Haushaltskrise in München:Der Stadtrat entmachtet sich

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  • Die schwarz-rote Koalition im Münchner Rathaus verschreibt sich stärkere finanzielle Kontrollen.
  • Sie will Beschlüsse, die Geld kosten, nur noch zweimal jährlich zulassen.
  • Die Grünen erinnert das an das Verhalten von Alkoholikern.

Von Heiner Effern

Ein Loch von vielen Hundert Millionen Euro, ein zurückgezogener Haushalt, eine Debatte über neue Schulden: Wie ein Herbststurm tosten die plötzlich wackligen Finanzen im Oktober über den Stadtrat und die Referate hinweg. Zerzauste Frisuren und überholte Budgets in den Referaten wollen sich die regierenden Fraktionen von CSU und SPD in den kommenden Jahren ersparen. Dafür greift die Rathausmehrheit zu rigiden Mitteln: Die Fachausschüsse des Stadtrats sollen schon für den Nachtragshaushalt 2016 keine finanzwirksamen Beschlüsse mehr fassen dürfen.

In zwei Anträgen legen CSU und SPD dar, wie sie die Stadträte disziplinieren wollen. Die Kernbotschaft: Ausschüsse sollen nur noch Empfehlungen verabschieden dürfen. Das gilt für das Schaffen von neuen Stellen ebenso wie für andere Mehrausgaben. Die Empfehlungen aller Ausschüsse fasst die Kämmerei in einen Personal- und Ausgabenplan zusammen. Diese werden in einer gemeinsamen Sitzung des Finanz- und des Personalausschusses nochmals kritisch geprüft. Erst dann wird die Vollversammlung im Rahmen der Haushaltsberatungen darüber entscheiden.

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Von einer Entmachtung der Ausschüsse will CSU-Fraktionschef Hans Podiuk nicht sprechen. "Es ist eher eine Art Selbstschutz. Jeder will nur das Beste haben, aber alles zusammen können wir uns nicht leisten." Die Stadträte müssten früher und genauer hinsehen, wie sich ihre Entscheidungen in der Zukunft auswirkten. "Es kann nicht alles gleich wichtig sein. Wir und auch die Referenten müssen hier die Maßstäbe setzen", sagt Podiuk.

Zwei Mal jährlich soll Geld ausgegeben werden

Als Konsequenz soll der Stadtrat nur noch zweimal im Jahr Beschlüsse fassen, die finanzielle Folgen haben: im Juni oder Juli mit dem Nachtragshaushalt für das laufende und im Dezember mit dem Haushalt für das kommende Jahr. Auch die SPD hält das für den richtigen Weg. "Wir brauchen ein geordnetes Verfahren, damit wir die Übersicht haben, was wir uns wirklich leisten können", sagt Hans Dieter Kaplan, der Finanzexperte der Fraktion. In diesem Sommer sei "alles ein bisschen ins Kraut geschossen".

Kämmerer Ernst Wolowicz musste den Haushalt 2016 Mitte Oktober zurückziehen, da aufgrund der Ausgabenfreude des Stadtrats plötzlich Hunderte Millionen Euro fehlten. Das soll ein einmaliger Vorgang bleiben, weshalb Wolowicz den Plan der Rathaus-Mehrheit begrüßt. Es sei gut, wenn nicht mehr "mit der Salamitaktik" in jeder Vollversammlung Ausgaben beschlossen werden könnten. Der Kämmerer stellt aber schon ein Umdenken fest. "Die Sensibilität ist jetzt besser."

An die große Wende bei der Rathausmehrheit glaubt Florian Roth, Fraktionschef der Grünen, nicht. "Das ist wie bei einem Alkoholiker. Wenn er zum Trinken neigt, muss er sich selbst ständig Grenzen setzen." Und könne es vielleicht doch nicht lassen. Roth erinnert an eine Initiative der Rathausmehrheit vom vergangenen Jahr, als sie unter dem Titel "Haushaltsbeschluss ernst nehmen!" mehr Disziplin bei den Ausgaben beschloss. "Die Worte klingen kraftvoll, doch es steckt nicht viel dahinter."

Auch Michael Mattar, Fraktionssprecher von FDP, Hut und Piraten, zweifelt an der Einsicht von CSU und SPD. "Gute Vorsätze gab es schon öfter. Aber schöne Anträge alleine helfen wenig." Ein Grund für das Misstrauen der Opposition ist der letzte Satz im Antrag der Rathausmehrheit. Grundsätzlich seien Ausnahmen möglich, heißt es dort, wenn "nachweisbar unvorhergesehene Ereignisse eine Haushaltsausweitung notwendig machen".

© SZ vom 02.12.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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