ebenso für den Aufbau der Schule gedacht wie der Rest des Geldes. 3587 Euro nehmen Eltern und Schüler an dem Projekttag mit dem Verkauf von Kuchen, Büchern und einer Versteigerung ein. Schätzungsweise 7000 Euro wird die Schule kosten. Dabei sind die Lehrer das kleinste Problem. Im Libanon leben zahllose qualifizierte Pädagogen, die vor dem Krieg in Syrien flüchten mussten. "Die warten nur darauf, dass man ihnen Raum zum Unterrichten gibt", sagt Flory. Der größte Posten sind die Lehrmittel. Denn der Libanon sei das einzige Land, das arabische Schulmittel druckt - weshalb man den wichtigen Exportartikel nicht günstig in Flüchtlingslager abgeben wolle. Zehn Euro fallen pro Buch an, hat sie kalkuliert. "Darunter ist das nicht zu kriegen."

Der kleine Emilian hat mit seiner Klasse Schlüsselanhänger gebastelt, um die Zeltschule zu unterstützen. Gespannt blickt der Erstklässler zu der Frau mit dem Mikrofon, die gerade ein Torwart-Trikot versteigert - signiert von Oliver Kahn. "Zum ersten, zum zweiten und . . . ", tönt es durch die Turnhalle, dann ist der Spendenbetrag um weitere 90 Euro angewachsen. "Das ist alles für die Flüchtlingskinder", sagt Emilian, "die sind arm und haben Krieg". Bei aller Sorge um die katastrophalen Zustände in den Lagern will Eva Schwartze ihren Schülern aber auch Positives vermitteln, nicht nur über den Libanon. Die Musik und Küchen fremder Kulturen werden etwa Thema des Sommerfestes sein. Und wenn mit den Kindern im Libanon aufgrund der Sprachbarrieren keine Brieffreundschaften möglich seine sollten, dann sollen eben Bild-Freundschaften entstehen.

Die Initiatoren der Zeltschule haben viel vor: Gerade gründen sie einen Verein. Läuft alles wie geplant, sind sogar mehrere Schulen denkbar. Wie genau die erste Schule aussehen wird, wird sich aber wohl erst an Ort und Stelle zeigen. Sobald genug Geld zusammengekommen ist, will Jacqueline Flory ein weiteres Mal in den Libanon reisen. "Ein klassisches Zelt wird es aber wohl nicht sein, denn die gibt es dort längst nicht mehr", sagt Flory. Nur wo die Plane hinkommt, die ihre Tochter Lilith, Rosalina und andere Münchner Kinder gestaltet haben, steht schon fest. "Das wird die Innenseite der Schule", sagt Lilith. Damit es dort ein bisschen bunter wird.

© SZ vom 06.06.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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