Harthof:"Das Wichtigste sind Gespräche"

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Am Harthof entsteht im Herbst eine Unterkunft für 160 Flüchtlinge. Schon im Sommer werden an der Thalhoferstraße Container für weitere 200 Menschen aufgestellt

Von Nicole Graner, Harthof

In diesen Tagen und wohl auch in nächster Zukunft wird in der Versöhnungskirche am Hart eine Fürbitte gebetet, die Pfarrerin Dorothee Hermann sehr am Herzen liegt: Es geht um die Menschen, die neu nach Deutschland kommen, um die Flüchtlinge, die in der neuen Unterkunft an der Thalhoferstraße leben werden. In der Hoffnung, Schmerz und Trauer, die Flucht verarbeiten zu können. In der Hoffnung, Atem holen zu können. In Sicherheit. "Wir beten diese Fürbitte für Menschen, die noch gar nicht da sind, wir beten, dass sie eine neue Heimat finden mögen - hier bei uns", sagt Hermann und möchte in ihrer Gemeinde schon jetzt Gefühle aufmachen und Gedanken zulassen wie die Frage nach der richtigen Hilfe, aber auch die Frage nach der eigenen Sicht. Immer, so sagt die Pfarrerin der Versöhnungskirche, seien Menschen auf der Suche nach einem Neubeginn, seien Menschen unterwegs, um eine Heimat zu finden. Über diese Suche nachzudenken und dankbar zu sein für das Eigene, für das, was man hat - damit beginne, so Hermann, der erste Schritt, Flüchtlinge willkommen zu heißen. Und dann sei eine Hilfe "auf Augenhöhe" wichtig, die das bietet, was die Menschen brauchen. Nicht nur Kleidung, sondern Ansprache. Nicht nur Essen, sondern medizinische und seelische Betreuung.

160 Flüchtlinge wird der Harthof an der Schleißheimer Straße 438 aufnehmen. Dort wird in den Monaten Oktober bis Dezember eine Flüchtlingsunterkunft entstehen. Doch vorher wird, wie vergangene Woche bekannt wurde, auf einer Grünfläche der Stadt an der Thalhoferstraße für weitere 200 Menschen eine dreigeschossige Unterkunft in Container-Bauweise entstehen. Nicht weit von der ehemaligen Gemeinschaftsunterkunft an der Eulerstraße, die, wie Josef Otto Floßmann (SPD), Vorsitzender der Siedlergemeinschaft und des Unterausschusses Soziales und Kultur im Bezirksausschuss (BA) Milbertshofen-Am Hart, sagt, "20 Jahre lang Teil unseres Lebens war". Weil es da, nach anfänglichen Ängsten, nie Probleme gegeben habe, weil in Milbertshofen das Thema Migration schon immer gegenwärtig war und durch die Notunterkunft im Olympiastadion schon ist - deshalb sei es, so glaubt Floßmann, für den 11. Stadtbezirk vielleicht schon viel selbstverständlicher mit dieser neuen Herausforderung umzugehen. "Diese Erfahrung an der Eulerstraße haben wir eben als gutes Beispiel im Kopf". Negative Rückmeldungen auf die Pläne für die Thalhoferstraße, habe er bis jetzt noch keine bekommen.

Das bestätigt auch der Vorsitzender des Bezirksausschusses, Fredy Hummel-Haslauer (SPD). Natürlich würden in Schreiben, die ihn erreichten, auch Sorgen der Bürger spürbar, aber "negativ" sei keiner eingestellt. Schon einen Tag nachdem das Sozialreferat Standorte für zusätzliche Gemeinschaftsunterkünfte im neuen Sofortprogramm bekannt gegeben hatte, verteilte der Bezirksausschuss an Anwohner im Umfeld der Thalhoferstraße ein Schreiben. Es informiert über die wichtigsten Details zum Containerbau, die zeitliche Planung und formuliert drei Bitten: den Flüchtlingen nicht mit Vorurteilen zu begegnen, nicht auf die Propaganda "rechtspopulistischer und rechtsextremer Hetzer" hereinzufallen und sich gut zu informieren. Es endet mit dem Aufruf: "Lassen Sie uns alle für ein menschliches Miteinander in unserem Stadtbezirk eintreten!" "Dieses Schreiben war mir wichtig", sagt Hummel-Haslauer, "und genau mit dieser Botschaft."

Voraussichtlich im Juni soll es bei einer Einwohnerversammlung die Gelegenheit geben, über beide Unterkünfte zu sprechen, Hoffnungen und Sorgen zu äußern. Hummel-Haslauer aber glaubt, dass Milbertshofen "eine große Offenheit" habe. "Ich habe keine Bedenken, dass die neue Unterkunft hier nicht angenommen wird. Auch leisten unsere Kirchen hier schon jetzt sehr gute Arbeit."

Ruth Huber (SPD), Mitglied im Bezirksausschuss und Beauftragte gegen Rechtsextremismus, hatte schon als die Planung für eine Flüchtlingsunterkunft an der Schleißheimer Straße feststand, im Pfarrbrief der Dankeskirche, Versöhnungskirche und von St. Gertrud einen Artikel geschrieben, in dem sie und der Bezirksausschuss anboten, neben den Pfarreien eine Art Anlaufstelle für ehrenamtliche Helfer zu sein und die Angebote zu sammeln. "Einige haben schon reagiert", sagt Huber, "eine Lehrerin will Deutschunterricht geben, eine andere würde gerne Musik mit Flüchtlingen machen." Es würde sich langsam rumsprechen, dass man Hilfe brauche, auch wenn man noch nicht genau wisse, woher die Flüchtlinge kämen. Das Wichtigste aber seien "Gespräche, Gespräche, Gespräche". Nur im Miteinander könne man schnell Widerstände abbauen.

© SZ vom 22.04.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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