Harlaching:Gassenhauer und Ganoven

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Gesang, Tanz, Text und Orchester: Mit dem Musical "Oliver!" bringen rund 120 Schüler und eine Handvoll Lehrer das bislang größte Theaterprojekt des Theodolinden-Gymnasiums auf die Bühne

Von Julian Raff, Harlaching

Der Schrecken kommt hier manchmal als Scherz am Rande daher: Mr. Fagin schickt seine jungen Schützlinge auf Diebestour, die würden sich lieber eine öffentliche Hinrichtung ansehen - kein Problem, vertröstet der sinistre Ganove die Kinder - sie würden das Spektakel ja ohnehin bald als Hauptdarsteller erleben. Wer sich jenseits schmissiger Melodien und actionreicher Wendungen auf Figuren und Handlung einlässt, hat mit "Oliver!" einen schwer verdaulichen Brocken vor sich.

Die pädagogische Auseinandersetzung mit dem vielleicht gar nicht so altbackenen Stoff liefert einem ambitionierten Lehrerteam und rund 120 mitwirkenden Schülern des Theodolinden-Gymnasiums (TLG) aber nur einen von vielen Gründen, die Musical-Version von "Oliver Twist" auf die Bühne zu wuchten. Abgesehen davon, dass die neue Sport- und Mehrzweckhalle des TLG mit all ihren technischen Möglichkeiten adäquat bespielt sein will, bietet sich der 1960 uraufgeführte Genre-Klassiker auch dramaturgisch und musikalisch an: Das Dickens'sche Elendspanorama verlangt an sich schon ein Großensemble junger Darsteller. Um noch mehr Schüler in das Projekt einzubinden, hat Regisseurin Heidrun Müller-Witzani die meisten Rollen zweifach besetzt, und das nicht mit Ersatzparts. Beide Darsteller stehen abwechselnd auf der Bühne. Inklusive Musik und Technik, ist am Ende so rund jeder siebte Schüler beteiligt, quer durch die verschiedenen Altersstufen.

Das volle Programm: An der Aufführung von "Oliver!" wirken Chor, Orchester, Tänzer und Schauspieler des Theodolinden-Gymnasiums mit. (Foto: Catherina Hess)

Mit entsprechendem Hochdruck probt zum Beispiel Karin Stein ihre selbst entwickelte Choreografie. Eine regelrechte Großproduktion haben in den letzten Monaten auch die Kostümschneider unter Leitung von Luzia Kufner bewältigt. Die Waisenhaus-Kittel und Kappen in perfekter Schmuddeloptik entstanden aus grauem Abdeckfilz. Ausdrucksstark, aber karg und ohne viktorianische Schnörkel zeigt sich auch das Bühnenbild. Schließlich, sagt Kufner, wollte man auch optisch "das Historische aufbrechen".

Als Ideal für das bisher größte Bühnenprojekt am TLG erweist sich "Oliver!" nicht zuletzt, weil es den Stimmlagen der jungen Sängerinnen und Sänger entgegenkommt wie kaum ein anderes Stück. Dennoch hat es die Partitur in sich: In die Gassenhauer hat Komponist Lionel Bart einiges an Dissonanzen und rhythmischen Brüchen gestreut, eine Herausforderung für Sänger, Tanzensemble, Chor und ein mit Streichern, Holz- und Blechbläsern, aber auch E-Gitarre und E-Bass klassisch-modern besetztes Orchester, in dem auch eine Handvoll Lehrer mitspielt. Oben auf der Bühne gehören dagegen auch die Erwachsenen-Parts fast durchweg den Schülern. Eine der wenigen Ausnahmen macht Winfried Schreyer, der die Rolle des Gaunerkönigs Mr. Fagin zwar mit jahrzehntelang trainierter Stimmgewalt und Bühnenpräsenz ausfüllt, aber nie auf Kosten seiner jungen Mitspieler. Wenn es darum geht, gemeinsam über kleine Hänger hinweg zu spielen, tritt die Rampensau natürlich diskret hinter dem einfühlsamen Pädagogen zurück. Wenn etwas beim Probenendspurt leichte Nervosität erzeugt, sind es sowieso eher die Kinderkrankheiten einer nagelneuen, ebenfalls von Schülerhand bedienten Bühnentechnik. Als bisweilen tückisch für Sänger und Techniker erweisen sich besonders die zur Gesangsverstärkung eingesetzten Headsets. Für sich genommen, wäre aber selbst der ungewohnte Mikrofon-Gesang halb so wild, finden übereinstimmend die Hauptdarsteller Franz Blattenberger (Oliver Twist), Philipp Frank (Dodger), Julia Spieler (Nancy) und Leili Bagheri (Bet). Richtig spannend und anstrengend ist es halt, Gesang, Tanz und Text zusammenzubringen. Dass er und seine Mitspieler gerade den stressigsten Teil ihres Schuljahres hinter sich bringen, während die Kumpels nach Notenschluss schön langsam in die Ferien hinüberchillen, stört Blattenberger wenig, schließlich "gibt's dafür am Ende ja auch den Applaus".

Die Taktgeberin: Für die musikalische Leitung der Musicalaufführung zeichnet Katrin Sieber verantwortlich, hier bei der Generalprobe. (Foto: Catherina Hess)

"Oliver!", Theodolinden-Gymnasium, Am Staudengarten 2; Vorstellungen am Donnerstag, 21. und Freitag, 22. Juli, beginnen jeweils um 19 Uhr, die Vorstellung am Samstag, 23. Juli um 15 Uhr. Karten gibt es an der Abendkasse oder im Sekretariat für zehn Euro, Kinder und Jugendliche fünf Euro.

© SZ vom 20.07.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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