Halbzeit-Bilanz:Das Wiesn-Wunder

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  • In der ersten Wiesn-Woche mussten - abgesehen vom Tag des Anstichs - kaum Zelte wegen Überfüllung schließen. Trotzdem ist der Umsatz ähnlich hoch wie im vergangenen Jahr.
  • Etwa zehn Prozent weniger Menschen sind nach Schätzungen der Stadt bislang gekommen.
  • Weniger Ochsen und Kälber wurden verspeist, auch die Zahl der Bierleichen ging zurück.
  • Zum Italienerwochenende und zur zweiten Woche erwarten sich die Wirte nun einen Aufschwung.

Von Franz Kotteder und Andreas Schubert, München

Na also, geht doch! Am Samstagmittag waren alle großen Wiesnzelte wegen Überfüllung geschlossen. Ein ungewöhnlicher Anblick in diesem Jahr. Denn sieht man ab vom ersten Samstag, dem Tag des Anstichs, so musste in der ersten Woche eigentlich kaum einmal ein Zelt schließen, weil es zu voll geworden ist. Trotz des passablen Wetters hielt sich der Andrang anfangs in Grenzen, und die Wirte berichteten unisono von einem seltsamen Phänomen. "Es ist schon ruhiger als sonst", war regelmäßig zu hören, "aber der Umsatz ist ein bisschen besser als im vergangenen Jahr". Das fanden sowohl die Wirte in den großen als auch in den kleinen Zelten. Florian Oberndorfer von der Knödelei etwa sagt: "Mir ist das auch noch ein Rätsel, wie das eigentlich zusammengeht."

Gelegenheit zum Rätseln gab es auch am Sonntag, als Wiesn-Bürgermeister Josef Schmid auf der Oidn Wiesn vor der Presse eine Halbzeitbilanz zog. Nach den Schätzungen der Stadt hatte das Oktoberfest tatsächlich etwa zehn Prozent weniger Besucher als im gleichen Zeitraum des vergangenen Jahrs. Etwa drei Millionen sind demnach bisher auf die Wiesn gekommen. Der Bierumsatz ging jedoch nur um etwa zwei Prozent zurück. Warum der Umsatz in den Zelten trotzdem stimmt, liegt wohl an einem anderen Trend: "Die Leute essen weniger Hendl und mehr andere Köstlichkeiten, zum Beispiel eine gebratene Ente", sagt Schmid und spricht auch deshalb von einer "Genießer-Wiesn", was ja auch besser klingt als zum Beispiel eine "Minus-zehn-Prozent-Wiesn".

Weniger Bierleichen als im Vorjahr

Die Besucherzahl der Oidn Wiesn weiß man genau, weil dort Eintritt verlangt wird. 265 000 waren es bislang, 4000 weniger als 2014. In der Ochsenbraterei wurden in der ersten Woche nur 55 Ochsen verspeist (60 waren es im vergangenen Jahr), und in der Kalbsbraterei waren es nur noch 22 Kälber statt 27. Auch die Zahl der Bierleichen ging zurück, 318 Personen wurden wegen einer Alkoholvergiftung behandelt, 52 weniger als im vergangenen Jahr. Insgesamt meldete die Sanitätsstation mit 1080 Einsätzen der gelben Fahrtragen etwa so viele wie im Jahr 2014, da waren es 1092.

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Jedenfalls ist die Wiesn alles in allem deutlich ruhiger angelaufen als im vergangenen Jahr. Manche Medien schrieben gleich von "Flaute". Am ersten Sonntag und den Wochentagen kamen Besucher problemlos in fast jedes Zelt hinein. Am ersten Sonntag war nur die Bräurosl wegen der schwulen Wiesn schon früh dicht. Anders war es zum Beispiel im Hofbräuzelt, in dem sich in der torkelnden Masse trotzdem ein Platz an einem Tisch finden ließ.

In den Biergärten hatten die Bedienungen - wohl wegen des recht kalten Wetters - nicht allzu viel zu tun. Und am Dienstag herrschte auf der Oidn Wiesn zeitweise fast gähnende Leere. Auch in den öffentlichen Verkehrsmitteln, die trotzdem gut gefüllt waren, sowie in der Innenstadt waren die Woche über deutlich weniger Menschen in Tracht zu sehen. Dennoch jubelt die Münchner Verkehrsgesellschaft MVG, dass derzeit 10 000 Handytickets pro Tag verkauft würden.

Welche Zwischenbilanz die Polizei zieht

Trotz des Besucherrückgangs verzeichnete die Polizei etwas mehr Einsätze als 2014: Genau 1092 waren es, 21 mehr als vor einem Jahr. Die Zahl der Straftaten ging zwar um 39 auf 620 zurück, die Zahl der Körperverletzungsdelikte blieb aber mit 202 genau gleich, dafür wurden 32 Masskrugschlägereien registriert (statt 15 im Vorjahr). Das alles ist vergleichsweise normal für die Wiesn, auch die Feuerwehr hatte im Wesentlichen mit Routinefällen zu tun, allerdings auch einem Großeinsatz: Ein Angetrunkener versuchte am Samstag, auf das Zeltdach des Winzerer Fähndls zu kraxeln. Unter einigen Mühen und mit Einsatz von Polizisten konnte er schließlich davon abgehalten werden.

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Fast alle Beteiligten sind jedenfalls mit der ersten Woche zufrieden. Wirtesprecher Toni Roiderer sagt es "in einem Satz: wunderschön, aber ein paar Prozent weniger". Edmund Radlinger, Vorsitzender der Schausteller, braucht etwas mehr: "Es gibt ein Sprichwort, das sagt: Die Wiesn beginnt erst am Donnerstag der ersten Woche. Und das stimmt auch. Wir sind zufrieden und freuen uns auf die zweite Woche."

Der Donnerstag war heuer das zweite Wochenende, mit diesem nahm alles wieder seinen gewohnten Lauf. Die Zelte verrammelt, die Biergärten ebenso, und vor allem auf der Wirtsbudenstraße kaum mehr ein Durchkommen. Verzweifelte Menschen drängten sich vor den Absperrungen, reckten die Hände zum Himmel, um den Ordnern anzuzeigen, zu wievielt man gerne hineingelassen werden möge. Freilich hatten sie nur wenig Chancen.

Allein der Weg zur Festwiese ließ vermuten, dass es eng werden würde. Auf dem Viehhofareal parkten Dutzende Reisebusse, oft mit italienischem Kennzeichen. Schon frühmorgens hatten sie zum Italienerwochenende all jene ausgespuckt, die in der Hoffnung auf einen Wiesntisch eine Nacht lang angereist waren. Viele sah man dann enttäuscht übers Festgelände tippeln. Oktoberfest wie gehabt.

© SZ vom 28.09.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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