Harlaching:Vor der eigenen Tür abgeblitzt

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Michael Kuffer, 45, sitzt seit 2008 für die CSU im Stadtrat. Der Anwalt will sich im September bei der Bundestagswahl um ein Direktmandat im Wahlkreis München-Süd bewerben. (Foto: Imago)

Mit Mehrheit befürwortet der Bezirksausschuss den Bau von Wohnheimen - gegen den Willen einiger Anwohner

Von Julian Raff, Harlaching

Im kleinen, abgeschiedenen Wohnquartier an der Südspitze Harlachings blieben die überwiegend gut gestellten Anwohner bisher unter ihresgleichen. Entsprechend skeptisch bis ablehnend reagieren sie auf das seit einem Monat bekannte Vorhaben des Freistaates, auf einem eigenen Grundstück am Schilcherweg zwei Wohnhäuser für anerkannte Flüchtlinge und wenig zahlungskräftige Mieter zu bauen. Auf die Unterstützung des Bezirksausschusses (BA) können die Harlachinger dabei nicht hoffen: Nachdem Vertreter der Regierung von Oberbayern das Projekt im Stadtviertelgremium vorgestellt und gegen die Kritik verteidigt hatten, überstimmte die elfköpfige Mehrheit aus SPD und Grünen neun CSU-Vertreter, die den Standort wegen fehlender Infrastruktur für ungeeignet halten und den Stadtrat einschalten wollten.

Vom dortigen CSU-Vertreter Michael Kuffer, der grundsätzlich Verständnis für die Anwohner zeigte, hatte sich auch Bezirksausschuss-Chef Clemens Baumgärtner (CSU) einen Ratsantrag erhofft. Dagegen spricht aus Kuffers Sicht aber, dass Vorhaben dieser Größe üblicherweise als "Geschäft der laufenden Verwaltung" ohne Ratsbeteiligung abgewickelt werden. Nach eigenem Bekunden will er aber die Bedenken der Anwohner prüfen und eventuell in Hintergrundgesprächen mit der Staatsregierung noch einmal vorbringen.

Da die Nachbarn wohl ihre Zustimmung verweigern werden, muss die Staatsregierung ihr eigenes Projekt noch einmal per "Zustimmungsverfahren" prüfen. Die in der Februarsitzung des BA gestellte Frage, warum der Freistaat und nicht die Landeshauptstadt dort günstigen Wohnraum schaffen will, hatte eingangs Baudirektor Peter Mayer beantwortet: Der auf dem Höhepunkt der Flüchtlingskrise beschlossene Wohnungspakt beinhaltet ein Sofortprogramm zum Bau von Wohnraum, vorzugsweise auf staatlichem Grund. Dabei sind 70 Prozent der Wohnungen für anerkannte Flüchtlinge reserviert, der Rest wird durch die jeweilige Gemeinde belegt. Wie Peter Mayer und seine Kollegen betonten, werden die meist 45- bis 50 Quadratmeter großen Wohnungen günstig vermietet und nicht als betreuter Wohnheim-Platz vergeben.

Auf dem früheren Forsthaus-Grundstück, einem von drei Münchner Standorten, sind elf solcher Einheiten für Familien vorgesehen. Von Mitte 2018 an sollen dort 42 Bewohner einziehen und für zunächst zehn Jahre bleiben. Geplant sind zwei Häuser, die mit Erd-, Ober- und nicht ausgebautem Dachgeschoss den üblichen Rahmen einhalten. Mehr als die Baudichte, beunruhigt die Nachbarn allerdings der mit vier Stellplätzen knapp bemessene Parkraum. In erster Linie äußerten sie aber in Zwischenrufen und Wortmeldungen ihre Angst vor "Enteignung" und "unglaublicher Wertminderung" - womit realistisch gesehen eher gebremste Wertsteigerung gemeint war. Dass die Anwohner zugleich den Wohnwert ihrer Umgebung mit dem Hinweis auf denkbar schlechte Versorgungs- und Einkaufsmöglichkeiten schlecht reden mussten, um gegen das Projekt zu argumentieren, nahm Christa Knappik (CSU) amüsiert zur Kenntnis.

Ebenso deutlich wie SPD-Kollege Wilhelm Hanseder sprach sich Knappik für das Projekt aus und appellierte an die Harlachinger Bürger, auf ihre neuen Nachbarn zuzugehen - etwa mit gemeinsamen Gartenfesten. "Man kann das Problem auch totfeiern", entgegnete BA-Chef Baumgärtner, traditionell mit Christa Knappik über Kreuz und weiterhin der Ansicht, Neuankömmlinge fänden an dieser Stelle kein öffentliches Leben vor, in das sie sich integrieren könnten.

© SZ vom 23.03.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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