Haidhausen:Kleine Monster, große Aufregung

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Der Bordeauxplatz gehört zu den besonders beliebten Treffs der Pokémonjäger. Es häufen sich die Beschwerden über nächtlichen Lärm und Müll, aber das Allparteiliche Krisenmanagement der Stadt sieht keine Probleme

Von Johannes Korsche, Haidhausen

"Schnapp' sie dir alle" lautet das Motto der einstigen Pokémon- TV-Serie. Kein Wunder also, dass eben dieser Leitspruch auch für das im Juli veröffentlichte Smartphone-Spiel "Pokémon Go" gilt. Und Pokémon fangen geht auf dem Bordeauxplatz offensichtlich besonders gut. Deshalb ist der Haidhauser Platz seit der Veröffentlichung des Handyspiels zu einem der Haupttreffpunkte der Monsterjäger geworden.

Die Spieler kommen in kleinen Gruppen, sind zu viert bis sechst. Sie bringen unter anderem Campingstühle und Kühlboxen mit - und besuchen den Bordeauxplatz mindestens zwei bis drei Mal in der Woche. Anwohner beschweren sich seitdem über den gestiegenen Lärmpegel und herumliegenden Müll. Die Stadt reagierte und schickte Mitarbeiter des Allparteiliche Krisenmanagements in München (Akim) auf den Bordeauxplatz, zur Tages- und Nachtzeit. Das Ergebnis: größere Mülleimer, gegebenenfalls mobile Toiletten und mehr Streifenpolizisten, die vor allem das Parken in zweiter Reihe verhindern sollen. Darüber hinaus sieht das Akim "keinen Handlungsbedarf", heißt es im Abschlussbericht.

Mit Veröffentlichung von "Pokémon Go" im Juli begann ein regelrechter Hype um die Monster, die von dem Spielehersteller Niantic an bedeutenden Sehenswürdigkeiten und Bauten - den sogenannten Pokéstops - ausgesetzt werden. Mittels Smartphone können Nutzer die "Pikachus" und "Taubsis" genannten Figuren in der realen Umgebung finden und einfangen - eine ziemlich raffinierte Verschmelzung von Fantasiewelt, Kindheitstraum und Realität. Da am Bordeauxplatz gleich vier dieser Pokéstops auf engem Raum aufgestellt sind, entfaltet der Haidhauser Platz nahezu magnetische Wirkung auf die Spieler aus der ganzen Stadt. Selbst die Polizei kann nicht verhindern, dass "jede Nacht ein Lärm herrscht, der das Leben hier einschränkt", beschwerte sich ein Anwohner schriftlich bei der Stadt. Ein anderer Anwohner forderte: "Streifen hinschicken und Pokémonverbot ab 23 Uhr!" Auch im Haidhauser Bezirksausschuss (BA) haben die Pokémonjäger auf dem Bordeauxplatz bereits zu Diskussionen geführt. Barbara-Sylvia Schuster (SPD) war "schockiert über die Ansammlung von Menschen", sagte sie in der letzten BA-Sitzung, der Platz sei nicht mehr das, was er einmal war. Susanne Zauner (Grüne) hingegen begrüßte, dass auf dem Bordeauxplatz "mal was passiert".

Kollektives Jagdfieber: Bis spät in der Nacht sind dutzende Pokémonjäger auf dem Bordeauxplatz auf der Suche nach "Pikachus" und "Taubsis". (Foto: Maja Hitij/dpa)

Um zu vermitteln, schickte das Akim von Ende Juli bis Ende August insgesamt elf Mal Mitarbeiter zu einer Ortsbegehung - bis 1 Uhr nachts. Deren Ziel: die Situation auf dem Bordeauxplatz einschätzen und Lösungsvorschläge anbieten. Also führten sie Gespräche mit den Spielern und beobachteten die bis zu 240 Besucher auf dem Platz. Erste Erkenntnis: "Die große Mehrzahl der Anwesenden ist hauptsächlich zum Pokémon-Go-Spielen auf dem Platz." Doch trotz zahlreicher Gespräche innerhalb der Gruppen - zumeist über den Spielverlauf - ist der Lärmpegel "generell als niedrig bis mittelmäßig" einzustufen. Selbst wenn bis zu 240 Menschen auf dem Platz sind, ist die Lärmbelastung "für die Anzahl der Personen und die Größe des Platzes nicht auffällig". Auch die wenigen mitgebrachten Musikboxen erhöhen die Lautstärke "nicht wesentlich". Außer einer "subjektiv verstärkten Wahrnehmung des Lärms" ändert sich an der Verträglichkeit der Geräuschkulisse auch nachts wenig, urteilt das Allparteiliche Krisenmanagement.

Auch die Vermüllung, ein weiterer Kritikpunkt der Anwohner, relativieren die Akim-Mitarbeiter - das sei als "mittel" einzustufen. Obwohl die Mülleimer bereits überquellen, "sammeln die meisten Spieler ihren Müll ein und legen ihn vor die Mülleimer." Davon abgesehen empfindet das Akim den Bordeauxplatz als "recht sauber, insbesondere unter Berücksichtigung der Anzahl der Platzbesucher". Auch die von den Anwohnern monierten Wildbiesler habe man nur sehr vereinzelt wahrgenommen.

Seit Kurzem sind Pokémon-Karten an der Grundschule Altomünster verboten. Dagegen hat sich Widerstand aus der Schülerschaft formiert (Symbolfoto). (Foto: Maja Hitij/dpa)

Neben größeren Mülleimern, die häufiger entleert werden sollen, hat das Akim vor allem Durchhalteparolen: Kommen die kalten Herbstnächte, dürfte es auf dem Bordeauxplatz wieder ruhiger werden. Bis dahin gilt für die Pokémonjäger: Schnapp' sie dir alle.

© SZ vom 01.10.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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