"Am liebsten Weißbier, also nichts, was so bitter ist." Eigentlich trinkt Andreas Dunkel, wissenschaftlicher Mitarbeiter am Lehrstuhl für Lebensmittelchemie der Technischen Universität München, gerne Bier. Nicht jedoch, wenn es 175 Jahre alt ist. Das Probieren hat er deshalb dieses Mal Kollegen überlassen: "Es soll salzig, verdorben und relativ sauer geschmeckt haben", berichtet Dunkel. Das lag auch daran, dass etwas Meerwasser in die Flaschen eingedrungen war, in denen das Bier lagerte. Vor fünf Jahren entdeckten Taucher in der Ostsee vor der Inselgruppe Åland zwischen den Küsten Finnlands und Schwedens ein Schiffswrack. Es war im Jahr 1840 gesunken und hatte Bier, Wein und Champagner transportiert.
Im Gegensatz zum Wein und Champagner, dessen Wert sich am Meeresgrund in 45 Metern Tiefe im Laufe der Jahre gesteigert hatte, war das Bier nicht mehr genießbar. Und wurde somit gerne den Fachleuten der Technischen Universität überlassen. Weil diese ausgiebig an modernem Bier forschen und dabei auch spezielle Analysemethoden entwickelt haben, beauftragten die Kollegen vom Staatlichen Technischen Forschungszentrum in Finnland sie mit der Analyse des alten Bieres. Die Resultate sind nun im Journal of Agricultural & Food Chemistry veröffentlicht - nach eineinhalb Jahren intensiver Forschungsarbeit.
Heutigen Biertrinkern würde das alte Gebräu wohl kaum schmecken
"Wir konnten herausfinden, aus welchen Rohstoffen das Bier damals gebraut wurde", sagt der Weihenstephaner Lebensmittelchemiker Andreas Dunkel. Es wurde Hopfen verwendet, der sich vom heutigen, gezüchteten Hopfen unterscheidet. Damals wurde mit betasäurereichen Hopfensorten gebraut, während heute alphasäurereiche Hopfen wichtiger sind. Der Unterschied besteht im Aufbau der chemischen Verbindungen - und in der bitteren Note. Die Annahme, dass das Bier damals so viel bitterer gewesen sei als das heutige, sei aber nicht ganz richtig, argumentiert Dunkel: "Es war einfach ein ganz anderer Bittergeschmack." Bei den Hefesorten waren die Unterschiede nicht so groß.
Eine finnische Brauerei vermarktet bereits Bier, das aus demselben Rezept gebraut wird, wie das 175 Jahre alte Getränk, das aus der Ostsee geborgen wurde. Die Vorstellung, genau dasselbe Bier zu trinken wie die Leute damals, ist aber unrealistisch. "Man darf sich nicht vorstellen, dass Bier, das vor 170 Jahren gemacht wurde, dem heutigen Biertrinker noch schmecken würde", sagt Walter König vom Bayerischen Brauerbund. Das gelte für alle Biere, die mit historischen Quellen nachgebraut werden. Man könne zwar dieselben Rohstoffe benutzen. Malz, Hopfen und Wasser seien aber ganz anders beschaffen. "Das Bier hatte eine bitterere, herbere Note und weniger Alkohol." Man habe die Hopfen nicht nach ihrer Brauqualität unterscheiden können, so wie mit heutigen Analysemethoden. "Man war froh, wenn man das teure Gewürz überhaupt hatte."