Inklusion in München:Helfer auf der Rolltreppe

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Stadt und MVG wollen von diesem Sommer an ein Programm starten, um Mobilitätseingeschränkte und Gehbehinderte zu unterstützen. (Foto: dpa)
  • In München sollen Langzeitarbeitslose und Sozialhilfeempfänger künftig ältere oder gehbehinderte Menschen im öffentlichen Raum begleiten.
  • Mit dem Pilotprojekt von Stadt und MVG sollen Menschen, die in ihrer Mobilität eingeschränkt sind, wieder mehr am Leben in der Stadt teilnehmen können.
  • Die Stadt rechnet mit Kosten von 971.000 Euro bis 2017.
  • Losgehen soll "München inklusiv" im Juli 2015.

Von Marco Völklein

Langzeitarbeitslose und Sozialhilfeempfänger sollen künftig Gehbehinderte oder ältere Menschen im öffentlichen Raum sowie in Bussen und Bahnen begleiten - und ihnen so mehr Bewegungsfreiheit verschaffen. Das Ganze nennt sich "München inklusiv" und ist ein Pilotprojekt der Stadt und der Münchner Verkehrsgesellschaft (MVG). Die Stadt will damit quasi zwei Probleme auf einen Schlag lösen - nämlich zum einen mobilitätseingeschränkten Menschen mehr Teilhabe am Stadtleben ermöglichen. Und zum zweiten Langzeitarbeitslosen und Sozialhilfeempfängern neue Jobperspektiven eröffnen.

Wie genau läuft das Projekt?

In einer ersten Phase will die Stadt 25 Helfer engagieren - sieben sollen Langzeitarbeitslose über 55 Jahre sein, die "altersbedingt keine Beschäftigung mehr auf dem ersten Arbeitsmarkt finden", wie der Zweite Bürgermeister Josef Schmid (CSU) sagt. Neun Helfer will die Stadt aus Sozialhilfeempfängern rekrutieren, neun sollen ehrenamtlich tätig werden. Die Helfer erhalten eine einheitliche Dienstkleidung.

Was sollen die Helfer genau machen?

Geplant sind vor allem unterstützende Leistungen, also zum Beispiel jemanden, der an Krücken geht, auf der Rolltreppe hinunter zur U-Bahn stützen. Oder einem Rollator-Nutzer beim Ein- und Ausstieg in Bus oder Tram assistieren. Wichtig ist: "Das Ganze ist gekoppelt an die Benutzung von Bussen und Bahnen", sagt Thomas Ballweg vom Katholischen Männerfürsorgeverein, der das Projekt im Auftrag der Stadt aufziehen wird. Und: Es geht lediglich um Unterstützung auf dem Weg zu einem Ziel. Hilfen beim Einkauf im Supermarkt oder Behördengängen sind nicht vorgesehen; dafür gibt es andere Kostenträger im Sozialbereich, denen die Stadt keine Konkurrenz machen will. Ähnlich sieht es mit Behindertenfahrdiensten aus: Daher sind laut Wirtschaftsreferat ausdrücklich "körperliche Hilfen oder das Tragen der zu Begleitenden ausgeschlossen".

Wie läuft der Service ab?

Wer sich begleiten lassen will, muss spätestens am Vortag in der Servicezentrale anrufen. Der Helfer kommt dann zur vereinbarten Zeit und holt die Person ab, begleitet sie zum Ziel oder bringt sie auch wieder zurück. Findet die Rückfahrt erst einige Zeit später statt, kann es sein, dass die Servicezentrale einen anderen Helfer schickt.

Was kostet das Ganze?

Nichts. Nur für die MVV-Fahrt muss der zu Begleitende einen Fahrschein lösen. Das Ticket für den Helfer zahlt die MVG. Angeboten wird der Service montags bis freitags, 8 bis 18 Uhr. In dieser Zeit seien Arztpraxen, Ämter, Kanzleien und Einkaufszentren geöffnet, erklärt das Wirtschaftsreferat. An Feiertagen und an Wochenenden ruht der Dienst. In Berlin, wo es ein ähnliches Angebot schon gibt, habe sich gezeigt, dass da wenig Nachfrage sei, ergänzt Ballweg.

Wer kann das Angebot nutzen?

Voraussetzung ist, dass die Hilfesuchenden den Auftrag selbst anmelden können sowie den Weg "mit und ohne Mobilitätshilfen selbständig zurücklegen" können, wie es heißt. Demenzkranke oder Menschen mit "hochgradiger Körperbehinderung" sind ausgeschlossen.

Ab wann wird der Service angeboten?

Starten will die Stadt im Juli. Von März an sollen die Helfer gesucht und ausgebildet werden. Zudem soll der Männerfürsorgeverein im Stadtzentrum eine Servicezentrale mit Telefonzentrale einrichten.

Wie lange läuft das Projekt?

Von Juli an sollen Fachleute immer wieder Zwischenberichte abliefern, unter anderem zur "Dienstleistungsqualität". Von September 2016 an wird das Ganze ausgewertet und im Februar 2017 die Frage beantwortet: War das Projekt erfolgreich? Dann muss der Stadtrat entscheiden, ob es über das Jahr 2017 hinaus verlängert wird.

Wer finanziert das neue Angebot?

Schmid rechnet mit Kosten von 971 000 Euro bis 2017. Der Großteil, nämlich 797 000 Euro, kommt aus dem Münchner Beschäftigungs- und Qualifizierungsprogramm (MBQ), einem städtischen Geldtopf, mit dem das Wirtschaftsreferat unter anderem Langzeitarbeitslosigkeit bekämpfen will. Weitere 78 000 Euro trägt das Jobcenter München, aus dessen Kundenkreis die meisten Helfer für das neue Angebot rekrutiert werden sollen. 49 000 Euro schießt das städtische Sozialreferat zu, 46 000 Euro kommen von der MVG.

Sind noch weitere Angebote denkbar?

Eher nicht. Angestoßen hatten das Projekt im Oktober 2013 die beiden CSU-Stadträte Eva Caim und Georg Kronawitter. Sie wollten, dass die Stadt Leihrollatoren, Elektromobile oder Erwachsenen-Dreiräder zur Verfügung stellt, damit Gehbehinderte mit diesen zum Arzt oder zum Einkaufen kommen. Die Verwaltung lehnt das aber ab: Das sei zu teuer und schlecht handhabbar.

© SZ vom 10.02.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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